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Eritrea: "Radfahren bedeutet Leben"

PlayEritrea: Ein armes Land – und radsportverrückt

Eritrea, eins der ärmsten Länder der Erde, wo Kinder nach Wasser graben müssen.

Eritrea, dass völlig radsportverrückt ist.

Tour d´Eritrea

Tour d’Eritrea: Die Fahrer hoffen auf ein Engagement in Europa
Tour d’Eritrea: Die Fahrer hoffen auf ein Engagement in Europa

Zum ersten Mal überhaupt ist ein ausländischer Fernsehsender bei der Tour d´Eritrea, einem der gefährlichsten Radrennen der Welt. Durch teils verwaiste Gebiete, weil ein Großteil der Menschen auf der Flucht ist. Die Fahrer strampeln um ihre Zukunft, in der Hoffnung auf ein Engagement in Europa.

Aus keinem Land Afrikas fliehen so viele Menschen wie aus Eritrea. 5000 Eritreer fliehen jeden Monat vor Diktatur, Terror und Verfolgung. Das kleine ostafrikanische Land ist innerhalb weniger Jahre von sechs auf wohl nur vier Millionen Einwohner geschrumpft.

Radfahren ist seit den Zeiten als italienische Kolonie Eritreas Nationalsport. Für die Profifahrer, die vom Regime oder von staatlichen Firmen bezahlt werden, kann es ein Ausweg in die Freiheit sein.

"Radfahren bedeutet Leben in Eritrea", sagt der Profifahrer Meron Teshome.

Acht Tagesetappen bei 40 Grad

Eritrea: Eines der ärmsten Länder der Welt, radverrückt, abgeschottet
Eritrea: Eines der ärmsten Länder der Welt, radverrückt, abgeschottet

Laut Reportern ohne Grenzen liegt Eritrea in Sachen Pressefreiheit weltweit auf dem vorletzten Platz, nur noch vor Nordkorea. Acht Tagesetappen quer durchs Land. Sieben afrikanische und drei europäische Teams sind mit dabei. 50 Fahrer, darunter Meron Teshome, 25, der als einer der Favoriten gilt. Bei 40 Grad über Brücken, unter denen längst kein Wasser mehr fließt. Eritrea leidet unter einer Dürre, doch das Regime verneint das, ruft nicht um internationale Hilfe für Menschen, Tiere und Umwelt.

Massawa, ein erstes Etappenziel. "Das Leben ist kostbar" steht da. Aber Menschenleben zählen nicht viel in Eritrea. Immer noch Spuren vom 1991 zu Ende gegangenen Unabhängkeitskrieg mit Äthiopien.

Während das Fahrerfeld durch Massawa rast, vorbei an zu Denkmälern aufgestellten Panzern, sammeln Kinder vom Renntross weggeworfene Wasserflaschen auf. Nach geglücktem Ausreißversuch gewinnt ein Fahrer der Nationalmannschaft Eritreas. Sein Traum sagt der Sieger danach, sei in zwei Jahren die Tour-de-France-Teilnahme.

Auf in die Freiheit. Nach der Etappe vorm Hotel. Unsere Fragen nach der politischen Situation, die so viele Eritreer in die Flucht treibt, werden aus Angst vor dem Regime abgeblockt. "Ich bin Radfahrer und kann so legal das Land gelegentlich verlassen und wiederkommen. Für mich ist es ok, mehr weiß ich dazu nicht zu sagen", erzählt Meron.

Gefährliche Etappen in der Höhe

Eritrea: Ein armes Land – und radsportverrückt
Eritrea: Ein armes Land – und radsportverrückt

Die nächste Etappe. Eritrea liegt in der Höhe. Die meisten Streckenabschnitte über 2000 Meter. Die Abfahrten auf holprigen Asphalt mit bis zu 90 km/h. Nicht immer hat die Streckensicherung alle entgegenkommenden Fahrzeuge rechtzeitig von der Straße bekommen. Wie durch ein Wunder kommt es zu keinen größeren Unfällen. Doch es gibt viele Stürze. Während sich Helfer um die Verletzten kümmern, wird nebenan das Zielfoto ausgewertet: Meron Teshome, ganz vorne.

Angekommen in Asmara, Eritreas Hauptstadt. Angeblich 800.000 Einwohner. In diesem Kino sind die Tour-de-France-Übertragungen gezeigt worden.

Kein Platz für politische Fragen

Eritreas Radsportverband ist der erfolgreichste Afrikas, der in diesem Gebäude seinen Sitz und mittlerweile vier Fahrer auf der World-Tour, der höchsten internationalen Rennklasse, hat. Politische Fragen zu Fluchtursachen werden hier, beim vom Regime voll finanzierten Verband nicht gern gehört.

"Wir haben weltweit eine neue Generation, ich nenne sie die Fallschirm-Generation, weil sie gerne ins Ausland geht, Abenteuer liebt. Das ist die Kultur dieser neuen Generation, weltweit, das ist nicht das Problem Eritreas", sagt Ghirmay Weldeslassie vom Radsportverband Eritrea.

Eritrea: Begeisterung am Straßenrand bei der Tour d’Eritrea
Eritrea: Begeisterung am Straßenrand bei der Tour d’Eritrea

Überall in Eritreas Hauptstadt gibt es Reparaturläden, Fahrräder sind vergleichsweise günstig. Die Tour wird vom Staat subventioniert. Kein Brot aber Spiele. Nach acht Tagesetappen geht die Tour zu Ende. Meron Teshome ist ein Star in Eritrea, ständig präsent im Staatsfernsehen. Seine Mutter und seine Schwester sind vor einiger Zeit nach Kanada geflohen.

"Sie folgen mir auf den Social-Media-Kanälen, rufen mich täglich an und sind sehr stolz auf mich", sagt Meron.

Während ein Landsmann die Gesamtwertung gewinnt, sichert sich Meron Teshome endgültig das grüne Trikot. Und während wir ungehindert Eritrea verlassen können, lässt das Regime seine Bürger im Alter von fünf bis 50 Jahren nicht ins Ausland reisen. Die größte Chance auf eine Ausnahme haben die besten Radsportler.

Autor: Marc Schlömer

Stand: 16.07.2019 08:20 Uhr

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