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China: Urlaub vom Coronavirus

Chinesische Touristen am Strand
Hainan ist bei chinesischen Urlaubern aufgrund des warmen Klimas beliebt  | Bild: imago

Die Mittelschicht macht Urlaub. Tamara Anthony berichtet über ein ganz anderes China, das uns weniger bekannt ist. Vieles erinnert an Bilder aus der Wirtschaftswunderzeit in Europa: Massen am Strand und Uniformität. Und das in Zeiten von Corona-Virus und der Sorge, dass das Wirtschaftswachstum einbrechen könnte. Sorgt sich Chinas Mittelschicht? Eine Reportage aus Hainan, dem "Mallorca Chinas".

Angst vor dem Corona-Virus

Das Urlaubsparadies von China die Insel Hainan ganz im Süden des Landes. Derzeit ist Hochsaison. Doch die Strände sind fast leer. Alle tragen Masken. Die Angst vor dem Virus – auch hier hat sie alles verändert. Vor drei Wochen noch – volle Strände. Hainan ist das Mallorca Chinas. Hier macht die Mittelschicht Urlaub. Das Leben findet draußen statt. Jeder Generation ihre Attraktion. Großvater Zhai mit seinen Kindern und Enkelkindern kommt seit über zwei Jahrzehnten hierher. Ihr Erstwohnort ist Peking. "Die Temperaturen hier sind etwa 27/28 Grad im Winter. In Peking kann es jetzt minus 10 sein. Ich habe den Ort Sanya auf Hainan zufällig entdeckt und dann entschlossen, hier die Winter zu verbringen."

Mann und KInd mit Schutzmaske am Strand
Es kommen kaum noch Urlauber | Bild: SWR

Jetzt will er uns nicht mehr treffen. Ihr Gebäude ist abgeriegelt, nur für Anwohner zugänglich – nach einem Fieber-Check. Doch über Video können wir mit ihm reden. Er zeigt uns die leere Wohnanlage. Obwohl die Familie wegen Flugausfällen ihre Reisepläne verschieben musste und das Leben jetzt nur noch drinnen stattfindet, Großvater Zhai ist Zweckoptimist. "Wir müssen nur aufpassen, wo wir hingehen und daran denken, immer die Hände zu waschen. Es ist unser Beitrag für die Nation, wenn wir jetzt nicht so viel nach draußen gehen."

Als Rentner auf der Tropeninsel

Rücksprung in die Zeit vor dem Virus. Probleme sieht Zhai Geng Wu generell nicht. Wir treffen die Familie bei ihren Vorbereitungen für das Neujahrsfest. Es ist ein Familienfest. Vier Kinder, fünf Enkelkinder, die Teigtaschen sind das traditionelle Neujahrs-Essen. Die Großeltern kommen ursprünglich vom Land, für sie galt nicht die Ein-Kind-Politik. Vor 24 Jahren hat Großvater Zhai, damals als Bauingenieur, in Hainan das Apartment gekauft – als Urlaubsquartier für die ganze Familie. "Das Leben war noch nie so gut wie jetzt. Die Kinder wissen gar nicht von den harten Zeiten damals. Ich versuche ihnen davon zu erzählen, was anderen Generationen durchgemacht haben."

Tisch gedeckt mit Essen
Viele Rentner verbringen den Winter auf der warmen Insel Hainan | Bild: SWR

Zhai Geng Wu nimmt uns mit zu seinen Freunden. Die meisten hier in der Wohnanlage sind Rentner, die dem kalten Winter in Nordchina entfliehen. Kochen in der Gemeinschaftsküche – jeder tischt seine regionale Spezialität auf. Alles soll geteilt werden. Zugvögel werden diese Rentner genannt. Insgesamt etwa eine Million gibt es von ihnen. Mit dem Wirtschaftsboom wächst ihre Zahl und die der Hochhäuser mit Meerblick. "Hier, schauen Sie, dieses Gebäude", sagt der Rentner Wang Zeng. "Es hat weniger als ein Jahr gedauert von Grundsteinlegung bis Fertigstellung."

Großvater Zhai geniert sich, beim Baden gefilmt zu werden. Sein Freund aus Jugendtagen, ein Immobilienmanager, hat damit kein Problem. Am liebsten würde er uns in das Whirlpool mit einladen. "Wir haben ein glückliches Leben", sagt Wang Zeng. "Unser Dank geht an die Partei, an Mao und Papa Xi Jinping. China ist stark, das Leben hier ist gut. Das Ausland soll nicht auf uns schauen als wären wir rückständig. Das heutige China ist sehr stark!"

Verhaltener Optimismus für die Zukunft

Vor drei Wochen im Supermarkt – alles vorrätig was das Herz begehrt. Auch für Kinder gibt es Quengelware. Großvater Zhai macht sich keine wirtschaftlichen Sorgen. Handelskrieg, wirtschaftliche Abkühlung – eine Gefahr für China mag er darin nicht sehen. Nur etwas Sorge um die Kinder klingt noch durch. "Wenn die Wirtschaft schwächelt, hat das auf alles eine große Auswirkung. Für die Kinder bedeutet das, dass sie sich mehr anstrengen müssen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Für die Kinder meiner Familie wird es auch Herausforderungen geben, aber sie werden es meistern!" 

Marktstand
Rentner Zhai Geng Wu sieht gelassen in die Zukunft | Bild: SWR

Die eigene Leistung und die der Nation – für Familie Zhai ist das eng miteinander verbunden. Optimismus oder Durchhalteparole, das bleibt unklar. Sie hoffen einfach, dass sie bald wieder sicher nach Peking zurückkönnen. Und das Land aus der Quarantäne entlassen wird.

Autorin: Tamara Anthony, ARD-Studio Peking

Stand: 05.03.2020 17:10 Uhr

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