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Frankreich: Präsidentschaftswahlkampf in Kriegszeiten

Eric Zemmour und Marine Le Pen
Eric Zemmour und Marine Le Pen treten für das rechte Lager an  | Bild: IMAGO / Le Pictorium / IMAGO / PanoramiC

Der Krieg in der Ukraine verschiebt auch innenpolitischen Fronten. Der amtierende Präsident Macron vermittelt auf internationaler Ebene und verhandelt regelmäßig mit dem russischen Präsidenten. Für Wahlkampf bleibt wenig Zeit. Aber auch ohne den erlebt er einen Höhenflug in den Umfragen. Am rechten Rand versuchen die Kandidaten noch mit den Themen Migration und Kaufkraft zu punkten. Aber ihre einstige Bewunderung für den russischen Präsidenten macht ihnen Schwierigkeiten. Noch im Januar warb der Rechtsaußen-Kandidat Éric Zemmour für Verständnis für Putin. Und Marine Le Pen will die Bilder ungeschehen zu machen, die es von ihr mit Putin in Moskau gibt.

Emmanuel Macron bei Umfragen im Höhenflug

Ein Wahlkampf unter außergewöhnlichen Bedingungen. "Alle Kandidaten sind geschwächt", meint Antoine Camus, Wahlkampfhelfer für Éric Zemmour. "Das hat uns kalt erwischt. Den Krieg hat ja keiner kommen sehen." Ein Präsident, der auf internationaler Bühne punktet. "In der aktuellen Krise ist es wichtig, dass Macron seine Aufgaben als Präsident weiter wahrnehmen kann, obwohl er gleichzeitig Kandidat ist", so
Delphine Goater, Wahlkampfhelferin für Emmanuel Macron. Und eine Herausforderin, die ihre Vergangenheit ungeschehen machen will.

Wahlkampf in Frankreich: Flyer für Emmanuel Macron werden verteilt
Wahlkampf für Emmanuel Macron  | Bild: SWR

Delphine Goater auf Stimmenfang an einer Metrostation in Paris. Bis zu fünf Mal in der Woche ist sie gerade unterwegs. Die Kulturkritikerin macht ehrenamtlich Wahlkampf für Emmanuel Macron. "In vielen Vierteln in der Stadt hat Macron bei der letzten Wahl sehr gut abgeschnitten. Wir hoffen sehr, dass er bei der nächsten Wahl noch mehr holen wird als 2017." Viele, auf die Delphine heute trifft, sind noch unentschieden, wen sie in drei Wochen wählen werden. Nicht alle sind Macron-Fans. Aber seine außenpolitischen Aktivitäten kommen gut an. "Ich finde das gut", sagt eine Passantin. "Klar, Putin konnte er nicht überzeugen, das ist aber auch schwierig. Er macht das gut."

Seit Wochen ist Macron im Modus des Krisenmanagers: Kurz vor dem Krieg war er noch bei Putin in Moskau, regelmäßig ist er mit Staatschefs im Austausch und zuletzt lud er die europäischen Staats- und Regierungschefs zum Krisengipfel nach Versailles. "Uns ist allen bewusst, dass wir einen dramatischen Wendepunkt erleben: für unsere europäische Gesellschaft und unser europäisches Projekt", so Macron am 11. März 2022. Seinen Umfragewerten als Präsidentschaftskandidat verleiht das einen Höhenflug. Auch wenn für Wahlkampfauftritte – wie diese Woche im südfranzösischen Pau – kaum Zeit bleibt. Den Wahlkampf übernehmen weitgehend Menschen wie Delphine. "Ob er jetzt physisch vor Ort ist, macht gar keinen so großen Unterschied. Er ist ja sowieso präsent. Und wir sind unterwegs, um sein Programm und seine Vision zu erklären"

Éric Zemmour: fremdenfeindlich und national

Antoine ist aufgeregt. Gleich kommt sein großes Idol. "Das ist doch ist eindrucksvoll." Er ist Anhänger von Éric Zemmour. (…) Star der französischen Rechtextremen. Extrem fremdenfeindlich, radikal national. "Ihr habt Recht" sagt Éric Zemmour. "Ihr wollt, dass der Staat euer Geld schützt – anstatt die Einwanderer mit Eurem Geld zu beschützen." Seine Botschaft: Stolz auf die Nation, Hass auf andere. Er kommt besonders bei Männern an, die gut verdienen. "Wir sind hier zu Hause", rufen sie. Antoine ist 25 und aus der Nähe von Dijon im Burgund. Sein Jura-Studium hat er fast fertig. Jetzt ist er für Zemmour im Wahlkampfeinsatz. "Das ist unser wichtigster Flyer." Antoine ist der Vorsitzende der Jugendorganisation von Éric Zemmour in der Region.

Éric Zemmour. bei Wahlkampfauftritt
Wahlkampfauftritt von Éric Zemmour | Bild: SWR

Früher war er bei den gemäßigten Rechten. Aber von denen ist er enttäuscht. "40 Jahre lang hat Frankreich sie gewählt, wegen ihres Programms für mehr Arbeit und Sicherheit – und für die Beschränkung der Einwanderung. Aber sie haben nichts gemacht. Weil sie Angst vor den Linken haben. Und uns bezeichnen sie jetzt als Faschos." Das stört Antoine nicht besonders. Als Wahlkämpfer hat er ein anderes Problem: Aussagen seines Kandidaten über den russischen Präsidenten. "Man setzt Vladimir Putin keine Grenzen. Er ist ein großer Staatschef, eines der größten Länder der Welt", so Éric Zemmour am 24. Februar 2022. "Man muss ihn anerkennen und respektieren."

Antoine trifft sich in einer Brasserie mit seinem Team. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind die Umfragewerte ihres Kandidaten deutlich abgesackt. Lagebesprechung für den Wahlkampfendspurt. Die Strategie: Besser gar nicht über Russland oder die Ukraine reden. "Der Ukraine-Krieg ist furchtbar, keine Frage. Das heißt aber nicht, dass man deswegen die Probleme der Franzosen vergessen darf, nur weil die Ukraine leidet."

Marine Le Pen: Handschlag mit Putin

Handschlag Marine Le Pen mit Wladimir Putin
Verbindungen zu Russland werden jetzt zum Problem | Bild: SWR

Auch bei der Rechtsaußen-Partei Rassemblement National will man lieber über Kaufkraft und Migration reden als über Russland: Marine Le Pen tritt zum dritten Mal an und gilt als härteste Konkurrentin Macrons – trotz ihrer Verbindungen zu Russland. Jahrelang wurde ihre Partei mit russischen Krediten finanziert – und diese Bilder machen Probleme: Schulterschluss 2017 mit Vladimir Putin in Moskau. Ein Handschlag, den Le Pen heute am liebsten ungeschehen machen würde. Über eine Millionen Wahlkampf-Broschüren, in der sie mit Putin abgebildet ist, hat sie vernichten lassen. Le Pen, beim Besuch der Landwirtschaftsmesse in Paris, gibt sich selbstbewusst, glaubt weiter an ihre Chance. "Ja, das glaube ich, weil die Franzosen bei den Wahlen nicht nur über die nächsten Wochen zu entscheiden haben, sondern über die nächsten Monate und Jahre."

Für Delphine läuft es objektiv besser. Macrons Umfragewerte sind hoch. Und diese Woche hat er auch endlich sein Programm angekündigt. Er will Chancengleichheit stärken, Steuern senken, aber auch das Rentenalter erhöhen. Darauf hat sie lange gewartet. "Im Programm gibt es dieses Gleichgewicht zwischen Sozialem und Liberalem, zwischen Vertrauen in die Wirtschaft und Schutz von denen, die es nötig haben." In den nächsten Wochen wird Delphine für ihren Kandidaten kämpfen. Der Wahlkampf, sagt sie, hat gerade erst begonnen.

Autorin: Friederike Hoffmann, ARD-Studio Paris

Stand: 21.03.2022 09:13 Uhr

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