SENDETERMIN So., 09.09.12 | 19:20 Uhr

Peru: Wenn die Gletscher schmelzen

PlayWeltspiegel
Peru: Wenn die Gletscher schmelzen | Bild: BR

Es tropft unaufhörlich, obwohl gerade in den Anden die kälteste Jahreszeit begonnen hat. Die Eismassen schmelzen. Mit einer Geschwindigkeit, die Wissenschaftler schockiert.

Luzmila Dávila Roller, Glaziologin:
"Diese Gletscher sterben. Das bedeutet für die Gemeinden in den Tälern dramatisches. Sie haben immer weniger Wasser für die Landwirtschaft, selbst in der weit entfernten Hauptstadt Lima werden die Konsequenzen zu spüren sein."

Noch fließt das Wasser in Strömen die Berge hinunter, aber die Eisvorräte werden kleiner und Peru leidet unter immer größer werdenden Trockenperioden. Die Auswirkungen sind jetzt schon katastrophal.

Weltspiegel
Weltspiegel | Bild: BR

Wir machen uns auf in ziemlich luftige Höhen, begleiten peruanische Wissenschaftler auf einer Expedition in die Cordillera Blanca. Das höchste tropische Gebirge der Welt, 31 Gipfel über 6000 Meter. Um sie zu erreichen, müssen wir durch diesen Bergsee auf 4200 Meter.

Luzmila Dávila Roller, Glaziologin:
"Wir nehmen diese Strapazen jeden Monat auf uns, gehen in die Gletscher, weil wir dort verschiedene Daten sammeln, sie auswerten und so einen Überblick über den Klimawandel und die Auswirkungen bekommen."

Ab hier geht es zu Fuß weiter. Aber heute nur noch auf ein Plateau, auf dem wir unser Lager errichten.

Arbeit unter extremen Bedingungen

Luzmila Dávila Roller, Glaziologin:
"Ich will Euch zeigen, wie schnell die Eismassen verschwinden. Hier am Pastoruri-Gletscher gab es 2001 noch eine langgezogene Gletscherzunge, 2007 brach die in der Mitte durch. 2011 war sie völlig losgelöst. 568 Meter Eismasse gingen verloren."

Der nächste Morgen, ein paar Stunden Schlafversuche liegen hinter uns. Die Kälte, die Höhe machen uns zu schaffen und wirklich bequem ist es in den Zelten auch nicht. Die Bergführer haben uns heiße Hafergrütze zum Frühstück gemacht. Die soll uns die Energie für den Aufstieg liefern.

Luzmila Dávila Roller:
"Es ist wirklich nicht leicht, in diese Berge aufzusteigen. Das schafft nicht jeder. Man darf sich nicht übernehmen. Für unsere Arbeit im Gletscherfeld müssen wir das Tageslicht ausnutzen und zurückkehren, bevor die Sonne verschwindet, denn dann wird es unerträglich kalt."

Das ist unser Ziel, der Artesonraju. 6025 Meter hoch. Noch sind wir in unseren Zelten mit letzten Vorbereitungen beschäftigt. Die Strecke für den Aufstieg wird noch einmal besprochen, die Punkte markiert, wo im Gletscher neue Messvorrichtungen angebracht werden sollen. Dann aber machen wir uns auf den Weg in eine atemberaubende Kulisse.

Diesen Berg kennen Kinofans, das Symbol von Paramount Pictures. Noch strahlt er mit seiner weißen Pracht.

Unsere peruanischen Bergführer erklimmen die Höhen wie bei einem Spaziergang. Wir leiden jetzt schon. So nah und doch so weit. Diese majestätischen Eisfelder ziehen magisch an und doch ist der Weg so schwer.

Forschungsarbeit an einem faszienierenden Ort

Percy Dextre Henostroza, Bergführer:
"Es ist ein faszinierender Ort. Er packt Dich, die Gefühle übermannen Dich, Du machst Dir alle möglichen Gedanken. Für mich furchtbar zu wissen, dass dieses Eis und der Schnee verschwinden - eine wirklich schreckliche Vorstellung."

Fast drei Stunden Kletterei durch Geröll und Schmelzwasser, dann sind wir auf etwa 5300 Meter. Die Ausläufer des Gletschers sind erreicht. Das Arbeitsgebiet der Wissenschaftler: hier haben sie ihre Messsonden aufgebaut.

Es ist ein internationales Forschungsprojekt. Universitäten in vielen Ländern sind daran beteiligt. Denn gerade die tropischen Gletscher gelten als sensible Klimaindikatoren.

Kleinste Veränderungen des Klimas rufen hier schon große Auswirkungen hervor.

Luzmila Dávila Roller:
"In diesem neuen Messloch lassen wir einen Stock 14 Zentimeter herausschauen. Nächsten Monat werden mehr als 14 Zentimeter sichtbar sein. Diese einfachen Methoden liefern uns schon den Beweis, dass die Schmelze weitergeht und sie zeigen uns auch das Tempo."

Zweieinhalbtausend Meter tiefer. Die Heimat vieler Indio-Gemeinden. Auf den Bergketten gegenüber sieht man schon lange kein Eis mehr.

Seit Generationen bewirtschaften sie hier sehr fruchtbaren Boden. In einem ausgeklügelten Kanalsystem nutzen die Bauern das Schmelzwasser der Gletscher.

Den Bauern fehlt schon Wasser

Teotila Oropeza, Bäuerin:
"Das Wasser aus den Bergen ist unser Lebenselixier. Aber es kommt immer weniger."

Die Zeiten ohne Regen werden auch immer länger, so erfahren wir hier: Die Wasserzufuhr geht dramatisch zurück. 30 Prozent weniger als noch vor ein paar Jahren. Auch wenn im Moment die Felder blühen, das Überleben für die Gemeinde wird immer schwieriger. Ihre Lebensgrundlage schmilzt dahin.

Luzmila Dávila Roller:
"Von Tag zu Tag werden die Auswirkungen des Klimawandels, der vor allem in anderen Ländern verursacht wird, hier stärker. Wir Peruaner sind sicher nicht verantwortlich dafür. Es wird Zeit, dass die großen Staaten nicht nur darüber reden, sondern endlich etwas dagegen tun."

Viel Zeit bleibt nicht. Perus Wasserversorgung ist ernsthaft gefährdet. Denn die Cordillera Blanca ist nicht nur unglaublich schön, sie ist die größte Trinkwasserquelle des Landes.

Autor: Michael Stocks / ARD Rio de Janeiro

Stand: 22.04.2014 14:54 Uhr

10 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 09.09.12 | 19:20 Uhr