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Australien: Klimaschutz oder "Greenwashing"?

PlayFrisch gepflanzte Bäume in einer Parkanlage
Australien: Klimaschutz oder "Greenwashing"? | Bild: picture alliance / Newscom | Rafael Ben-Ari

Es läuft gerade richtig gut für Rinder-Farmer Michael Dempsey. Und das liegt auch an dem Nebeneinkommen, das er mit Carbon Farming hat, also dem Speichern von C02 auf seinen riesigen Ländereien. Seine Farm kam dafür in Frage, weil seine Vorgänger, die Wälder immer wieder abgeholzt hatten. Der Deal jetzt: Michael lässt der Natur freien Lauf, die Bäume können wachsen, also Kohlendioxid speichern und er bekommt dafür eine C02 Gutschrift.

Nicht einmal zusätzliche neue Bäume anpflanzen muss er dafür. Und seine Wagyu-Rinder haben immer noch mehr als genug Platz auf dem weitläufigen Anwesen.
Ein Zwischenhändler übernimmt die Bürokratie für den Farmer, verkauft seine CO2-Gutschriften an Fluggesellschaften, die mit den Zertifikaten umweltfreundlicher werden wollen.

Neulich kam der erste Scheck, umgerechnet fast 190.000 Euro. Klingt nach einer Win-Win-Situation für alle, denn immer mehr Firmen brauchen C02-Zertifikate Das Ganze ist längst ein Big Business, umgerechnet rund 280 Millionen Euro pro Jahr allein in Australien.

Viel zu verbessern

Professor Andrew MacCintosh hat die Regeln für den Emissionshandel Down Under mit entworfen. Aber er ist inzwischen einer der größten Kritiker: 70 bis 90Prozent aller Projekte halten seine Meinung nicht, was sie versprechen und gleichen kaum CO2 aus. Es seien viel zu viele Projekte von den Behörden zugelassen worden, besonders in den trockenen Savannen und Halbwuesten des roten Kontinents: "Die Behörden sind oft unter großem Druck, die Nachfrage nach C02-Zertifikaten zu befriedigen. Es geht da immer mehr Quantität als um Qualität."

Die australische Regierung bestreitet das. Doch Andrew Macintosh macht uns auf ein Projekt aufmerksam, das mitten im roten Herzen Australiens liegt. Wir fahren ins Outback: Hier liegt die Farm von Jake und Francesca Fennell. Mehr als 381.000 Hektar Land. Etwa 65 Prozent davon haben sie für den Handel mit CO2-Zertifikaten registriert. Noch ist hier keinerlei Geld geflossen. Doch die Hoffnungen sind groß bei Jake, dessen Familie seit sechs Generationen Farmen betreibt.
Die Fennels waren erst skeptisch, ob ihre Farm überhaupt für Co2 Zertifikate geeignet ist. Doch sie hätten sich beraten lassen und glauben nun, dass sie irgendwann damit ein Nebeneinkommen haben. Das begründen sie mit dem Rotationsverfahren, bei dem sie ihre 4000 Rinder auf immer unterschiedliche Weiden treiben: "Bei uns wird das CO2 in den Mulgas-Bäumen gespeichert. Das geht so: Die Kühe fressen das Gras und Gestrüpp weg und so können junge Bäume besser durchkommen. Dann sperrt man die Weidefläche ab und lässt die Kühe woanders grasen. Sobald die Bäume gewachsen und mehr als zwei Meter groß sind, kann man die Kühe dort wieder grasen lassen."

Zurück bei Andrew Macintosh: Er argumentiert, so ein Projekt hätte erst gar nicht registriert werden dürfen. Mit nicht mehr als 300 Millimeter Regenfall im Jahr sei es ungeeignet: "Aus Klimasicht aber ist das Projekt es nutzlos. Es sorgt für Biodiversität, absolut. Aber so erreichen wir unsere Klimaziele nicht und reduzieren keine Treibhausgase. Das geht so nicht."

Bei Green Collar in Sydney, Australiens größter Investmentfirma, die mit Umweltzertifikaten handelt. Manager James Schulz sagt, ja, das System sei noch nicht perfekt, besser als Nichtstun. 30 Prozent der Emissionen kommen schließlich aus dem Landsektor, zum Beispiel durchs Abholzen: "Wir werden niemals genug CO2-Zertifikate haben, um damit die Kohle und Gasindustrie zu retten und ihre Emissionen auszugleichen. Aber wir brauchen die Investitionen in den Landsektor. Wir müssen dafür sorgen, dass Wälder nicht mehr abgeholzt werden, dass Habitat verloren geht und das kostet nun mal Geld und viel mehr Geld als eine Regierung es sich je leisten könnte."

Autorin: Sandra Ratzow, ARD Singapur

Stand: 16.04.2023 19:42 Uhr

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