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Israel: Annexion mit Rückendeckung der USA

PlayEin israelischer Soldat hält in einem Wachturm am Kontrollpunkt Tapuach in der Nähe der Stadt Nablus im Westjordanland Wache
Israel: Annexion mit Rückendeckung der USA | Bild: dpa / picture-alliance

"Ich will hier leben, in einem jüdischen Staat", sagt Oded Revivi. Seit 1994 lebt der jüdische Siedler im Westjordanland und hofft, dass Netanjahu diesen Teil des Westjordanlands endlich dem Staat Israel einverleibt. Ein Drittel der besetzten Gebiete könnte er nach dem "Trump-Plan" für die Region dem jüdischen Staat zuschlagen.

Noch zögert die Regierung in Jerusalem. Aber die Stimmung ist angespannt. Die Palästinenserin Samja El A’arj lebt direkt an der Mauer zu Israel. Das wäre das Ende, meint sie. Jahrelang haben wir für unsere Landrechte gekämpft. Es war hart, aber mit der Annexion wäre alles umsonst gewesen. Völkerrechtlich umstritten, heizen die Annexionspläne die Stimmung in der Region noch mehr auf.

Oded Revivi, Bürgermeister einer israelische Siedlung im Westjordanland

Oded Revivi
Oded Revivi | Bild: SWR

"Ich bin Oded Revivi, ich bin Bürgermeister von Efrat. Einer Stadt mit 16.000 Einwohnern, südlich von Jerusalem und Bethlehem. Ich bin 1994 hierhergezogen, seitdem sind meine sechs Kinder hier geboren. Ich lebe hier also hier mit meiner Frau Lisa, ziehe meine Kinder groß, das ist unsere Heimat. Hier leben wir. Und hier planen wir unsere Zukunft. Warum? Weil hier in Judäa und Samaria die Wurzeln des jüdischen Volkes sind. Unsere Geschichte ist mit diesem Land verbunden. Deshalb haben alle unsere Regierungen entschieden, dass wir hier Wohneinheiten, Schulen, Einkaufszentren bauen. Und um unser Volk zu stärken, führen wir diese Mission fort."

 "Warum sollte ich die Araber hassen? Warum? Es gibt Araber, auf die würde ich mich mehr verlassen als auf die Juden. Mein Großvater war Baumeister in Jerusalem. Sein Wachmann und Fahrer war Ahmed. Und Ahmed ist ein wichtiger Teil meiner Kindheitserinnerungen. Er war mein Babysitter und erster guter Freund. Aber zu meinem Leidwesen und dem der Palästinenser selber, haben sie keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen. Sie haben den früheren Plänen nie zugestimmt. Sie wollten alle Juden ins Meer jagen. Der Staat Israel hat sich ausgeweitet und sie haben sich allen Friedensplänen verweigert."

Häuser der Siedlung Efrat
Efrat, israelische Siedlung im Westjordanland | Bild: SWR

"Ich glaube, dass der Trump-Plan ein guter Plan ist. Eine der Stärken des Planes ist in meinen Augen, dass keiner aus seinem Haus vertrieben werden kann. Dass Juden hier leben sollen und auch Araber. Damit das möglich wird, müssen aber die Palästinenser erst von Wölfen zu Schafen werden. Trumps Plan sagt den Palästinensern: Wenn ihr weiterhin die Gelegenheit verpasst, wird am Ende nichts für Euch übrigbleiben."

 

Samja El A’arj, Gemeinderatsmitglied im palästinensischen Dorf Al-Walaja

Samja El A’arj
Samja El A’arj | Bild: SWR

"Mein Name ist Samja El A’arj, ich lebe im Dorf Al-Walaja in Palästina. Gemeinderatsmitglied, verheiratet, fünf Kinder. Hier im Dorf leben noch etwa 3.000 Menschen. Aber die Flüchtlinge aus Al-Walaja sind um die 30.000. Sie leben heute in Flüchtlingslagern, in Jordanien oder anderen arabischen Ländern. Denn 1948 war dies ein großes Dorf mit 1.770 Hektar. Nach dem 6-Tage-Krieg und nachdem die Israelis die Siedlung hinter uns und die Mauer gebaut haben, sind nur noch 300 Hektar übrig.  Natürlich sind wir gegen den Trump-Plan und die Annexion. Sie haben uns doch sowieso schon so viel Land weggenommen. Was bleibt uns noch? Täglich werden bei uns Häuser zerstört. Als kleines Mädchen habe ich von einem eigenen Zimmer geträumt. Unsere ganze Familie hatte damals nur ein großes Zimmer zum Wohnen und Schlafen. Meine Eltern haben jahrelang für ein Haus gespart. 1989, als ich 10 Jahre alt war, hat die Armee unser neu gebautes Haus und damit auch meinen Traum zerstört."

Mauer mit Stacheldraht
Grenzmauer zwischen Israel und dem Westjordanland | Bild: SWR

 "Ja, es gibt auch ein paar Jungs hier aus dem Dorf, die Steine auf sie geworfen haben. Ich sage nicht, dass ich das gut finde. Aber es ist unser Recht, dass wir unser Land verteidigen. Sie haben das Meer in Jaffo, in Haifa... Meine Kinder kennen das Meer nur aus dem Fernsehen. Sie sagen zu mir: 'Mama, ich möchte das Meer sehen.' Aber wir können ja nicht hin. In unserem Dorf steht einer der weltweit ältesten Olivenbäume, sagen japanische Forscher. Er soll zwischen 4.500 und 5.000 Jahre alt sein. Er symbolisiert für mich meine Wurzeln, auch Frieden und Hoffnung. Aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, worauf wir zusteuern. Unsere Situation wird schlecht und schlechter."

 

Shaul Arieli, israelischer General der Reserve

Shaul Arieli, israelischer General der Reserve
Shaul Arieli | Bild: SWR

"Mein Name ist Shaul Arieli, ich bin General der Reserve, habe 25 Jahre in der Armee gedient, ich war auch verantwortlich für Gaza und ich war der Chef des israelischen Friedensverhandlungs-Teams mit den Palästinensern im Büro des Premierministers. Heute bin ich in fast andauernden Kontakt mit der palästinensischen Führung in Ramallah. Der Trump Plan hat keine Chance umgesetzt zu werden. Da er ausschließlich zwischen Israel und der Trump-Administration vereinbart wurde. In der absehbaren Zukunft werden wir keinen palästinensischen oder arabischen Partner für diesen Plan finden."

"Eine einseitige Annexion wäre sowohl für die Palästinenser als auch für die Israelis eine Katastrophe. Sie würde für Israel unmöglich zu bewältigende wirtschaftliche Belastungen und auch Sicherheitsprobleme bringen. Wenn es zu einem Apartheitsregime kommt, dann werden gebildete und junge Israelis das Land verlassen. Der Staat Israel würde in einer anderen Gesellschaft untergehen, ärmer und nicht mehr demokratisch, das wäre das Ende der zionistischen Vision."

Aufgeschlagenes Buch mit Landkarte des Westjordanlandes
Das Westjordanland ist seit 1967 von Israel besetzt – ein Teil steht seit 1994 unter palästinensischer Verwaltung | Bild: SWR

"Ehrlich gesagt, leben zwei meiner Brüder in Judäa und Samaria, sie sind direkt nach dem 6-Tage-Krieg dort hingezogen. Aber ich könnte dort nicht leben. Weil ich denke, dass dies das Land eines palästinensischen Staates sein sollte. Ich glaube, dass viele Menschen in Israel so denken wie ich. Zu meinem Bedauern werden sie immer gleichgültiger und politisch weniger aktiv. Ich versuche die Menschen zu überzeugen: „Ihr müsst aufwachen und wieder die Kontrolle übernehmen. Um Israel so zu gestalten, wie es einmal im Sinne unserer Gründungsväter war!"

Autorin: Susanne Glass, ARD-Studio Tel Aviv

Stand: 12.07.2020 22:27 Uhr

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