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Kuba: Endlich Reisefreiheit für Kubaner

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Kuba: Endlich Reisefreiheit für Kubaner | Bild: BR

Morgens um acht, wenn es erst 30 Grad sind, trainiert es sich am besten. Aerobic ist ein preiswerter Zeitvertreib in Kuba. Dreimal die Woche ist Yunaisis Monteagado in dem Studio am Stadtrand Havanas. Vor ihr schwitzt Aida Gutierrez und in der Ecke Silvia Rodríguez. Außer dem Sport verbindet die Drei ein großer Lebenstraum.

Silvia Rodríguez
Silvia Rodríguez | Bild: BR

Silvia Rodríguez:

»Alle Kubaner wollen reisen.«

Yunaisis Monteagado:

»Mich interessieren fremde Länder und Kulturen. Ich glaube Kubaner lieben das – ich zumindest schon.«

Aida Gutierrez

»Am besten überall hin, und so viel wie möglich sehen. Kubaner sind neugierig. Ich will gar nicht ganz weg wegen politischer Probleme. Ich liebe Kuba, aber ich muss endlich mal was anderes sehen.«

Zwei nagelneue Reisepässe, für sich und ihren Freund. Yunaisis ist 26, hat Touristik studiert, aber noch keine Arbeit gefunden. Als Präsident Raul Castro seinem Volk vor einem Jahr das Recht zu Reisen zugestand, fing sie an zu träumen. Jetzt manikürt sie die letzte Kundin, vor dem ersten Urlaub ihres Lebens. Verwandte auf den Bahamas haben ihr ein Flugticket geschenkt.

Yunaisis Boye Monteagado:

»Ich werde auf den Bahamas viel über internationalen Tourismus lernen, was ich dann in Kuba für meinen Beruf nutzen kann. Wie geht man dort mit Gästen aus unterschiedlichen Ländern um? Und wie reagiert man richtig auf deren Vorlieben oder Abneigungen?«

Jetzt dürfen die Kubaner selbst Touristen sein, wenn sie es sich leisten können! Die meisten sind nie weit aus ihrem Viertel herausgekommen, auch weil das Geld fehlt. Die Reisedokumente sind teuer: ein Pass, ein Visum des Gastlandes, das Ticket. Wer niemanden im Ausland hat, kommt nicht weit. Aida sagt, ihr Gespartes reicht nur noch für den Bus ins Zentrum von Havanna und zurück.

Aida Gutierrez
Aida Gutierrez | Bild: BR

Aida Gutierrez:

»Die meisten Kubaner würden gerne, aber können nicht. Ich habe gespart und mir für 100 Dollar einen Reisepass ausstellen lassen. Ich weiß nicht, ob ich ihn jemals benutzen kann. Wer kein Geld aus dem Ausland bekommt oder dort eine Arbeit findet, der bleibt hier. Für den ist der Pass nutzlos.«

Silvia hat eine Einladung und trotzdem ist sie noch hier. Gerne würde sie mit ihrer Tochter und der Enkelin in die Vereinigten Staaten fliegen. Ihr Sohn ist dort mit einer Amerikanerin verheiratet, die die Reise bezahlen würde. Was ihnen fehlt ist die Ausreiseerlaubnis der eigenen Regierung. Bevor ein Kubaner sein Land verlassen darf, wird er über seine Lebenssituation und den Zweck der Reise befragt. Erst danach wird entschieden.

Silvia Rodríguez:

»Ich bin 54 Jahre alt und war noch nie im Ausland. Ich kenne nur Kuba. Im November bin ich zum nächsten Gespräch geladen. Wenn sie mich wieder ablehnen, werde ich die USA wohl nie kennenlernen.«

Dort wo Florida ganz nah ist, am Strand von Kubas Badeparadies Varadero, entwickelt sich was. Überall sonst würde man sagen: Okay, hier gibt es ein neues Luxushotel. Aber das hier ist mehr!

Ein groß angelegter und leerer Sportboothafen
Die Marina von Varadero | Bild: BR

Kuba hat in Varadero den größten Yachthafen Lateinamerikas gebaut, mit Restaurants, Boutiquen und 1200 Liegeplätzen für Yachten. Bis auf zehn sind alle noch frei. Trotz Reisefreiheit: Noch dürfen Kubaner nicht auf Boote. Wer sonst sollte also hier anlegen als reiche Amerikaner, die von Miami in zwei Bootstunden hier wären? Doch die dürfen noch nicht kommen. Das 53 Jahre alte US-Embargo verbietet es.

Hector Rodríguez, Verkaufsdirektor Yachthafen Varadero:

»Natürlich hoffen wir auf Schiffe aus dem ganzen Karibikraum Wir sind für Gäste aus allen Ländern offen, einschließlich denen aus den Vereinigten Staaten. Wenn sie die nötigen Schritte einleiten – bitte sehr!«

Kuba ist aufgewacht, scheint sich vorzubereiten auf eine Zeit nach der verhassten Handelsblockade. Raul Castro, der Wirtschaftsreformer, setzt Zeichen. Er ließ sogar sein Volk befragen, welche Veränderungen es sich am sehnlichsten wünscht. Reisen stand an erster Stelle.

Gleichzeitig stagniert die Zahl der Buchungen aus dem Ausland, also baut Castro auf US-Amerikaner, die irgendwann in Massen die neuen Hotels bewohnen sollen.

Gildas Renaux
Gildas Renaux | Bild: BR

Gildas Renaux, Generaldirektor Hotel Meliá Marina Varadero:

»Kuba schafft zur Zeit enorme Kapazitäten für Gäste, die noch nicht da sind. Die Insel hat unglaublich abwechslungsreiche Landschaften. Das ist nicht neu, könnte aber ganz anders genutzt werden, denn das Potential der Insel ist enorm, enooorm!«

Auf der Karibikinsel ist Goldgräberstimmung ausgebrochen. Mit den politischen Reformen hat Kuba begonnen sein Gesicht zu verändern, ganz wenig nur bis jetzt. Aber während die Bauern ihr Gemüse jetzt auf eigene Rechnung auf der Straße verkaufen dürfen, kaufen andere heruntergekommene Immobilien, renovieren sie und eröffnen Edelrestaurants oder Hotels.

An den meisten Kubanern geht der Boom noch vorbei, erst wenige haben ihre Chance erkannt.

Eine Kellnerin legt Servietten auf einen Tisch
Boom bei den privaten Restaurants | Bild: BR

Die meisten kulinarischen Geheimtipps der Stadt stehen mittlerweile in jedem Reiseführer. In einem hundert Jahre alten Haus im Herzen Havannas floriert einer der beliebtesten Paladare der Stadt. Paladar nennt man die neuen, privat geführten Restaurants. Seit ein Gesetz solche Betriebe erlaubt, sind einige Kubaner aus anderen Ländern nach Kuba zurückgekehrt.

Enrique Nuñez, Paladarbesitzer:

»Ich bin ein hoffnungsloser Optimist, und wenn ich von Kubas Wandel profitieren will, dann muss ich jetzt hier sein und was tun. Ich habe gespürt, dass sich die Wirtschaft in meinem Land öffnet, und mir neue Möglichkeiten geben wird. Wenn diese Entwicklung weitergeht, will ich dabei sein.«

Enrique Nuñez ist in diesem Haus aufgewachsen, jetzt wird er hier reich. Jeder Tisch ist voll mit Touristen, jeden Abend. Wenn es stimmt, dass mit dem Fall des Wirtschaftsembargos jedes Jahr nicht mehr drei sondern zehn Millionen Touristen kommen werden, wird Kuba sein Gesicht weiter verändern.

Zumindest bis es soweit ist, werden die Havaneros, die sich das Essen in den neuen Paladaren nicht leisten können, auf ihrer Uferpromenade noch einen Platz finden.

Autor: Peter Sonnenberg / ARD Mexico-City

Stand: 15.04.2014 11:01 Uhr

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