So., 04.05.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ecuador: KI kann Kolibris retten
Etwa 50 Mal schlagen ihre Flügel pro Sekunde. Kolibris – nervös und wunderschön zugleich. In einigen Kulturen – Symbol der Verbindung aller Lebewesen. Die meisten lassen sich mit Zuckerwasser anlocken. Einen aber muss man suchen. Im Süden Ecuadors folgen wir Martin Schaefer zu seinem "Sorgenkind", dem Blaulatzkolibri. Nur noch 100 Exemplare gibt es, nur hier. Schäfer kämpft gegen sein Aussterben, auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Unterwegs sehen wir Vorboten des Problems. Erdrutsche und Überschwemmungen. Rund um die Dörfer wird oft unkontrolliert abgeholzt. "Die Bäume, die wir sehen, Eukalyptus, die gehören hier nicht hin, die sind nicht gut geeignet, um den Boden zu halten. Deshalb kommt viel Wasser runter, und das nimmt dann auch viel Material mit, Boden und Steine", erklärt Martin Schaefer.
Der Schutz der Kleinsten

Weit oben bedroht die Abholzung den Blaulatz-Kolibri, sagt Schaefer. Artenschutz, für den Biologen ein Lebensprojekt. Seine ecuadorianische Natur-Schutz-Organisation kauft Land – und forstet wieder auf. Die Mitarbeiter stammen von hier. Das hilft oft, die lokalen Bauern umzustimmen, die für Weideland lieber abholzen wollen. "Es ist schon noch ein weiter Weg. Wenn es ein Bruchteil der Menschen versteht, ist das ein Erfolg", sagt Leovigildo de Jesus Cabrera Guajala von der Stiftung.
Der Lebensraum des Blaulatzkolibris schrumpft seit Jahren massiv. 2017 entdeckten Forscher die Art auf 3.700 Metern Höhe. Hier waren Kuhweiden. Jetzt renaturieren die Ranger das Land – und langsam wachsen wieder Büsche. Die Chancen, dass wir einen Kolibri sehen, stehen mittelgut. "Da isser, da isser." Und dann sehen wir ihn doch. "Das ist so das typische Balzgehabe. Das ist sein Lieblingsplatz hier", erklärt Martin Schaefer.
Für Martin Schaefer zählt jede Art. Der Blaulatz-Kolibri, so klein er ist, sei ihm besonders wichtig. Er bestäubt Pflanzen, damit sie sich vermehren – und Wasser speichern, das später die Menschen brauchen. Ein Kreislauf: "Dass der hier überleben kann, das ist das, was mich glücklich macht. Das wird jetzt nur noch besser. Und deshalb weiß ich, es werden künftig noch mehr Kolibris hier leben. Und ich kann meinen Teil dazu beitragen, dass die Welt hier ein kleines bisschen besser wird."
KI soll beim Artenschutz helfen
Dabei soll bald künstliche Intelligenz helfen. Mit Hilfe von KI-Modellen will Schaefer rausfinden, wie schnell die Kolibris sich vermehren. Was ihnen hilft, was schadet. Klar ist, Kühe, die Büsche abknabbern, helfen nicht. "Daher ist mir die Kuh ein Dorn im Auge."
Diese zwei dürften da nicht stehen. Schaefer muss wieder mit den Bauern verhandeln. Weiter im Tiefland ist künstliche Intelligenz schon im Einsatz. Leonardo bringt heute ein neues Mikro im Wald an. Dutzende Kameras haben sie schon verteilt, die Tag und Nacht Geräusche und Bilder aufzeichnen. Aufnahmen, die Schaefer von KI analysieren lässt. Die angesammelten 22.000 Stunden Material könnte er allein kaum abhören, geschweige denn die Tiere erkennen. Die KI, genau programmiert, schafft das blitzschnell – und spuckt zum Geräusch den Tiernamen aus. "Das ist so ne typische Audiodatei von zwei Minuten, darauf sind unterschiedliche Vogelarten zu hören. Ich trage die Namen dann in die Liste ein. Dann wissen wir, dass dieses Mikro an dem Ort genau diese Vogelart – wie diesen Ameisen-pitta - aufgenommen hat", erklärt Martin Schaefer.
Die Stiftung Jocotoco will so dokumentieren, was ihre Arbeit bringt. Wie schnell sich der Wald erholt, ob Tiere zurückkommen. Oder, ob sie etwas verbessern müssen. Dem Artenschutz einen Wert geben, das ist sein Ziel: "Hier waren vor fünf Jahren einfach viel weniger Vogelarten und weil Jocotoco das geschützt hat, sind jetzt zehn Prozent mehr Vogelarten geworden oder 20 Prozent. Oder ich kann eben wie bei den Blau Kolibri dann hinterher zeigen, von 100 sind es jetzt 300 geworden und ich habe die Daten dafür und die sind permanent."
Rund um die Lodge funktioniert das schon. Die Nasenbären kommen nun öfters. Und nachts erwacht im Wald das Leben. Die Schutzgebiete sind Heimat von mehr als 5.500 Arten, viele davon bedroht. Ein Knochenjob ist es schon, 10-tausende Bäume pflanzen die Mitarbeiter in Handarbeit. Zwei Jahre müssen sie das Gras zurückschneiden, das sonst den Bäumchen das Licht nimmt. "Bis es so aussieht, brauchst du 40 Jahre, bis Wald da ist, erstmal 20 Jahre. Das kriegen wir hin, dann wird die ganze Gegend wieder richtig schön", sagt Martin Schaefer.
Es gehe nicht darum, alles zu schützen, sagt Schaefer noch, sondern um Rückzugsräume – auch für den Kolibri.
Autorin: Marie-Kristin Boese / ARD Mexiko
Stand: 04.05.2025 22:08 Uhr
Kommentare