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Indien: Die Liebe zum Ambassador

Eine Auto-Ikone seit 55 Jahren

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Indien: Die Liebe zum Ambassador | Bild: BR

Ja, sie lieben sich wirklich - Herr Singh und sein Ambassador. Viereinhalb Jahre sind sie nun schon zusammen. Und keinen Tag waren getrennt.

Taxifahrer Singh wäscht seinen Ambassador
Taxifahrer Singh wäscht seinen Ambassador | Bild: BR

Jeden morgen nimmt er sich viel Zeit. Für die Pflege. Aber: Herr Singh ist auch eifersüchtig. Ein anderer am Steuer? Nicht auszudenken!

»"Ich habe hier Zitronen aufgehängt. Falls irgendein anderer ein Auge auf mein Auto wirft. Dann werden die Zitronen ihn abschrecken." Jaswant Singh, Taxifahrer«

Sein Taxi - der Ambassador - ist nicht mehr der Schönste. Aber Liebe macht blind. In diesem Fall auch taub. Er poltert, rattert, klappert. Und die Sitze! Sie quietschen.

Fahrer Singh am Steuer seines Taxis
Fahrer Singh am Steuer seines Taxis | Bild: BR

Ambassador zu fahren, kostet Kraft. Servolenkung hat er nicht. Und es kostet Schweiß. Das Auto hat keine Klimaanlage.

»"Ach, wissen Sie, Servolenkung - viel zu teuer. Und die Klimaanlage frisst nur Diesel. Ich brauch das alles nicht. Ich liebe das Auto wirklich. Vielleicht mehr als meine Familie." Jaswant Singh,Taxifahrer«

Und irgendetwas muss ja dran sein. Nicht nur Herr Singh schwärmt. Auch den Fahrgästen geht es ähnlich.

»"Wenn ich im Ambassador sitze, dann fühlt es sich an: Als wär ich mit meinem eigenen Bett unterwegs. Andere Autos sind lange nicht so bequem. Und so viel Beinfreiheit gibt es sonst auch nicht." Debasish Purkait, Fahrgast«

Es geht um runde Formen: Kulleraugen. Das ist der Ambassador. Seit 1958 produzieren sie ihn bei Hindustan Motors in Kalkutta. Die Fabrik ist so alt wie das Modell.

Jetzt im Monsun regnet es rein. Und die Technik ist museumsreif. Nur noch 5000 Ambassadors laufen hier vom Band - pro Jahr. Experimente mögen sie nicht. Nur zweimal haben sie ganz vorsichtig Details geändert. Und ja: Klimaanlage und Servolenkung gibt es jetzt auch. Kostet aber extra.

Früher mussten Käufer ein Jahr warten. Das ist lange vorbei, denn die meisten Inder wollen heute andere Autos: Die sind moderner und sauberer.

Im Designzentrum von Hindustan Motors
Im Designzentrum von Hindustan Motors | Bild: BR

Das Designzentrum ist klein und bescheiden. Was sollen sie auch tun? Sagt der Chef. Denn, würden sie zu viel ändern, es wäre wohl das eigene Ende.

»"Noch gibt es einen Markt für dieses Auto in Indien. Und es macht doch wirtschaftlich keinen Sinn, ein neues Modell zu entwickeln. Dann müssten wir auch eine komplett neue Fabrik bauen." S. K. Bhaumick, Chef-Designer«

Also bleibt es beim Modell, das einst die Briten entworfen haben. Das Modell auf dem auch der Designer das Fahren gelernt hat. Wie fast alle Inder.

Chefdesigner S. K. Bhaumick
Chefdesigner S. K. Bhaumick | Bild: BR

Es gibt so viele Geschichten, die besten verstauben eine Etage höher, wo früher, Konstrukteure saßen.

»"Die Räume haben wir geschlossen. Nutzen wir nicht mehr. Das hier, eine alte Zeichnung. In Originalgröße. Alles aufgeklebt. Mit Klebeband. Muss aus den Fünfzigern sein." S. K. Bhaumick«

Stolz ist er schon, der Ingenieur. Und auch erstaunlich ehrlich.

»"Hier spürst du die Tradition. Und klar: Das fühlt sich sehr nostalgisch an. Das ist es. Deswegen magst du es auch. Aber natürlich. Es gibt auch die Botschaft.Ändere es! Mach was Neues!" S. K. Bhaumick, Designer«

Mach was Neues! Bisher hat sich keiner getraut, denn der Ambassador vielleicht ist er fast so berühmt wie Gandhi.

Ob in der Stadt. Oder in den Bergen. Selbst im Krieg war er dabei. Und natürlich: Das Auto ist der Star im Kino. Zum Happy End geht es im Ambassador. Filmstars, der Präsident. Sie alle fahren Ambassador.

Ambassadors auf der Straße
Ambassadors auf der Straße | Bild: BR

Viele können sich das Auto leisten, auch Taxifahrer. Denn die billigste Variante kostet umgerechnet 6000 Euro. Millionen Ambassadors wurden bereits verkauft. Das Auto war für Jahrzehnte das Gesicht indischer Straßen. Ist es vielerorts immer noch.

Für Herrn Singh gibt es eh kein besseres Auto. Nur der Ambassador ist robust genug für Indiens holprige Straßen. Auch wenn er manchmal leiden muss.

»"Da ist was passiert, da hinten auch. Das hat mir selbst sehr wehgetan. Aber so sind die Straßen hier nun einmal. Das kommt vor." Jaswant Singh«

Herr Singh würde seinem Ambassador niemals untreu werden. Wenn sein Auto krank - oder sagen wir kaputt ist, dann fühlt er sich ganz schlecht, kann vor lauter Kummer nichts essen.

Aber heute war ein guter Tag. Es kam keine neue Beule dazu.

Autor: Gábor Halász / ARD Neu-Delhi

Stand: 15.04.2014 11:10 Uhr

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