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Brasilien: Vom Haijäger zum Haifreund

PlayBrasilien: Vom Haijäger zum Haifreund – der Brasilianer Leonardo Bertrand Veras

Ein schwerer Brocken – mit mehr als 300 Kilogramm ein besonders schönes Exemplar von Tigerhai. Einer aus der Crew schreit: "Der lässt einem das Blut in den Adern gefrieren", aber wenn die Augen bedeckt sind, geben sich die Haie meist zahm. Leonardo entfernt den Angelhaken und strahlt. Der Brasilianer erforscht die Wanderwege von Tigerhaien. Das begeistert ihn. Aber das war nicht immer so. Früher hat Leonardo Haie getötet.

Fischerei überschreitet Grenzen

Brasilien: Ein Paradies für Haie: 300 Kilometer vor der brasilianischen Küste
Brasilien: Ein Paradies für Haie: 300 Kilometer vor der brasilianischen Küste

"Ich war einmal in der Fischindustrie tätig, nur darauf aus, diese Tiere zu jagen. Das war mein früheres Leben. Aber irgendwann merkte ich, die Fischerei überschreitet ihre Grenzen. Und die der Ozeane. Jetzt nutze ich mein Wissen für die Haiforschung", erzählt Leonardo Bertrand Veras. Heute sind Haie Leonardos große Leidenschaft. Für ihn zählt jetzt nur noch der Schutz dieser von vielen so gefürchteten Tiere. 300 Kilometer von Nordbrasiliens Küste entfernt liegt das kleine Archipel Fernando de Noronha. Ein Geheimtipp für Taucher und ein Nationalpark, UNESCO Weltnaturerbe.

Am östlichsten Zipfel der Insel lebt Leonardo und betreibt dort seine Haibasis. Mit eigenem Museum. Hier können Besucher alles über die Knorpelfische erfahren, ihre Bedeutung für das Gleichgewicht im Ökosystem und über Leonardo, der jahrelang Haie jagte. Mit diesem Museum will er heute wieder gut machen, was er früher als Hai-Jäger angerichtet hat.

Haie regulieren ihren Bestand selbst

Brasilien: Vom Haijäger zum Hai-Freund: Ein Brasilianer erforscht heute die Raubfische
Brasilien: Vom Haijäger zum Hai-Freund: Ein Brasilianer erforscht heute die Raubfische

"Das ist das Gebiss eines Tigerhais. Das war ein weibliches Tier, etwas über drei Meter lang." Mit ziemlich scharfen Zähnen. "Für mich sind Haie die elegantesten Tiere der Welt. Sie sind faszinierend und sie sind Kannibalen. Sie fressen sich auch gegenseitig auf. Sie regulieren ihren Bestand selbst. Damit kann man auch mit dem Mythos aufräumen, dass es zu große Haipopulationen gibt. Das stimmt nicht."

Während die Haibestände in vielen Meeren durch Überfischung und Umwelteinflüsse in einigen Teilen der Welt bedrohlich abgenommen haben, hat Leonardo immer wieder direkten Kontakt.

"Dieser Hai kam direkt auf mich zu. Das Maul geöffnet, die Augen geschlossen. Ich war mir sicher, der will angreifen. Es war ein Weibchen und direkt vor mir drehte sie ab, tänzelte vor mir. Ich hatte den Eindruck, sie will ihren Bauch an mir reiben. Als ob ich ein männlicher Hai wäre. Ich wäre vor Angst fast in Ohnmacht gefallen."

Haie sind weder Kuscheltiere noch Monster

Haie zum Greifen nahe in der Bucht von Baia do Sueste. Eine Touristenattraktion. Die Kinderstube der Raubfische sozusagen. Der Nachwuchs lässt sich vom Strand aus beobachten und ist streng geschützt. Fotografieren erlaubt, mehr nicht. Daran hat sich diese Touristin nicht gehalten. Der Versuch eines Selfies mit einem Hai-Baby endet schmerzhaft. Nachdem der Finger aus dem Maul befreit ist, folgt eine saftige Strafe der Naturschutzbehörde, umgerechnet 6.000 Euro. Leonardo weiß, Haie sind keine Kuscheltiere. Aber auch keine Monster. Ängste seien völlig übertrieben, sagt er. Seinen früheren Jagdtrieb bereut er.

"In der Vergangenheit wurde dem Hai oft rücksichts- und respektlos nachgestellt. Dabei gab es sie schon zu Urzeiten, vor 400 Millionen Jahren. Viel länger als die Menschen! Ich glaube, dass sich langsam ein Bewusstsein für den Schutz der Haie entwickelt und Haie damit die Möglichkeit bekommen ihre Population zu sichern. Ich glaube, es wird sie noch geben, wenn der Mensch längst schon nicht mehr existiert."

Hilfe durch Hai-Freund

Brasilien: Leonardo Veras betreibt auch ein Hai-Museum
Brasilien: Leonardo Veras betreibt auch ein Hai-Museum

Vor der Küste ist Leonardo und seiner Crew wieder ein Raubfisch an den Haken gegangen. Aber der heutige Hai-Freund erkennt sofort, dieser Hammerhai hing zu lange an der Leine und hat ziemlich an Kraft verloren. Er wird sofort befreit. Jetzt geht es nur darum, dass dieser Hai wieder atmet und dazu muss er schwimmen. Leo reagiert sofort, und schiebt den mindestens drei Meter langen Hai an. Bis er abtaucht.

"Der Hammerhai ist eine sehr sensible Spezies. Er hing wohl eine ganze Weile an der Leine zusammen mit einem anderen Hai. Bei den Befreiungsversuchen hat er ziemlich Power verloren. Deswegen brauchte er die Hilfe von Leo", sagt André Sucena Afonso, Biologe an der Universität Pernambuco.

Sender für Haie

Brasilien: Vom Haijäger zum Haifreund – der Brasilianer Leonardo Bertrand Veras
Brasilien: Vom Haijäger zum Haifreund – der Brasilianer Leonardo Bertrand Veras

Ein Glückstag für die Hai-Forscher, schon wieder zappelt ein kräftiger 'Tiger'. Er wird an Bord gezogen und muss dann die wissenschaftliche Prozedur über sich ergehen lassen. Vermessung und Blutprobe, währenddessen künstliche Beatmung und Implantation des Senders für die Satellitenortung.

Ein kleiner Eingriff, denn unter der Bauchdecke geht der Sender nicht verloren. Schließlich soll er mindestens ein Jahr lang Informationen schicken. So wurden schon Tigerhaie, die hier besendert wurden, sogar an Afrikas Küsten geortet. Zehn Minuten dauert die Aktion, dann ist die Wunde wieder vernäht. Doch bevor der Hai wieder abtauchen darf, macht sich erst Leo bereit, um den Raubfisch ein Stück mit seiner Kamera zu begleiten.

"Ich glaube, mir wird niemand eine Lebensversicherung anbieten."

Mit dieser Einschätzung dürfte er wohl Recht haben. Leonardo liebt die Nähe zu den Haien, die er so bewundert. Und für die der ehemalige Jäger und heutige Haischützer jetzt wohl eine der besten Lebensversicherungen ist. Solange diese Begegnungen immer gut ausgehen.

Autor: Michael Stocks/ARD Studio Rio de Janeiro

Stand: 20.07.2019 15:26 Uhr

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