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China: Ausgangssperre aufgehoben

PlayChina/Corona: Ausgangssperre aufgehoben
China: Ausgangssperre aufgehoben | Bild: dpa / Ng Han Guan

Endlich darf Zhou Kai wieder rumrennen. Sieben Wochen haben sie sich freiwillig abgeschottet in ihrer Pekinger Wohnung. Mama und Oma sorgen sich noch immer, wie alle tragen auch sie Masken. Aber Hauptsache wieder raus.

Peking sieht nicht mehr nach Geisterstadt aus

China/Corona: Endlich wieder rennen und toben nach wochenlanger Ausgangssperre
China/Corona: Endlich wieder rennen und toben nach wochenlanger Ausgangssperre

„Ich bin so froh, das macht einen ja verrückt – fast zwei Monate war ich drinnen. Besonders für Kinder ist das hart, wir Erwachsenen vertragen das besser. Aber so lange zu Hause zu bleiben ist weder für die Psyche noch für den Körper gesund“, sagt Zhang Cuilan, Oma. Für Zhou Kai bedeutet Kinderalltag schon lange Alltag ohne andere Kinder. Schule weiterhin geschlossen. Auch auf Verabredungen verzichten sie freiwillig. „Eigentlich fühlt sich das nicht irgendwie besonders an. Aber mit Freunden zu spielen, das fehlt mir“, erzählt Zhou Kai, 8 Jahre alt.

Zu Hause die Mutter im Home Office, der achtjährige Sohn beim Homeschooling. Taekwondo-Kurs im Livestream. Entspannen beim Puzzeln. Oder als Schulaufgabe das Virus basteln. Draußen ist wieder mehr los auf den Straßen – viel weniger zwar, als vor Corona, aber Peking sieht nicht mehr nach Geisterstadt aus. Das passt zum Plan von Chinas Führung.

Im Staatsfernsehen kümmert sich der Premier demonstrativ um die Wirtschaft, Industrie-Unternehmen zugeschaltet. Die Produktion ist offiziell im Januar und Februar um 13,5 Prozent gesunken. Der Einzelhandel sackte um über 20 Prozent ab. Millionen Wanderarbeiter – wochenlang arbeitslos in ihren Heimatprovinzen – werden nun zurückbefördert in Fabriken.

„Von jetzt bis Ende Juni werden wir 100 Tage lang mehrere zehn Millionen Job-Angebote online stellen um die Beschäftigung zu stabilisieren und die Betriebe wieder hochzufahren“, erzählt Li Zhong, Ministerium für Arbeit und Soziales in China.

Chinas Führung will die Wirtschaft schnell wieder aufbauen

China/Corona: Ausgangssperre aufgehoben
China/Corona: Ausgangssperre aufgehoben | Bild: dpa / Ng Han Guan

Wir treffen uns in Peking mit Wirtschaftsanalystin Dan Wang. Sie sagt: Längst nicht alle Unternehmen arbeiten wieder normal. Chinas Führung will das beschleunigen, aber es gibt einen Konflikt. „Die Staatsführung versucht alles, damit die Menschen wieder zur Arbeit gehen. Aber die lokalen Regierungen haben jeden Grund, die Menschen abzuhalten und die Fabriken nicht hochzufahren. Denn wenn die Zahl der Infizierten wieder steigt, ist ihre politische Karriere am Ende“, sagt Dan Wang, Wirtschaftsanalystin.

Fahrt nach Yiwu, die Millionenstadt gilt als Zentrum für den weltweiten Handel mit Alltagsgütern. Doch davon ist nichts zu spüren. Normalerweise tummeln sich hier Einkäufer aus aller Welt.

Händler Ma Zhangliang exportiert Geschirr. Sein Geschäft ist um 30 Prozent eingebrochen, mit Online-Handel versucht er die Lücke zu füllen. „Ich hoffe, wir nutzen diese besondere Zeit der Epidemie zum Nachdenken. Lasst uns nicht denken, die Welt geht unter, lasst uns nicht stillstehen. Lasst uns mit der Situation positiv umgehen.“

Zurück in Peking: Auch hier denken viele positiv, trauen sich wieder in die Parks. Alle tragen Atemschutzmasken, es zieht sie raus in den Frühling.

Passant: „Ich gehe jetzt jeden Tag raus. Hier draußen kriege ich frische Luft und kann mit Freunden reden, das macht mich glücklich.“

Fischefüttern, Eltern mit Kindern – alle, die wir fragen, fühlen sich sicher.

Passantin: „Wegen der Epidemie – das ist jetzt kein Problem. Solange ich mich gut schütze und an gut belüftete Orte wie hier draußen gehe.“

Von normal ist China noch sehr weit entfernt

China/Corona: Glückliche Menschen in Peking, Hoffnung auf Alltag
China/Corona: Glückliche Menschen in Peking, Hoffnung auf Alltag

Was passiert, wenn in China mehr Alltag einkehrt? Viele Experten – unter ihnen Ben Cowling – sind überzeugt: Neue Infektionen lassen sich in China nicht verhindern. „Alle sind alarmiert wegen der zweiten Infektionswelle, weil es importierte Fälle aus dem Ausland nach China gibt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich Infektionen ausbreiten, wann die Zahlen steigen und das bemerkt wird. Ich weiß nicht, wann das in China passiert, aber es wird passieren“, fordert Benjamin Cowling, Hongkong University School of Public Health.

Auch sie haben Angst vor der zweiten Welle in China. Deshalb darf Zhou Kai weiter keine Freunde treffen. Abstand halten, das raten sie auch allen in Europa.

„Ich will den Menschen dort sagen: Hört auf die Anweisungen und bleibt zu Hause und isoliert euch. Das ist das Beste um sich selbst und um andere zu schützen“, sagt Chen Shuangshuang, Mutter von Zhou Kai.

Ein ganz normaler Junge – in einer Millionenstadt, die sich nach Normalität sehnt – doch von normal ist China hier noch sehr weit entfernt. 

Autor: Daniel Satra/ARD Studio Peking

Stand: 22.03.2020 20:25 Uhr

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