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China/Afrika: Ausverkauf der Esel – Wie China Afrika plündert

Playzwei Esel tragen Lasten
China/Afrika: Ausverkauf der Esel – Wie China Afrika plündert | Bild: SWR

Esel sind Reit- und Lasttiere, sogar Familienmitglieder. Aus vielen Dörfern und Städten Afrikas sind sie kaum wegzudenken. Und doch werden sie langsam knapp. In Kenia etwa kann man sehen, wie große  Eselsherden durch die Landschaft getrieben werden. Ihr Ziel: das Schlachthaus. Dabei essen Kenianer überhaupt kein Eselsfleisch.

Es geht vor allem um die Häute. Sie sind ein begehrtes Produkt in China. Ob als Naturmedizin mit angeblichen Wunderheilkräften oder als Kosmetikmittelchen. Die Nachfrage nach Produkten aus Eselshaut explodiert in China. Gekauft wird vor allem in Afrika. Die Folge: manche afrikanische Länder sind beinahe völlig eselsfrei. Seit einiger Zeit versuchen manche Regierungen nun mit einem Exportverbot die Population zu schützen.

Eine Reportage von unseren Korrespondenten Sabine Bohland (ARD-Studio Nairobi) und Mario Schmid (ARD-Studio Peking)

Zwei Männer beladen zwei Esel mit Steinen
In Afrika sichern Esel als Lasttiere das Einkommen vieler Menschen | Bild: SWR

Lamu an der kenianischen Küste wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Das liegt auch an den Eseln. Lamu ohne Esel ist in etwa wie Amsterdam ohne Fahrräder. Sie sind Reittiere, Familienmitglieder und aus der Weltkulturerbe-Stadt einfach nicht wegzudenken. Vor allem aber sichern die Esel als Lasttiere das Einkommen vieler Menschen. "Meine Familie ist abhängig von diesem Tier", sagt ein Eselbesitzer,  "deshalb liebe ich meinen Esel mehr als alles andere." In Zentralkenia ist es mit der Eselidylle vorbei. Dieser Tage kann man große Herden beobachten, die sich zielstrebig einem Ziel nähern. Ein Viehhirte erklärt: "Ich bin auf dem Weg mit ihnen ins Schlachthaus."

Aus Eselshäuten wird ein medizinisches Luxusprodukt hergestellt

Blau gekleidete Männer hantieren an geschlachteten Tieren
In Kenia werden immer mehr Esel geschlachtet | Bild: SWR

Seit einigen Jahren werden mehr und mehr Esel in Kenia geschlachtet, obwohl Kenianer gar kein Eselfleisch essen. Aber darum geht es in den meist chinesisch betriebenen Schlachthäusern auch gar nicht. Hier in Naivasha schlachten sie bis zu 200 Tiere am Tag. Drei solche Schlachtereien gibt es in Kenia. Ein Manager führt uns durch seinen Betrieb: "Hier häuten wir die Tiere. (…) Wir nehmen die Haut bis zu den Hufen ab und sogar am Kopf." Die Häute werden zu tausenden nach China exportiert – um dort damit ein medizinisches Luxusprodukt herzustellen. Das ist der Grund, warum so viele Esel sterben müssen: Ejiao - schwarze Gelatine aus der ausgekochten Haut der Tiere.                                                                                                   

Zwei dunkle Barren mit roten chinesischen Schriftzeichen
Ejiao ‒ schwarze Gelatine aus der ausgekochten Eselshaut | Bild: SWR

Auch in dieser Pekinger Apotheke für traditionelle chinesische Medizin wird Ejiao oft verkauft und beworben als Jahrtausende altes Heilmittel gegen mehrere Beschwerden, etwa Blutarmut. Vermischt mit anderen Zutaten entsteht eine Masse, die getrocknet für etwa 200 Euro pro Box verkauft wird. Zwei bis drei Wochen soll die Portion reichen. Diese Kundin kauft es gleich für die ganze Familie. Ejiao ist in vielen Formen erhältlich, sogar als Snack. "Wenn ich sehr erschöpft bin und keine Energie habe, nehme ich ein Stück und stelle den Rest wieder in den Kühlschrank. Das ist sehr praktisch", klärt uns Cui Chen über ihren Gebrauch von „Ejiao“ auf. Mit wachsendem Wohlstand steigt in China die Nachfrage nach Wohlfühlprodukten. Das Gesundheitsbewusstsein nimmt zu, und die traditionelle Naturmedizin genießt ohnehin großes Vertrauen. Xue De Yan, Arzt für traditionelle chinesische Medizin aus der Baitaisi Apotheke, vertraut auf dieses Mittel: "Es hilft wirklich. Wenn Mütter zum Beispiel nach der Geburt geschwächt sind, erholen sie sich schneller, wenn sie mehrere Päckchen flüssiger Ejiao-Medizin getrunken haben."  

In China oft schlechte Lebensbedingungen für Esel

Tierschützer rufen hingegen Kunden dazu auf, Ejiao nicht zu kaufen. Sie verweisen auf Untersuchungen, nach denen die Wirkung fragwürdig ist oder überbewertet wird. Auch die traditionelle chinesische Medizin würde unblutige und sogar wirksamere Alternativen haben. Und sie stießen auf verdreckte Schlachthäuser in China, in denen die Esel brutal mit einem Hammer getötet werden. Szuching Chi, eine Mitarbeiterin von PETA Asien berichtet: "Bei der Schlachtung wird ihnen sehr hart auf den Kopf geschlagen, dann wird ihnen die Kehle aufgeschnitten. Sie sind danach immer noch für ein bis zwei Minuten bei Bewusstsein. Unsere größte Sorge sind die Lebensbedingungen, sie werden unmenschlich behandelt." Über 300 Euro kostet ein Kilo reines Ejiao. In China ist es nicht nur für die Hersteller und Apotheken ein großes Geschäft.

Esel sind in Kenia eine Art Lebensversicherung

In Afrika hat die Gier nach Ejiao dazu geführt, dass Esel auch hier allmählich vom Alltagsbegleiter zum Luxusgut werden. Kenia ist eines der wenigen Länder auf dem Kontinent, das Eselexport überhaupt noch erlaubt. In diesem Tierheim in der kleinen Stadt Naivasha kümmern sich Tierschützer um Esel, die von ihren Besitzern nicht gut behandelt worden sind. Aber ganz schlimme Fälle von Misshandlung kommen nicht mehr so häufig vor. Ein kleiner positiver Aspekt der Eselexporte. "Die meisten Eselbesitzer wussten gar nicht, was sie an ihren Tieren hatten, bis die Schlachthäuser ins Spiel kamen, " sagt der Tierschützer Raphael Malaro Ngome. "Aber wenn einer Familie ein Esel gestohlen wird, dann können die Kinder nicht mehr in die Schule gehen. Esel sind hier in Kenia eine Art Lebensversicherung." Joseph Thendu kann ein Lied davon singen. Seit ihm eines Nachts alle seine Esel gestohlen wurden, steht sein Lastenkarren nutzlos herum und er hat kein Einkommen mehr. Eseldiebstahl ist ein lukratives Geschäft geworden und die Tiere mittlerweile zu teuer, als dass die Betroffenen sich einfach ein neues Arbeitstier kaufen könnten. Seine Zukunftsvision sieht düster aus: "Die einheimische Eselpopulation wird ausgelöscht werden. Und dann werden wir unseren Kindern erzählen: es gab mal ein Tier, das hieß Esel. Sie werden nur noch Fotos von Eseln sehen, denn sie vermehren sich nur sehr langsam."

Die chinesische Eselindustrie setzt auf Nachhaltigkeit

Drei Autostunden von Peking entfernt: eine Farm mit 2000 Eseln. Zheng Zhong war früher Journalist, bis er viel Geld in Esel investierte, für ihn ein Geschäft wie Schweinezucht. Die Regierung zahlt Züchtern Subventionen. Derzeit verkauft er nicht, er wartet auf noch bessere Preise und erhöht den Tierbestand: "Wir müssen die Eselzucht insgesamt ausweiten, um das Nachfrageproblem zu lösen. Wenn der wirtschaftliche Nutzen größer wird, werden mehr und mehr Leute Esel züchten." Doch die Zucht dauert: Die Tragezeit einer Eselstute beträgt etwa zwölf Monate. Der Bestand der Tiere hat sich in China nach Schätzungen in den letzten 20 Jahren von elf Millionen auf etwa die Hälfte reduziert, und er schrumpft weiter.

Esel in verschiedenen Größen stehen in einem Gatter
In China wird Eselszucht subventioniert | Bild: SWR

Die Farm von Zheng Zhong ‒ ein Vorzeigebetrieb. Die Eselindustrie will auch das Fleisch populärer machen, ein weiterer Anreiz für mögliche Züchter. Die Farm hat ein Restaurant und präsentiert sich hier als Bio-Hof. Salat wächst aus den Wänden, und auf den Tisch kommt das Fleisch der mit Farmgras gefütterten Esel in verschiedenen Variationen. "Die Leute sagen, Eselfleisch sei gut für die Haut. Mir schmeckt es auf jeden Fall", erklärt uns einer der Gäste. Zheng Zhong hofft, dass sich die Esel-Industrie nachhaltig entwickelt. Doch dafür müssen deutlich mehr Chinesen wie er Geld in die Zucht investieren. Die Nachfrage nach Ejiao dürfte weiter steigen.

Eine Eselsherde läuft durch hohes Gras
Auf der grünen Wiese fühlen sich Esel am wohlsten | Bild: SWR

Auch im Tierheim in Naivasha gibt es Nachwuchs. Aber das ist eine Ausnahme. Vielleicht sind Züchter wie Zheng Zhong ein Hoffnungsschimmer für Kenias Esel. Denn wenn China seinen Esel-Bedarf selbst decken würde, hätte die Population in Afrika die Chance, sich zu erholen. "In Kenia sind lebendige Esel allemal nützlicher als geschlachtete. Von toten Eseln haben wir nichts, denn das Fleisch und die Haut werden exportiert und wir haben am Ende nichts in der Hand", erklärt der Tierschützer Raphael Malaro Ngome. Diese Esel jedenfalls dürfen ihr Altenteil genießen, wo sie sich vermutlich am wohlsten fühlen: auf der grünen Wiese.

Stand: 27.08.2019 06:43 Uhr

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