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China: 100 Jahre KP – ein Land putzt sich raus

PlayChina: Die KP Bewertet die Nachbarschaft
China: 100 Jahre KP – ein Land putzt sich raus  | Bild: WDR

Gemeinsam mit anderen Auslandsjournalist:innen sollen wir das aufstrebende China erleben. Auf einer Pressetour begleitet von Mitarbeiter:innen des chinesischen Außenministeriums. Die Kommunistische Partei ist allgegenwärtig, ihr Anführer Xi Jinping lebensgroß im Foyer beim ersten Stopp: Der Hafen von Ningbo – weltweit wird hier am meisten Fracht umgeschlagen und der Chef Jiang Wei preist Chinas Erfolge: "Das vergangene Jahr war für die ganze Welt besonders schwierig. Aber wir haben beide Schlachten gewonnen: Gegen die Pandemie und gegen die Wirtschaftskrise."

Vom Mega-Hafen zum 'Südlichen See' in Jiaxing. Vor 100 Jahren gründeten Chinas erste Kommunisten genau hier ihre Partei – auf dem 'Roten Boot' – heute ein Nachbau. Die Touristenführerin Li Yiqin schwärmt: "Wir führten als Kommunisten das ganze Land zu vielen Siegen: Von der Revolution, über den Aufbau hin zu den Reformen. Wir schafften den großen Sprung des neuen Chinas – vom Aufstehen, hin zum Reich- und zum Starkwerden."

Ein Dorf wird zum Vorzeigeobjekt

Bereits vor über einem Jahr waren wir in diesem Dorf in der Provinz Zhejiang, wo die Partei alles kontrolliert und bewertet. Der KP-Chef erklärt, man wolle die Menschen hier zivilisieren. Das geht bis heute so. "Zu unseren moralischen Ansprüchen gehören: Harmonie mit den Nachbarn, Respekt vor den Alten und Fürsorge für die Kinder im Dorf. Unser System hat also großen Einfluss auf den Aufbau der gesamten Moral des Dorfes", erzählt KP-Chef Li Yuanping.

China: Nachbau des roten Bootes – vor 100 Jahren gründeten Chinas Kommunisten hier ihre Partei
China: Nachbau des roten Bootes – vor 100 Jahren gründeten Chinas Kommunisten hier ihre Partei | Bild: WDR

Das Dorf rausgeputzt, die Straßen sauber, die Vorgärten gepflegt. Seit sie von Haus zu Haus ziehen, kann sich niemand mehr zurücklehnen. Kein staubiger Boden, sondern der Vorplatz vor dem Haus extra neu betoniert – und Pflanzen aufgestellt. Das zwölfköpfige Partei-Komitee schwärmt aus, kontrolliert, ob sich noch etwas verändert hat. Dann schreiben alle akribisch Punkte auf. Während der Besitzer, Bauer Ning, das nervös verfolgt.

Das schicke neue Mäuerchen, die Sauberkeit, aber auch, ob Bauer Ning nett zu den Nachbarn ist und sich an Regeln hält, wie kein offenes Feuer zu machen, all das fließt in die Bewertung ein. An seiner Hauswand halten sie den Status fest, mit roten Sternchen: Oben fünf für Gesetzestreue, darunter vier für Moral, vier für Haus und Garten und fünf für seinen guten Ruf. "Ich bin froh und ich spüre den Druck. Die Bewertung erfolgt monatlich, man kann also Sterne verlieren, wenn man nicht gut genug ist. Aber ich bin froh, weil ich vorher nur zwei Sterne hatte, wo nun vier sind", erzählt der Landwirt.

Das Komitee mit den Zetteln zieht weiter. Hier wohnt die Vorzeige-Familie des Dorfes. Auftritt Komitee, auch hier der Boden betoniert, praktisch und sauber. Vom Baby bis zur Urgroßmutter glänzt diese Familie bislang mit tadellosen Bewertungen. Während die einen entspannen, füllen die anderen die Punktezettel aus. Für Frau Wu vom Komitee sind Haus und Hof top in Schuss, sie und die anderen hätten auch von den Nachbarn nur Gutes gehört, sagen sie. Hier läuft alles wie die Partei es sich wünscht. "Unsere Kontroll-Besuche sind kurzfristig anberaumt, die Tage zufällig gewählt, da kann sich niemand drauf vorbereiten. Solange man alles sauber hält, ist alles gut. Aber austricksen kann man uns nicht", sagt Wu Juxian vom Moral-Komitee.

Bewertung beeinflusst das ganze Leben

Die volle Stern-Anzahl zahlt sich aus für die Familie. Den gebrauchten LKW konnte Sohn Wucheng mit einem Kredit voll finanzieren, zu niedrigen Zinsen. Die umgerechnet 40.000 Euro bekam er dank guter Familien-Bewertung ganz unkompliziert. "Ich brauchte nur ein Schreiben unseres Dorf-Chefs mit unserer moralischen Bewertung, die über 90 Punkten liegt. Auf dieser Grundlage hat die Bank den Kredit bewilligt, das hat nicht einmal eine Woche gedauert", erzählt Ning Wucheng.

900 Menschen wohnen im Dorf der herausgeputzten Häuser. Doch offenbar folgen nicht alle den Vorgaben der Partei. Die Straße runter entdecken wir dieses Haus – nicht unordentlich, aber baufällig. Seine Bewohnerin ist 76 Jahre alt, sie müsse zuerst an ihr Essen denken, nicht an die Bewertung, sagt sie. Vier Sterne für Gesetzestreue, aber nur zwei bei Haus und Garten. "Ich muss arbeiten und mich um das Gemüse kümmern. Ich habe keine Zeit, weil ich zum Arbeiten aufs Feld muss", sagt sie. An anderen Häusern gibt es noch schlechtere Bewertungen – für alle sichtbar. Wer im Dorf nicht folgt, wird stigmatisiert. 

Kritik an der KP unerwünscht

Zurück auf unserer Pressetour, wo 'Rote Touristen' in die 'Revolutionäre Gedenkhalle' am Gründungsort des chinesischen Kommunismus drängen. Draußen Parteimitglieder beim Gruppenbild mit Hammer und Sichel: "Am Geburtsort der Partei mehr über ihre Geschichte zu lernen, halte ich für sehr wichtig für unsere künftige Arbeit und unseren ideologischen Fortschritt." "Unter der KP-Führung geht es uns jedes Jahr besser, unser Leben wird reicher, alles gedeiht."

Kritik unerwünscht, stattdessen einreihen und auf Linie sein. So fordert es die Kommunistische Partei von ihren Mitgliedern und vom ganzen Land.

Autor: Daniel Satra / ARD Studio Peking

Stand: 04.07.2021 20:30 Uhr

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