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Neuseeland: Das klimaneutrale Schaf

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Neuseeland: Das klimaneutrale Schaf | Bild: SWR

Auf fünf Millionen Einwohner kommen in Neuseeland 10 Millionen Kühe und 26 Millionen Schafe. Rund die Hälfte seiner Treibhausemissionen kommen von den Farmen des Landes. Rülpsende und pupsende Tiere sind für 90 Prozent des Methangas-Ausstoßes Neuseelands verantwortlich. Aber wie bekommt man Schafe und Kühe dazu, weniger zu rülpsen und zu furzen?

Rülpsen und furzen für die Wissenschaft

Diese Schafe rülpsen und furzen für die Wissenschaft. Für eine Stunde müssen sie heute in die Versuchskammern der Forschungsfarm Invercargill. Und dabei jede Menge dicke Luft produzieren. Dabei soll sich zeigen, welche Tiere die größten Stinker sind und welche einen vergleichsweise frischen Atem haben. Denn so stellt Wissenschaftlerin Suzanne Rowe gleich erst mal klar: 90 Prozent des Methangases kommt bei den Wiederkäuern aus dem Maul und nicht aus dem Hintern. "Ich messe immer wieder die Atemluft in der Kammer. Und vergleiche das mit all den anderen Schafen hier. So kann ich dann eine Rangliste erstellen. Denn einige Tiere verdauen etwas anders und stoßen viel mehr Methangas aus als die anderen. Und wir wollen die herausfinden, die am wenigsten ausstoßen."

Wissenschaftlerin Suzanne Rowe mit Messgerät
Suzanne Rowe misst die Atemluft der Schafe | Bild: SWR

Und die werden dann weiter gezüchtet. Seit 11 Jahren hat die Wissenschaftlerin bereits die Mission, die zum Himmel stinkt. Und nach drei Generationen atmet ihre Herde inzwischen 13 Prozent weniger Methangas aus als am Anfang des Versuchs. "Bei Methangas können wir sehr schnell etwas bewirken. Wenn wir das Methangas in der Atmosphäre verringern, haben wir sehr schnell eine Veränderung. Bei CO2 dagegen ist das eher langfristig zu sehen. Deswegen ist das eine Riesenchance für Viehzüchter eine echte Veränderung zu bewirken."

Das Ziel: weniger klimaschädliches Methan

Etwa eine Stunde entfernt von der Versuchsstation liegt die Farm von Leon Black, Schafzüchter in der vierten Generation. Er ist einer der ersten Farmer, der das Zucht-Prinzip der Wissenschaftlerin auf seiner Farm in die Praxis umsetzt. Er züchtet Schafe mit dem besseren Atem. Ihm war wichtig, dass seine 5.000 Tiere nicht nur weniger Mundgeruch haben, sondern mindestens genauso viel Fleisch und Wolle abwerfen. "Ich hatte immer die Hoffnung, dass ein effizienterer Wiederkäuer, mit einer effizienteren Maschine sozusagen, mehr Energie für Milch, für die Wolle, für Fleisch frei hat. Und das scheint in der Tat so zu sein. Wir suchen Tiere heraus, die die Nahrung besser verdauen, weniger Methan ausstoßen und besser wachsen. Das ist eine Win-Win-Situation."

Schafzüchter Leon Black bei seinen Schafen
Schafzüchter Leon Black züchtet Schafe mit klimafreundlichem Atem  | Bild: SWR

Solche Win-Win-Situationen werden dringend gebraucht im Land der Schafe, dass unbedingt bis 2050 klimaneutral werden will. Die Regierung investiert deshalb inzwischen Millionen in die Entwicklung neuer Technologien in der Landwirtschaft wie hier auf dem Campus Palmerston North. Neil Wedlock arbeitet seit 15 Jahren an einem weiteren vielversprechenden Projekt, einer Impfung gegen Methangase in Tieren. Schafen genauso wie Kühen. "Wir arbeiten seit geraumer Zeit daran und wir machen gute Fortschritte, Wir haben schon nachgewiesen, dass man Tiere impfen kann und sie Antikörper gegen Methanogene produzieren. Wir haben in Versuchen nachgewiesen, dass sie genug Antikörper produzieren, dass sie theoretisch alle Methanogene im Magen umschließen können."

Protest gegen die Emissionssteuer

Doch auf die neue Anti-Rülpser-Spritze wollte Ex-Premierministerin Jacinda Ardern nicht warten und legte sich für ihre Klimaziele mit den Bauern an. Ihre regierende Labour-Partei will, dass die Methangase von Kühen und Schafen, bis 2050 um bis zu 47 Prozent sinken. Deshalb sollen die Farmer ab 2025 eine Emissions-Steuer zahlen. Eine Welt-Neuheit. "Neuseelands Landwirte werden die ersten sein werden, die Emissionen reduzieren", sagte Ardern im Oktober 2022. "Das verschafft unserem wichtigsten Exportmarkt einen Wettbewerbsvorteil, denn die Verbraucher in der Welt werden anspruchsvoller, wenn es um die Herkunft ihrer Lebensmittel geht." Doch längst nicht alle können die Idee der Regierung riechen. "Steck dir die Furz-Steuer in den Arsch" und "Ja, Eure Furz-Steuer stinkt". Viele Farmer fürchten die Kosten und das Ende der Landwirtschaft, dem wichtigsten Exportsektor Neuseelands.

Protest-Schild bezüglich der Emissions-Steuer
Viele Landwirte sind unzufrieden über die Emissions-Steuer  | Bild: SWR

Zurück bei Schaffarmer Leon Black. Auch er ist stinksauer auf die Pläne der Regierung. Ungerecht sei die Steuer. Selbst er mit seinen sauberen Turbo-Schafen würde er der Steuer nicht entgehen. Vielen Landwirten bleibe dann nur, ihre Herden zu verkleinern. Dabei gehören Neuseelands Schaffarmer schon jetzt zu den umweltfreundlichsten der Welt. "Klar ist das noch Luft nach oben, Aber die 40 oder 50 Prozent der Regierung sind magischer Bullshit. Ich bin total enttäuscht. Ich bin für Wissenschaft und keine Träumereien."

Auf der Versuchsfarm ist der Atemtest für diesen Tag beendet. Wissenschaftlerin Suzanne Rowe kann die Bedenken der Farmer nachvollziehen, aber sie sieht auch das Potential in ihren Superschafen. Neuseeland könne weltweit zum Vorreiter der Schafzucht werden. "Wir wissen noch nicht, wo die Grenze ist. Wir wissen nur, dass wir hier mit unseren Herden bei der Zucht sehr schnell Fortschritte machen. Mit 2-3 Prozent weniger Methangas pro Jahr. Das ist bemerkenswert." Und was bei Neuseelands Schafen schon funktioniert, soll nun auch bei anderen Wiederkäuern getestet werden. Demnächst sollen auch Kühe für ein besseres Klima – pupsen, aber vor allem rülpsen.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur

Stand: 06.02.2023 15:17 Uhr

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