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Russland: Raum für Politik

PlayJugendliche bei einer Diskussionsveranstaltung
Russland: Raum für Politik | Bild: BR

Eine Veranstaltungslocation im Moskauer Hipster-Stadtteil Kitaj-Gorod: Kirill Nenaschew ist einer der Gründer des “Raums für Politik”, einer Diskussionsreihe, so frei, wie es sie in Russland kaum noch gibt. Kirill sagt, es sei ein furchtbares Jahr für Russland gewesen. Selbst in der Metro redeten die Menschen leiser als früher: “Ich fahre oft ins Ausland. Wenn ich in Europa oder in Georgien aus dem Flughafen rauskomme, atme ich erstmal tief ein. Das Atmen fällt dort so viel leichter. Hier in Russland hast du Angst: du gehst ins Bett und überlegst, ob jemand um fünf Uhr morgens mit einem Durchsuchungsbefehl zu dir kommt. Eine ständige Anspannung.”

Junge Diskussion

Doch sie schreckt das nicht ab: Etwa 40 junge Leute diskutieren in verschiedenen Formaten: Mal offene Fragestellung, mal Lösung einer Aufgabe, dann Pro und Contra. Die heute heiklen Themen haben die Teilnehmer selbst gewählt. Private Militärfirmen oder die Frage: “Warum hat es angefangen?” Gemeint ist der Krieg. Bei der Wortwahl müssen sie kreativ sein.

Jegor, Diskussionsleiter “Raum für Politik”: “In der Ankündigung können wir weder Krieg noch Spezialoperation schreiben. Das würde unnötig Aufsehen erregen. Wir wollten die Diskussion erst ‚Katastrophe‘ nennen, haben uns dann aber für ‚Straschnoe‘, ‚das Entsetzliche‘ entschieden, weil das so ein allgemeines Gefühl ist, das sehr gut beschreibt, was derzeit geschieht.”

Seit fünf Jahren gibt es sie, früher in acht russischen Städten. Doch im vergangenen Jahr bekamen die Veranstalter mancherorts Probleme, auch hier in Moskau haben sie zwei Monate pausiert – und es dann einfach wieder probiert, mit Erfolg.
Kirill Nenaschew, Initiator “Raum für Politik”: “Wir sind im Grunde kein Oppositionsprojekt, denn bei uns kommen verschiedene Meinungen vor. Alle Sichtweisen haben ihre Berechtigung. Zu uns kann auch jemand kommen und sich für Putin aussprechen. Aber aus irgendeinem Grund kommen diese Leute nicht, sie wollen wohl keine Stellung beziehen.”

Die offizielle Propaganda

Putins Anhänger lassen sich eher auf solchen Veranstaltungen begeistern: Bis zu 200.000 Menschen, viele aus staatlichen Einrichtungen oder Firmen, diese Woche im und um das Moskauer Luschniki-Stadion. Ganz Russland unterstütze die russischen Soldaten in der Ukraine, sagt Putin. Veteranen und angeblich befreite Ukrainer treten auf. Die Botschaft: Russlands Gesellschaft solle geschlossen die sogenannte militärische Spezialoperation unterstützen.

Bei der Veranstaltung “Raum für Politik” suchen die Teilnehmer dagegen die kontroverse Diskussion. Teilnehmerin Polina: “Bei uns ist die Gesellschaft immer stärker polarisiert. Es ist unklar, wie man damit umgehen soll. Ich denke, wenn wir reden, dann verstehen wir einander.” Teilnehmer Timur: “Wir brauchen Dialog, denke ich. Ich bin kein riesiger Verfechter der offenen Gesellschaft, aber einige Dinge muss man besprechen, sonst hängen die so in der Luft. Das wird dann seltsam und unangenehm.”

Initiator Kirill Nenaschew ist mit dem heutigen Diskussionsabend zufrieden. Er hofft auch, dass seine Diskussionsreihe in Moskau erhalten bleibt und viele kommen, die sich ihre eigenen Gedanken zur Politik machen und diese auch äußern. Dennoch bleiben sie skeptisch. Bis sich in Russland etwas ändert, werde es lange dauern, glauben sie hier.

Autor: Demian von Osten, ARD Moskau

Stand: 26.02.2023 18:44 Uhr

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