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Syrien: Angst vor dem US-Militärschlag

Kriegsalltag in Damaskus

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Syrien: Angst vor dem US-Militärschlag | Bild: Das Erste

Tango gegen Tomahawks, Milonga gegen Marschflugkörper. In dieser Kneipe in Damaskus tanzen sie gegen den Krieg – mit großem körperlichem Einsatz.

»Wir sind Menschen. Wir leben. Wir haben ein Herz. Wir teilen unsere Gefühle. Wir zeigen mit dem Tango, dass wir uns gegenseitig schätzen und lieben. Das ist Liebe und Herz. Das ist Leben. Das ist Frieden.«

Ammar Mardia, Tango gegen den Krieg

Angesichts des drohenden Militärschlags gegen Syrien Cocktails gegen Cruise Missiles. Die Tänzer tauchen kollektiv ab ins Reich der emotionalen Träume. Die Realität oben auf der Erde sieht anders aus:

Eine Blutlache
Eine Blutlache | Bild: BR

Mit Hunderten von Stundenkilometern haben Metallsplitter diesen PKW durchbohrt. Er stand auf einem Sportgelände. Erst kam eine Mörsergranate, dann folgten 30 weitere. Die Angestellten des Sportparks glauben, die Rebellen seien für den fatalen Anschlag verantwortlich, der morgens um halb Neun begann.

»Ali Nemehist, unser Nationalspieler beim Kickboxen. Er hat sich vor dem Training hier auf dem Parkplatz aufgewärmt mit Seilchenspringen. Dann ist die Granate gekommen und hat ihn erwischt. Hier hat er gestanden. Wir haben ihn noch zu unserem Medizinraum transportiert, aber seine Verletzungen waren zu schwer. Und es war zu spät.«

Jamal Schahin, Sportwart

»Das sind zwei der Mörser, selbst zusammengeschweißt von totalen Laien. Wenn solche Anfänger schießen, dann treffen sie natürlich keine militärischen Ziele, sondern zivile Orte wie diesen hier, ein Sportzentrum.«

Antoun alAyous, Basketballtrainer

Der Rote Halbmond ist auch dabei. Heute ist die Hilfsorganisation Retter und Opfer zugleich. Nach den ersten Detonationen hatten die Pfleger die Verwundeten versorgt, und wurden dann selbst getroffen… Auch das eigene Gelände gleich nebenan musste die arabische Partnerorganisation des Roten Kreuzes schließen: Zu groß die Gefahr für die Freiwilligen, die hier die Hilfsgüter an die Bevölkerung verteilen unter immer schwierigeren Voraussetzungen.

»Normalerweise hat die Hauptstadt vier Millionen Einwohner, vielleicht viereinhalb. Doch Damaskus hat sich aufgebläht, auf sechs, sechseinhalb Millionen Menschen. Das sind die Flüchtlinge aus anderen Städten, in denen es noch schlimmer ist als hier. Diese Massen setzen uns unter größten Druck. Wir brauchen immer mehr und mehr Hilfsgüter.«

Mohannad al Assady, Sprecher Roter Halbmond Damaskus

Der Rote Halbmond – er macht die lebenswichtige humanitäre Arbeit im Lande. Allein in Damaskus sind Hunderte von syrischen Ärzten und Pflegern unterwegs. Sie kümmern sich wie hier um ein drei Stunden altes Baby, manchmal aber auch um Dutzende von Opfern nach einem Attentat.

Rima Kamel
Rima Kamel | Bild: BR

Das Rote Kreuz wird von der Regierung oft in seiner Arbeit behindert, beklagt man sich. Selbst in der Hauptstadt gebe es Viertel, in denen die Helfer seit vielen Monaten nicht mehr aktiv sein durften. Die Helfer machen sich große Sorgen.

»Ein Militärschlag würde die Situation eskalieren lassen und einen riesigen Bedarf an humanitärer Hilfe auslösen. Und dabei ist schon heute der Bedarf bei weitem nicht gedeckt.«

Rima Kamel, Rotes Kreuz Damaskus

Journalisten dürfen alles fragen in diesen Tagen, sogar nach den drastisch angestiegenen Preisen, nur nicht, ob die Leute Angst vor einem Angriff haben. Wenn drei Syrer zusammen stehen, ist einer wahrscheinlich beim Geheimdienst. Und so sind die Antworten lupenreine Propaganda:

»Wir haben nur einige unbedeutende Probleme. Und die werden sehr bald gelöst sein.«

Ein Mann

"Haben Sie Angst?“, fragen wir. "Nein“, sagt die Frau. "Warum nicht?“ Ihre Antwort: "Weil Gott auf unserer Seite ist!“

»Syrien wird stark sein. Unser Führer wird gewinnen und Gott wird uns helfen, Obama zu besiegen und all die anderen Feinde Syriens, vor allem die Golfstaaten!«

Ein Mann

Eine Frau auf einem Berg über Damaskus
Eine Frau auf einem Berg über Damaskus | Bild: BR

Diesen Hügel haben ausländische Journalisten seit dem Beginn des Bürgerkriegs nicht mehr erklimmen dürfen: die Kassioun-Berge oberhalb der Hauptstadt, reines Militärgelände. Von hier hat man einen phantastischen Blick.

Ein trotziges Grüppchen hat sich hier eingefunden, um der Welt zu zeigen, dass Syrien nicht nachgeben werde. Menschliche Schutzschilde, herauf gekarrt von Bussen des Regimes. Endzeitstimmung im Sonnenuntergang…

»Wir haben keine Angst vor dem Krieg. Wenn sie zu uns kommen wollen, bitte! Aber wir werden uns verteidigen! Und wir haben keine Angst – vor niemandem. Denn wir sind Syrer!«

Eine Frau

Selbstbewusst, stolz, kämpferisch – so präsentieren sich die Bürger in der Öffentlichkeit. Im persönlichen Gespräch mit der ARD aber geben viele zu, dass ihre Zuversicht schwindet, und dass sie große Angst haben.

Autor: Thomas Aders / ARD Kairo

Stand: 15.04.2014 10:59 Uhr

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