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Griechenland: Tot gespart

Gesundheit nur gegen Barzahlung

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Griechenland: Tot gespart - Gesundheit nur gegen Barzahlung | Bild: BR
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Theodoros Yannaros hat ständig ein Ohr für seine Mitarbeiter und einen Blick für alles, was in seiner Klinik passiert. Wie der oberste Manager eines Krankenhauses sieht Yannaros eigentlich nicht aus. Der Chef der Athener Elpis-Klinik denkt und arbeitet unkonventionell. Er ist immer und überall ansprechbar für die Fragen seiner 800 Mitarbeiter. Und Fragen haben sie viele, weil ihre Löhne gerade um 40 Prozent gekürzt wurden und sie trotzdem Überstunden ohne Ende machen.

Theodoros Yannaros, Generaldirektor Elpis-Klinik:
"Wie kann ich meinen Mitarbeitern sagen, dass sie hier ohne Pause arbeiten sollen, wenn ich nicht auch hier bin? Wir sind ein Team und arbeiten alle zusammen. Das ist die Regel und nur so kann ein Krankenhaus gut funktionieren. Derjenige, der die anderen führt, muss da sein und denjenigen beistehen, die kämpfen."

Wie reformbedürftig das griechische Gesundheitssystem ist, bekam der 55-jährige Yannaros am eigenen Leib zu spüren. Vor einigen Monaten erlitt er einen Herzinfarkt - mitten im Krankenhaus. Doch seine Ärzte hatten nicht die geeigneten Geräte zur Verfügung. Yannaros musste in einer anderen Klinik behandelt werden.

Die griechischen Krankenkassen sind so gut wie pleite. Weil viele niedergelassene Ärzte ihre Patienten neuerdings nur gegen Barzahlung behandeln, kommen immer mehr Menschen in die Notaufnahmen der staatlichen Krankenhäuser. Hier müssen sie bislang nur einen Teil der Behandlungs-Kosten selbst tragen.

Die Gesundheitskosten explodieren

Auch Alexandros Nikolaidis hat 40 Prozent weniger Lohn zur Verfügung. Für den Immobilienmakler ist eine Selbstbeteiligung deshalb finanziell kaum machbar.

Alexandros Nikolaidis:
"Mein Sohn geht in die siebte Klasse. Weil er in der Schule Sport machen will, soll sein Herz per Ultraschall untersucht werden. Dafür muss ich 62 Euro zahlen, von meinem Geld. Und das ist das Problem: wir werden verpflichtet, uns an den Behandlungskosten zu beteiligen."

Theodora Tsiola ist grundsätzlich mit der Gesundheitsreform einverstanden, aber sie wünscht sich, dass sie als Versicherte und als Bürgerin gerechter behandelt wird.

Theodora Tsiola, Patientin:
"Wir bezahlen die Medikamente, die Ärzte. Alles wird teurer, die Löhne werden gekürzt, es gibt keine Jobs. Meine Kinder und ihre Familien sind arbeitslos und ich kenne auch andere Leute, die in einer ähnlichen Situation sind. Die Lage ist unerträglich."

Für den maroden Zustand des griechischen Gesundheitssystems gibt es viele Gründe: so wurden Geräte und Medikamente über Jahrzehnte viel zu teuer eingekauft. Korruption war im Spiel und gedankenlose Verschwendung.

Sparen ist möglich

Theodoros Yannaros, Generaldirektor Elpis-Klinik:
"Wir hatten sehr viele Einweginstrumente, zum Beispiel bei laparoskopischen Operationen. Es ist höchste Zeit, dass wir zu Mehrweggeräten übergehen, die natürlich sterilisiert werden müssen, aber sonst gleich sind. In Privatkliniken benutzen sie solche Instrumente. Da fallen pro Eingriff nur 30 Euro an. Bei uns sind es 1000 Euro pro Operation."

Ärzte schlagen inzwischen Alarm, wie hier zuletzt am Mittwoch: sie prangern das Missmanagement in vielen Kliniken an. Die Ärztegewerkschaft kritisiert, die Versorgung der Patienten sei dadurch erheblich schlechter geworden.

Dimitri Varnávas, Präsident griechische Ärztegewerkschaft:
"Der Materialmangel ist unvorstellbar. Es gibt in manchen Krankenhäusern nicht einmal Spritzen. Ganze Abteilungen funktionieren nicht mehr richtig, weil es an Ärzten und Pflegepersonal mangelt. Unsere Lage ist dramatisch: und wir sind diejenigen, die den Patienten dann in die Augen schauen müssen."

Materialmangel kennt die Elpis-Klinik kaum, und auch die Krankenhaus-Apotheke ist gut bestückt. Der Generaldirektor handelt längst nach der Devise: nicht klagen, sondern die Schwierigkeiten lösen. Wenn ein Medikament fehlt, tauscht er sich mit benachbarten Kliniken aus. Und die Preise sind inzwischen viel beweglicher als früher.

Theodoros Yannaros, Generaldirektor Elpis-Klinik:
"Es gibt jetzt bestimmte Krankenhauspreise, die vom Ministerium genehmigt worden sind. Und zusätzlich haben wir die Möglichkeit, direkt mit der Pharmafirma zu verhandeln. Aus 100 Euro können so 30 werden."

Krankenhäuser und Praxen werden neuerdings von den Behörden auch verpflichtet, statt teurer Originalpräparate die wirkstoffgleichen, aber viel günstigeren Generika zu bestellen. Bis vor zwei Jahren lag ihr Anteil nur bei höchstens zehn Prozent, heute werden zu 60 Prozent Generika verwendet. Auch dadurch sanken die Kosten deutlich.

Um die Ausgaben in den Griff zu bekommen, hat das Gesundheitsministerium eine kleine, aber effektive Behörde geschaffen: sie verlangt Wettbewerb und Transparenz.

Catherine Kastagnioti, Präsidentin Beschaffungskommission Gesundheitswesen:
"In unserem Internetportal können die Pharmahersteller an Medikamentenauktionen teilnehmen. Derjenige erhält den Zuschlag, der den günstigsten Preis anbietet. Eine andere Möglichkeit der Kosteneinsparung ist der Einkauf größerer Mengen. Wir haben uns dabei an den Beschaffungsverfahren der europäischen Nachbarn orientiert."

Die studierte Zahnärztin rechnet vor, dass ihre 30-Mann-Behörde mit diesen Maßnahmen seit 2011 bereits 250 Millionen Euro eingespart hat.

In der Krise eine neue Abteilung

Theodoros Yannaros und der Direktor der Kardiologie zeigen nicht ohne Stolz, wie weit sie mit Eigeninitiative und effektivem Management gekommen sind. Mitten in der Krise haben sie eine nagelneue kardiologische Abteilung aufgebaut, nicht mit staatlichen Mitteln, sondern mit Geld aus dem Klinikvermögen. In ein paar Wochen werden hier die ersten Herzpatienten behandelt.

Diese vielversprechende Initiative aus Sparen und Investieren verbreitet Zuversicht. Und so trifft es sich gut, dass Griechenlands ältestes Krankenhaus Elpís heißt, übersetzt: Klinik der Hoffnung.

Theodoros Yannaros, Generaldirektor Elpis-Klinik:
"Wir sind in der Krise. Wir müssen diese Krise händeln. Wir müssen durch. Wir müssen es schaffen und wir werden es schaffen."

Yannaros, der in Deutschland Molekular- und Nuklearbiologie studierte, hat mit alten Denkweisen gebrochen. Nun will er mehr griechische Kollegen davon überzeugen, dass sich festgefügte Strukturen mit Zuversicht und neuen Ideen ändern lassen.

Autor: Eckhart Querner / ARD Athen

Stand: 22.04.2014 14:54 Uhr

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