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London: Schluss mit "Keep calm and Carry on"

PlayEin Polizist auf einem Fahrrad hält an und spricht zwei sitzende Personen in einem Park in London an.
London: Schluss mit "Keep calm and Carry on" | Bild: picture alliance/ZUMA Press

So ganz menschenleer ist es auch jetzt nicht in London, aber die, die jetzt noch unterwegs sind, haben nichts mehr von der nervösen Energie, die die Stadt sonst vorwärtstreibt.

Es ist eine gespenstische Stille eingekehrt, selbst hier auf der Portobello Road im Herzen des reichen Notting Hill.

Charlie lebt mit seinem Feinkostladen von den superreichen Londonern, die hier eigentlich wohnen. Aber die sind seit Beginn des Lockdowns so gut wie alle verschwunden. Ab morgen schließt er seinen Laden deshalb, und will versuchen, sich als Lieferdienst über Wasser zu halten. Ob er so überleben kann, weiß er nicht.

Leeres London

Seine Kunden jedenfalls richten sich auf eine längere Abwesenheit ein. Aus Angst vor Einbrüchen und Plünderungen werden derzeit ganze Bezirke in London rund um die Uhr von Sicherheitsdiensten bewacht, denn das Krisenmanagement der Regierung sorgt bislang für wenig Vertrauen: Seit zehn Tagen lebt Boris Johnson in Isolation, im obersten Stock der Downing Street und schickt von hier – selbst infiziert – eher vage Videobotschaften.

Am Dienstag erklärt Kabinettsmitglied Michael Gove der Presse folgendes: "Ich kann hiermit ankündigen, dass die erste Tranche der Tausenden von Beatmungsgeräten bereits in der nächsten Woche ausgeliefert werden."
Als die BBC Nachrichtensprecherin am nächsten Tag die tatsächliche Zahl vorliest, stutzt sie noch auf dem Sender: "Dieses Wochenende… werden, wie wir hören, 30 Geräte ausgeliefert. Wir haben das nachgeprüft, aber so scheint es zu sein."

Selbst die konservative Presse titelt am Tag darauf mit für Boris Johnson verheerenden Schlagzeilen – ein Fiasko.

Schlechtes Krisenmanagement

Wir sprechen mit Philipp Lee. Er nahm 2016 an einer großangelegten Pandemieübung teil, die einen ganz ähnlichen Virus simulierte. Das Hauptergebnis: Ein verheerender Mangel an Beatmungsgeräten.

Die Regierung aber hilft bislang vor allem Firmen und Betrieben. All die, die in den ärmeren Bezirken Londons einfach nur ihre kleinen Jobs verloren haben, stehen vor dem Ruin. Fast eine Million Briten haben in den letzten zwei Wochen zum ersten Mal Sozialhilfe beantragt. Hier kann keiner aufs Land flüchten. Hier bleibt nur der Gang zur Foodbank.

Wenn der Lockdown in London noch Monate aufrechterhalten werden muss, wie es viele in Westminster fürchten, da die Regierung noch meilenweit von einer klaren Exit-Strategie entfernt ist, dann dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, wann die ohnehin scharfen Gegensätze der Stadt auch ganz offen aufeinanderprallen.

Autorin: Annette Dittert, ARD London

Stand: 05.04.2020 22:19 Uhr

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