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Ägypten: Mit dem Qaida-Chef in Haft

Wie ein Ex-Terrorfürst die Sicherheitslage sieht

PlayAyman al-Zawahri
Ägypten: Mit dem Qaida-Chef in Haft | Bild: picture alliance / AP Photo / Anonymous

Schon lange bildet er junge Männer nicht mehr zu Gotteskriegern aus. Nageh Ibrahim hilft ihnen bei Hautproblemen und Geschlechtskrankheiten. Als Arzt ist der Ex-Terrorfürst gefragt in seinem Viertel im Westen Alexandrias. Wer mit ihm einsaß, wird kostenlos behandelt. Ansonsten aber hat der 64-Jährige mit seiner dunklen Vergangenheit abgeschlossen: -2Ich habe eingesehen, dass unsere Überzeugungen von damals falsch waren. Ich habe versucht, meine Fehler zu korrigieren."

Islamisten der 70er Jahre

Als Student träumt Nageh Ibrahim von einem Gottesstaat auf der Basis der Scharia. Die "Ungläubigen" in Ägyptens Regierung will er mit Waffengewalt stürzen. Ende der 70er Jahre gründet er mit gleichgesinnten Islamisten die Terrororganisation "Gamaa Islamia", nennt sich Emir und predigt Gewalt: "Wir waren viele in der Gamaa Islamia. Die Organisation wuchs gewaltig und hatte lange Zeit Bestand. Aber es geht nicht nur um die Zahl der Mitglieder. Wir haben tatsächlich geglaubt, ein anderes Staatswesen errichten zu können."

Sein Job war es, ihn aufzuhalten, den Umsturz zu vereiteln: Reda Yacoub war damals in der Anti-Terroreinheit der Polizei, Nageh Ibrahim sein Gegenspieler: "Natürlich war er ein gefährlicher Terrorist. Und diese religiösen Gruppen waren terroristische Gruppen, die wir als gefährlich einstuften, weil sie die Institutionen des Staates bekämpften."

Hunderte, ja Tausende schließen sich den Islamisten an. Es brodelt im Ägypten der 80er Jahre. Die Spirale der Gewalt dreht sich immer schneller. Am 6. Oktober 1981 erschüttert ein Attentat das Land. Bei einer Militärparade wird Präsident Sadat erschossen von Terroristen aus den Reihen der "Gamaa Islamia".

Die Staatsmacht schlägt zurück.

Sicherheitskräfte verhaften Tausende Islamisten. Viele sitzen im Tora-Gefängnis von Kairo ein, eine Brutstätte des Terrors, unter ihnen auch Nageh Ibrahim. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Zellennachbar: Aiman Zawahiri. Der Medizinstudent schwingt sich zum Wortführer der Dschihadisten auf. Er wird gefoltert, radikalisiert sich. Nach drei Jahren kommt er frei, setzt sich nach Afghanistan ab, schließt sich Al-Qaida an, so wie etliche andere Ägypter auch. Dort werden sie an der Waffe ausgebildet, als Attentäter geschult.

Zawahiri steigt schnell auf, wird Bin Ladens Stellvertreter. Mit großer Akribie plant er die Anschläge auf das World Trade Center. Die Nachricht vom Einsturz der beiden Türme löst Jubel aus in den Zellen des Tora-Gefängnisses von Kairo. Nageh Ibrahim: "Es gab viele Ignoranten, die diese Anschläge damals als großen Sieg gefeiert haben, auf die Knie gefallen sind. Ich habe das als immensen Fehler angesehen. Aber das hat Al-Qaida großen Zulauf beschert, sie alle sind darauf hereingefallen."

In Ägypten Verzicht auf Gewalt

Nageh Ibrahim und seine Mitstreiter schlagen nach zermürbenden Jahren im Gefängnis, nach hunderten Toten auf beiden Seiten einen anderen Kurs ein. Sie bieten dem Staat die Aussöhnung an, den Verzicht auf Gewalt und Terror: "Wir alle haben an dieser Initiative gearbeitet, und viel erreicht. Die Haftbedingungen wurden besser, wir haben den Sicherheitskräften unsere Waffen übergeben, die Gewalt hörte auf, wir haben nicht mehr so radikal gedacht."

Nach 24 Jahren Haft kommt Nageh Ibrahim frei. Heute schreibt er Artikel über die Zeit des Terrors. Jungen Islamisten rät er ab von Gewalt, will ihnen das Leid ersparen, das er erlebt hat. Er ist im Alltag Alexandrias angekommen. Die Rolle des Emirs hat der Großvater längst abgelegt. Aber auch er weiß, dass nur die wenigsten Islamisten seinem Beispiel folgen, viele andere weiter auf Terror setzen.

Autor: Daniel Hechler, ARD Kairo

Stand: 19.09.2021 19:51 Uhr

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