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Jemen: Ein zerstörtes Land

PlayJemen: Über zwei Millionen Kinder leiden in Jemen an Unterernährung
Jemen: Ein zerstörtes Land | Bild: WDR

Er diskutiert mit seinen Arbeitern, ob und wie es weitergehen kann. Sadiq Mohammed, stellvertretender Direktor, hat keine Antworten. Die Zementfabrik ist zerstört, die Produktion steht still. Schuld sind die Luftangriffe der von Saudi Arabien geführten Militär-Koalition. "Die Flugzeuge fliegen die ganze Zeit über die Fabrik. Wir sind ständig Ziel von Angriffen."

Als sie die Schäden des ersten Angriffs reparieren wollten, gab es einen zweiten, erzählt Sadiq Mohammed. 15 Mitarbeiter seien dabei getötet worden. "Wir wurden bombardiert, damit die Fabrik nicht mehr produzieren kann, damit man Hunger schafft! Darum geht es. Die Menschen im Jemen sollen hungern!"

Sadiq Mohammed versichert uns, die Fabrik habe niemals Zement für den Bau militärischer Einrichtungen geliefert. Wenn das stimmt, hätten die Angriffe gegen das Völkerrecht verstoßen, denn danach dürfen zivile Ziele nicht angegriffen werden.

Infrastruktur ist zerstört vom Krieg

Jemen: 500 Kinder im Jemen wurden im Krieg getötet
Jemen: 500 Kinder im Jemen wurden im Krieg getötet | Bild: WDR

Fakt ist: Alle Arbeiter haben ihren Job und ihr Einkommen verloren. Und ohne Zement kann die im Krieg zerstörte Infrastruktur nicht wieder aufgebaut werden. Wie zum Beispiel die vielen Brücken, die die Hauptstadt Sanaa mit der Hafenstadt Hudaydah verbinden. Alle zwölf Brücken – zerstört.

Lebensmittel können deshalb nicht zu den hungernden Menschen transportiert werden. Auch Hudaydah ist ebenfalls immer wieder Ziel von Attacken der saudischen Militär-Koalition. Der Hafen hier ist der wichtigste Umschlagplatz lebenswichtiger Gütern für den Norden Jemens.

Amer Hasan hat einen Luftangriff selbst erlebt, als der Krieg vor zwei Jahren begann. In einer Fabrik für Milchprodukte. Dort dürfen wir nicht drehen, weil der Besitzer weitere Angriffe fürchtet, falls Kamerateams auftauchen würden. Dies sei, so sagt er, in der Vergangenheit passiert.

Dafür berichtet Amer. "Ich habe in der Milchfabrik hinter mir gearbeitet, als sie aus der Luft angegriffen wurde. Sieben Menschen starben dabei, 13 wurden verletzt. Die Produktion steht seit dieser Zeit still."

Über zwei Millionen Kinder leiden im Jemen an Unterernährung

Jemen: Über zwei Millionen Kinder leiden in Jemen an Unterernährung
Jemen: Über zwei Millionen Kinder leiden in Jemen an Unterernährung | Bild: WDR

Eine Fabrik, die Milchprodukte herstellt, ist kein militärisches Ziel. Bombardierungen ein Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht. Amer geht in das Zentralkrankenhaus von Hudaydah, er will ein Grippemittel für seine Kinder kaufen. Medikamente sind seit der See und Luftblockade durch die Militärkoalition Saudi Arabiens sehr teuer geworden.

"Ich habe schon an vielen Orten nach Arbeit gesucht, aber nix gefunden. Zwei meiner Brüder leben im Ausland, denen habe ich natürlich meine Situation geschildert und die schicken mir wieder mal Geld, so dass ich mir Medizin leisten kann und Lebensmittel für meine Frau und meine beiden Kinder", erzählt Amer.

Ein paar Etagen höher im Krankenhaus. Die verzweifelte Mutter schildert, dass ihre Tochter seit gestern Fieber hat und starken Durchfall. Über zwei Millionen Kinder leiden im Jemen an Unterernährung. Knapp eine halbe Million Kinder sind stark unterernährt, das heißt sie müssen sofort medizinisch behandelt werden, sonst sterben sie.

"Medikamente sind knapp, es fehlen Ersatzteile für medizinisches Gerät. Wir arbeiten hier unter sehr schwierigen Bedingungen. Ganz ehrlich: das ist ein harter Kampf dieses Krankenhaus am Laufen zu halten, aber nur so können auch diese Kinder überleben", berichtet der Kinderarzt Abdullah Zuhairi.

Amer würde gerne mit seiner Familie das Land verlassen

Jemen: Die Menschen im Jemen haben keine Arbeit und nichts zu essen
Jemen: Die Menschen im Jemen haben keine Arbeit und nichts zu essen | Bild: WDR

Auch wenn sie überleben, werden je nach Dauer der Unterernährung Hirn-Schäden zurückbleiben. Im Hafen sucht Amer nach Arbeit und fragt Ali al-Baradoni, Chef des Container-Terminals, ob er ihm weiterhelfen kann. Er schildert ihm seine Situation. "Das tut mir leid, dass du deine Arbeit in der Milch-Fabrik verloren hast. Aber hier ist es das Gleiche. Ein paar Arbeiter sind gestorben als die saudische Koalition die Krananlagen bombardiert hat. Tut mir leid aber ich kann dir keine Arbeit geben", sagt Ali al-Baradoni.

Die UN wollte die defekten Kräne durch neue ersetzen damit im Hafen wieder humanitäre Hilfe entladen werden kann. Doch dies hat Saudi Arabien bisher verhindert. Amer würde gerne mit seiner Familie das Land verlassen. Doch eine Flucht ist extrem schwierig. Im Norden ist die saudi-arabische Grenze dicht. Der Luftraum und der Seeweg sind durch das saudi-arabische Militär blockiert. Die Jemeniten sind auf der arabischen Halbinsel regelrecht gefangen.

Autor: Alexander Stenzel / ARD Studio Kairo

Stand: 14.07.2019 04:27 Uhr

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