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Griechenland: Reiche Kirche, armes Land

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Griechenland: Reiche Kirche, armes Land | Bild: BR

Eleanna Ioannidou will nicht aufgeben. Die Rechtsanwältin prangert seit Jahren die Verstrickungen zwischen der Kirche und dem griechischem Staat an. Wir treffen die 43-Jährige in Thessaloniki. Auf dem Weg durch die Straßen ihrer Heimatstadt bleiben wir immer wieder stehen. Ioannidou zeigt uns eine Vielzahl von Immobilien in Bestlagen, die der Kirche gehören.

Eleanna Ioannidou
Eleanna Ioannidou | Bild: Bild: BR

Eleanna Ioannidou:

»Die Kirche vermietet dieses Gebäude, einen Teil hat sie wohl verkauft. Über die genauen Einnahmen weiß niemand Bescheid.«

Die Rechtsanwältin ärgert sich über fehlende Transparenz. Schließlich bezahle sie nach wie vor mit ihren Steuern die 11.000 griechischen Priester. Und das obwohl die Kirche selbst über einen immensen Reichtum verfügt.

Eleanna Ioannidou:

»Manche schätzen das Gesamtvermögen sogar auf mehrere Billionen Euro. Ich denke, dass sich die Summe auf 100 bis 200 Milliarden Euro beläuft.«

Wir fragen nach bei der Finanzverwaltung der griechisch-orthodoxen Kirche. Über den Vermögenswert erhalten wir keinerlei Auskunft, nur über die Steuerlast: Im letzten Jahr betrug sie nach eigenen Angaben gerade einmal 2,5 Millionen Euro.

Bischof Antonios
Bischof Antonios | Bild: Bild: BR

Bischof Antonios, EKYO-Manager:

»Wir zahlen unsere Steuern nicht nach dem Zufallsprinzip. Dass die Kirche keine Steuern zahlt, ist eine Lüge. Es gibt Steuergesetze und die halten wir ein.«

2,5 Millionen Euro Steuern für ein ganzes Jahr. Wie kann das sein? Die Kirche ist nach dem Staat der zweitgrößte Landbesitzer. Allein entlang der Küste östlich von Athen, einem der teuersten Vororte der Hauptstadt, darf die Kirche Grundstücke zu ihrem Portfolio zählen, die nach ihren eigenen Angaben 1,5 Milliarden Euro wert sind. Das Gesetz sieht vor: Die sonst übliche Grundsteuer entfällt, weil ein Gebäude für soziale Zwecke darauf erbaut ist.

Dasselbe gilt für die meisten Schulen und Krankenhäuser des Landes, die auf Kirchengrund stehen. Hinzu kommen über ganz Griechenland verteilt tausende Klöster; wie viele genau, ist nicht erfasst. Fest steht: Sie sind von der für jeden anderen griechischen Bürger fälligen Immobilien- und Grundsteuer vollständig befreit.

Auf der anderen Seite verfügt die griechisch-orthodoxe Kirche über eine weitere, sprudelnde Einnahmequelle: Seit Jahrhunderten nehmen die Priester bei jeder Taufe, Hochzeit und Beerdigung Geldumschläge für die Zeremonie entgegen.

Ein Mann
Ein Mann | Bild: Bild: BR

Ein Mann:

»Ich war Taufpate. Ich habe gesagt: 'Pater! Ich will nicht zu wenig oder zu viel geben. Sag mir ungefähr wie viel!' 'Was Du willst', hat er gesagt. Dann habe ich 30 Euro hingelegt und er hat gesagt: '100 Euro sind eigentlich üblich!' Ich habe ihm die 100 Euro dann gegeben – Schwarzgeld!«

Ein anderer Mann:

»Es ist wie mit den Schmiergeldern für Ärzte. Das muss ein Ende haben und auch die Kirche muss damit aufhören, denn angeblich ist ja das Werk Gottes mehr wert als nur Geld.«

Wie viel die Kirche von den Bürgern einsteckt – das weiß keiner so genau.

Zurück in Thessaloniki. Eleanna Ioannidou ist auf dem Weg zu einer Gruppe von Hausbesetzern – das Gebäude im Besitz der Kirche und früher eine Schule. Als der Staat die Miete nicht mehr zahlen konnte, wurde sie geschlossen. In den letzten Jahren haben ehemalige Lehrer und Schüler die Villa zu einer Art Bürgerhaus umgestaltet. Gemeinsam mit der Anwältin wollen sie eine neue Initiative gegen die Kirche starten. Ihre oberste Forderung: Mehr Transparenz!

Eleanna Ioannidou:

»In Griechenland gibt es kein Grundbuch. Der Hauptgrund dafür ist der erbitterte Widerstand der Kirche dagegen, denn die Transparenz, die ein Grundbuch mit sich brächte, würde die Besteuerung der Kirche vereinfachen.«

Seit ein paar Wochen neu im Amt: der Minister für Bildung und Religionsangelegenheiten. Er soll im Auftrag von Alexis Tsipras die Trennung von Kirche und Staat bewerkstelligen. Ein vollständiges Grundbuch habe für ihn Priorität, Hoffnungen auf schnelle, radikale Veränderungen dämpft er aber.

Aristidis Baltas, Minister für Bildung und Religionsangelegenheiten:

»Solche Beziehungen zwischen Kirche und Staat, die so tiefe historische Wurzeln haben, sollen und können nicht einfach so aufgelöst werden. Es geht hier um zwei Institutionen, die fest im Alltag der Menschen verankert sind.«

Solche Aussagen beruhigen den Bischof von Thessaloniki. Er hatte Schlimmeres von der neuen Regierung befürchtet: Steuererhöhungen, die Trennung von Kirche und Staat, Enteignungen. Nun zeigt er sich zwar zögerlich, aber immerhin zu Gesprächen bereit.

Anthimos, Bischof von Thessaloniki
Anthimos, Bischof von Thessaloniki | Bild: Bild: BR

Anthimos, Bischof von Thessaloniki:

»Man muss darüber verhandeln, ob sich ein Vermögenswert der Kirche findet, der für den Staat von Nutzen sein kann. Ich sehe das aber nicht, weil wir solche Werte nicht besitzen.«

Diese Art von Bescheidenheit – für Eleanna Ioannidou ein klares Signal, dass die orthodoxe Kirche sich nicht in die Karten schauen und alles beim Alten belassen will. Umso dringlicher sei es daher, dass die neue Regierung bald etwas ändert.

Eleanna Ioannidou:

»Wir haben nur ein paar Monate Zeit, um Europa einen ernstzunehmenden Plan mit umfassenden Reformen vorzulegen. Wenn wir es jetzt nicht wagen, auf Konfrontation zu gehen, um endlich Gerechtigkeit im Verhältnis zur Kirche zu erlangen, dann werden wir das nie hinbekommen.«

Die orthodoxe Kirche in Griechenland – den Menschen bietet sie spirituellen Halt. In Zeiten der Krise haben viele Gläubige aber begonnen, Fragen zu stellen. Ob die neue griechische Regierung die alten Macht- und Finanzstrukturen tatsächlich auflösen kann und will, muss sie erst noch unter Beweis stellen.

Autorin: Mira Barthelmann

Stand: 16.03.2015 00:00 Uhr

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