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Australien: Great Barrier Reef in Gefahr

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Australien: Great Barrier Reef in Gefahr | Bild: BR

Ein Traum in Türkisblau. Das Great Barrier Reef. Das Korallenriff der Superlative. 2300 Kilometer lang.

Eine Schildkröte im Meer
Eine Schildkröte im Meer | Bild: Bild: BR

Der größte lebende Organismus unseres Planten. Ein Wunder der Natur, eine einmalige Schönheit über dem Wasser und unter der Oberfläche.

Tony Fontes
Tony Fontes | Bild: Bild: BR

Ein Paradies für Taucher, das auch Tony Fontes in seinen Bann gezogen hat. Der Amerikaner kam vor 30 Jahren als Rucksacktourist nach Australien. Eigentlich wollte Tony nur ein paar Wochen bleiben, sich was dazu verdienen als Tauchlehrer. Doch er ist geblieben.

Tony Fontes, Tauchausbilder:

»An einem Tag sehe ich eine grüne Meeresschildkröte, weil sie vom Aussterben bedroht sind. Aber hier am Riff gibt es sie noch. Und dann sind die da die Buckelwale. Sie über Wasser zu sehen, ist schon beeindruckend, aber unter Wasser, das passiert dir nur einmal im Leben. Genau das ist die Schönheit des Great Barrier Reefs: Du weißt nie, was dich erwartet. Aber es ist jedes Mal faszinierend!«

Auch die UNESCO hat das erkannt und das Great Barrier Reef zum Weltnaturerbe erklärt.

Unvorstellbar, dass in diesen geschützten Gewässern eine Schlammdeponie entstehen soll. Doch genau das ist geplant.

Cherry Muddle
Cherry Muddle | Bild: Bild: BR

Wir sind unterwegs mit Cherry Muddle. Die Umweltaktivistin der australischen Meeresschutzgesellschaft zeigt uns Abbot Point, gerade mal 40 Kilometer von den Korallenriffen entfernt.

Der Kohlehafen an der Ostküste ist zum Schauplatz eines erbitterten Kampfes um die Zukunft des Korallenriffs geworden.

Cherry Muddle, Australische Meeresschutzgesellschaft:

»Abbot Point soll der größte Kohlehafen der Welt werden. Und das gleich gegenüber vom Great Barrier Reef. Das ist ein Naturwunder. Doch hier wollen sie fünf Millionen Tonnen Baggerschlamm versenken.«

Abbot Point – ein Megaprojekt: Hier sollen 120 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr verschifft werden.

Doch noch ist der Hafen zu klein. Der Plan: Vertiefen, ausbaggern! Und die Millionen Tonnen an Schlamm anschließend im Great Barrier Reef-Marineschutzpark entsorgen.

Cherry Muddle, Australische Meeresschutzgesellschaft:

»Eigentlich sollte man nirgendwo im Great Barrier Reef Schlamm entsorgen. Das ist ein Weltnaturerbe – keine Müllkippe. Und Studien zeigen doch, dass der Hafenschlick nicht einfach daliegt, sondern sich ausbreitet, und das bis zu 80 Kilometer, bis zu den Korallen und dem Seegras.«

Tauchenthusiast Tony Fontes fürchtet den Todesstoß für das Great Barrier Reef. Seit Jahren beobachtet er die schleichende Zerstörung unter Wasser.

Das Ökosystem ist äußerst sensibel: Klimawandel, Tropenstürme, Düngemittel aus der Landwirtschaft – all das macht den Korallen schon genug zu schaffen.

Und jetzt auch noch der Ausbau der Kohlehäfen. Die UNESCO ist besorgt und droht Australien damit, das Great Barrier Reef auf die rote Liste zu setzen.

Tony Fontes, Tauchausbilder in Airlie Beach:

»Ich kann mir nichts Peinlicheres für die Regierung vorstellen, als den Status Weltnaturerbe zu verlieren. Sie setzen einfach alles daran, Wirtschaftsinteressen zu befriedigen – und vor allem die der Kohleindustrie!«

Die Regierung hat den Hafenausbau in Abbot Point längst abgesegnet. Die umstrittene Entscheidung wurde hier gefällt, in Townsville, von der staatlichen Behörde zum Schutz des Korallenriffs.

Erst nach Wochen bekommen wir eine Zusage für das Interview. Der Treffpunkt – eher ungewöhnlich: Das Great Barrier Reef-Aquarium. Ein schöner Hintergrund für unangenehme Fragen.

Australiens oberster Korallenschützer überrascht mit seinem Ansatz: Statt über mögliche Gefahren, beschwört er lieber die Unbedenklichkeit der Hafenprojekte. Dabei gab auch in seiner Behörde Widerstand, doch die Bedenken wurden weggewischt.

Russell Reichert
Russell Reichert | Bild: Bild: BR

Russell Reichert, Great Barrier Reef Marine Park Authority:

»Ich denke, wenn wir nur die bestehenden Häfen ausbauen, ist der Schaden überschaubar. Dann gibt es keine unzumutbaren Veränderungen. Im Maßstab gesehen, geht es hier doch um einen kleinen Eingriff. Und die Entfernung zum Korallenriff ist immer noch groß!«

Ein kleiner Eingriff mit verheerender Wirkung - davon sind viele überzeugt, die davon leben, dass das Great Barrier Reef nicht weiteren Schaden nimmt.

Tony Brown setzt die Segel, um Touristen das Korallenparadies zu zeigen. Jedes Jahr wollen zwei Millionen das Riff sehen. Die Branche macht sechs Milliarden Umsatz.

Tony Brown
Tony Brown | Bild: Bild: BR

Doch jetzt fürchtet Tony Brown um seine Existenz und einen Imageschaden für Australien.

Tony Brown, Tourismusveranstalter:

»Unser Tourismus ist nachhaltig. Wir wollen, dass es hier auch ursprünglich bleibt. Und das verstehe ich einfach nicht: Kohle ist nicht nachhaltig und bringt schon genug Probleme mit sich. Wie kann man da hingehen und die Häfen ausbauen, wenn es Alternativen zum Entsorgen im Wasser gibt. Wir haben doch nur eine Bitte. Geht dieses Risiko nicht ein!«

Tony Brown will sich diese Entscheidung nicht gefallen lassen. Er ist bereit zu kämpfen - mit ganz ungewöhnlichen Methoden. Sein Ziel: Die großen Banken dazu bringen, sich nicht an der Finanzierung der milliardenteuren Hafenprojekte zu beteiligen. Sein bislang größter Erfolg: Die Deutsche Bank und deren Zusage, den Hafenausbau bis auf weiteres nicht zu unterstützen.

Tony Brown, Tourismusveranstalter:

»Die Industrie braucht das Geld und das müssen sich leihen. Wir haben der Deutschen Bank unsere Bedenken mitgeteilt. Und seien wir doch ehrlich: Wenn solche Geldhäuser Umwelt-Bedingungen für die Finanzierung der Kohlehäfen diktieren können, dann ist das der Weg, den wir gehen müssen!«

Australiens Kohleindustrie zeigt sich unbeeindruckt. Sie will weitere Mega-Minen erschließen, die Exporte nach Indien und China in den nächsten Jahren verdoppeln.

Schon jetzt exportiert kein Land der Welt mehr Kohle – ein Milliardengeschäft, das sich auch für die Regierung lohnt. Rund zwei Milliarden Dollar Abgaben zahlt die Kohleindustrie jedes Jahr an den Bundesstaat Queensland.

Kohleboom als Totengräber des Great Barrier Reefs. Das fürchten die Umweltschützer. Mit solchen Spots machen sie im Internet Stimmung gegen das Ausbaggern. Schildkröten, Fische und Delfine – plattgemacht von Kohlefrachtern: So düster sehen die Aktivisten die Zukunft am Riff! Die Kohle-Lobby spricht von einer Schmutzkampagne!

Michael Roche, Interessenverband Rohstoffindustrie (Queensland Resources Council):

»Die Regierung weiß, dass das Great Barrier einige Herausforderungen hat. Aber sie weiß auch, dass der Hafenausbau und das Ausbaggern nicht das Problem sind. Doch das wird die Kampagnen der Umweltaktivisten nicht stoppen. Die haben eh nur ein Ziel: Die Kohleindustrie in Queensland zu zerstören. Und deswegen verbreiten sie ihre Lügen!«

Längst geht es um mehr als nur einen Hafen. Insgesamt sollen an der Ostküste fünf Standorte zu Megahäfen ausgebaut werden, alle in unmittelbarer Nähe des Great Barrier Reefs. Einer davon ist in Gladstone. Hier hat man schon vor drei Jahren mit dem Ausbaggern begonnen.

Mark McMillan mit toten Fischen
Mark McMillan mit toten Fischen | Bild: Bild: BR

Die Folgen, die erlebt Mark McMillan täglich. Er ist Fischer in der dritten Generation und zeigt uns den neuen Kohleterminal. Um Platz für größere Frachter zu machen, wurden in Gladstone Millionen Tonnen Hafenschlick ausgebaggert und ins Meer gekippt.

Mark McMillan, Fischer:

»Uns ging es nicht schlecht, bis das Baggern anfing. Das war, als hätte jemand den Schalter umgelegt. Plötzlich war es vorbei mit dem Fischen. Die Makrelenbestände im Hafengebiet sind über Nacht verschwunden. Von 200 Kilo pro Fang auf null.«

Gleich gegenüber entsteht eine der weltgrößten Anlagen zum Export von Flüssiggas. Dort, wo bald Gasfrachter anlegen werden, hat Marc Milan früher seine Netze ausgeworfen. Jetzt kämpft er um seine Existenz, denn das Ökosystem in Gladstone hat sich bis heute nicht erholt: Diese Lachse haben Rote Augen und Blutergüsse – unverkäufliche Ware.

Sein Verdacht: Aufgewühlte Schwermetalle im Hafenboden haben die Fische krank gemacht. Doch Hafenbetreiber und Industrie bestreiten bis heute jede Verantwortung.

Mark McMillan, Fischer in Gladstone:

»Ich bin 100-prozentig sicher. Das muss was mit dem Ausbaggern zu tun haben. Was soll es denn sonst sein? Es gibt keine andere Erklärung. So etwas habe ich vorher noch nie gesehen!«

Trotz allem - der Hafenausbau soll weitergehen. Umweltschützerin Cherry Muddle befürchtet ein zweites Gladstone, wenn nicht schnell ein Umdenken einsetzt.

Cherry Muddle, Australische Meeresschutzgesellschaft AMCS:

»Es ist frustrierend. So viele Fragen in Gladstone sind unbeantwortet. Das war eine Umweltkatastrophe. Und trotzdem beschleunigt die Regierung die Industrialisierung an der Küste und genehmigt das Ausbaggern und Entsorgen von Millionen Tonnen im Great Barrier Reef.«

Das Weltnaturerbe zeigt sich scheinbar unbeeindruckt, doch unter der Oberfläche ist das Ökosystem schon lange aus dem Gleichgewicht.

Im Kampf gegen Klimawandel und Kohle sind die Korallen ein schwacher Gegner. Und bislang hat sich in Australien immer noch die Rohstoffindustrie durchgesetzt.

Autor: Norbert Lübbers / ARD Singapur

Stand: 05.01.2015 09:21 Uhr

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