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Saudi-Arabien: Was sich ändert, wenn Frauen Auto fahren dürfen

PlayFrauen mit Helm in Rallye-Auto
Saudi-Arabien: Was sich ändert, wenn Frauen Auto fahren dürfen | Bild: SWR

Saja Kamal hat immer von einem Autorennen für Frauen in ihrem Heimatland geträumt. Nun ist ihr Traum Wirklichkeit geworden. Mit ihrer Freundin Elham heizt sie durch die größte Sandwüste der Welt. Vor vier Jahren ist Saja zum ersten Mal überhaupt am Steuer gesessen, erst seit 2018 dürfen Frauen im Königreich Auto fahren.

Nun ändert sich das Leben für Frauen wie Saja im Eiltempo. Kein Kopftuch, kein Umhang, ein westlicher Kleidungsstil – in den großen Metropolen wie Riad ist dies nun möglich. Die saudischen Machthaber gestehen den Frauen etwas mehr Freiheiten zu. Aber was denken die saudischen Männer vom Wandel in der Gesellschaft?

Die erste Frauen-Rallye in Saudi-Arabien

Die Zahlen und Pfeile richtig zu interpretieren, ist gar nicht so einfach. Trainerin Iole erklärt den angehenden Rennfahrerinnen Elham und Saja, wie sie sich in der Wüste orientieren können. Saja und Elham sind neu im Motorsport. Die beiden saudi-arabischen Frauen bereiten sich auf ihr erstes Rennen vor. Es wird ein Historisches werden: sie nehmen an der allerersten Frauen-Rallye in Saudi-Arabien teil. "Auto fahren ist etwas Neues für uns, wir dürfen es ja erst seit wenigen Jahren. Aber die Wüste fühlt sich an wie unser Vorgarten, wir sind hier früher heimlich gefahren. Jetzt sind wir mega aufgeregt, dass es endlich das erste offizielle, legale Rennen gibt."

Elham am Steuer
Elham bei der letzten Trainingsfahrt  | Bild: SWR

Es ist die letzte Trainingsfahrt vor dem großen Rennen. Am Steuer: Elham, 32 Jahre. Ihre Co-Fahrerin, Saja ist 34, sie liebt das Adrenalin, das Fahrtenbuch eher weniger. Die befreundeten Frauen auf ihr erstes Rennen vorzubereiten, ist für Iole aus dem motorsport-verrückten Italien eine große Ehre. Sie weiß, die Voraussetzungen sind hier völlig andere. "Die nötige Leidenschaft haben sie auf jeden Fall, aber weil das Wetter so heiß ist, ist Training nicht das ganz Jahr über möglich, es gibt nicht so viele Werkstätten wie zum Beispiel in Italien und es gibt mehr Herausforderungen. Der Vorteil ist: sie haben hier die schönste Wüste der Welt."

Erst seit 2018 dürfen Frauen überhaupt Autofahren

Es ist eine Zeitenwende im Königreich. Lange konnten nur Männer ihre Liebe für schnelle Autos ausleben. Bis 2018 waren saudi-arabische Frauen die einzigen weltweit, die nicht Auto fahren durften. Vor vier Jahren der politische U-Turn. Die Mächtigen im Land um Kronprinz Mohammed Bin Salman gestehen als Teil der Vision 2030 Frauen nun etwas mehr Freiheiten zu. Ein Königreich der Menschenrechte ist das Land aber weiterhin nicht, die freie Meinungsäußerung ist eingeschränkter denn je. Frauenrechtlerinnen wie Lojan Al-Hathloul, die sich einst für die Fahrerlaubnis von Frauen eingesetzt hat, kämpfen mit Repressionen. Al-Hathloul darf seit Jahren Saudi-Arabien nicht verlassen.

Autos auf mehrspuriger Strasse
Hier dürfen seit 2018 auch Frauen fahren  | Bild: SWR

Saja vermeidet allzu kritische Töne. Sie genießt den Wandel im Land. Kein Kopftuch, kein Umhang, ihr westlicher Kleidungsstil ist im öffentlichen Raum trotz der Blicke der fremden Männer mittlerweile erlaubt. Und dennoch: von Gleichberechtigung sind sie weiter weit entfernt. "Bei der Scheidung gibt es Hindernisse, wenn es um die Kindererziehung geht, es gibt Probleme bei der Behandlung von Frauen am Arbeitsplatz. Und im Sport sind wir eine Minderheit. Aber ich denke, das ist universell eine schwierige Sache."

Manche Männer sehen den Wandel im Land skeptisch

Die größten Hindernisse seien aber nicht immer automatisch die Männer: "Einige Frauen durften sich in ihrer Generation nicht ausleben und meinen nun, sie sollten bestimmte Dinge ihren Töchtern nicht beibringen", meint Saja. "Meine Mutter wollte, dass ich etwas Mädchenhaftes wie Ballett lerne, aber meine Botschaft ist: das Geschlecht sollte beim Sport keine Rolle spielen." Ein Kraftakt die gesellschaftlichen Normen aufzubrechen. In einem Fitnessstudio in Riad können Männer und Frauen gemeinsam trainieren. Als Saja und Elham klein waren, wäre das völlig undenkbar gewesen. Das Jahresabo im Fitnessstudio kostet 13.000 Dollar. Für die wohlhabenden Businessfrauen kein Problem. Sie bringen sich in körperliche Topform. Ihr großes Rennen steht ganz kurz bevor.

Rallye-Teilnehmerinnen Elham und Saja
Elham und Saja bestreiten ihr erstes Rennen | Bild: SWR

Früh morgens, kurz vor sechs. Die Sonne geht auf über Hail – einer Stadt im Norden des Landes. Es ist Austragungsort der erster Frauen-Rallye. In der Moschee machen sich die Männer Gedanken zum Wandel in ihrem Land. Die Meinungen gehen auseinander. Einige hegen Vorbehalte. Viele begrüßen die autofahrenden Frauen. "Wir ermutigen die Frauen, zu fahren", sagt Ahmed Thamer Al-Rashidi. "Wir stehen an ihrer Seite." Und Waleed Al-Zamil meint: "Es geht zu schnell, weil wir haben unsere eigenen Traditionen, unsere eigenen Maßstäbe."

Ein Stück Motorsport-Geschichte

Wenige hunderte Meter weiter herrscht auf einem Parkplatz reges Treiben. 68 Fahrerinnen mit dem letzten Fine-Tuning, und für viele mit am wichtigsten: das perfekte Video für Instagram. Nur zwei Fahrerinnen fehlen. "Ich versuche die Mädels anzurufen, um zu sehen, wo sie sind", sagt Iole. Sind Sie nicht da? "Das Rennen startet in 10 Minuten. Für Saudi-Zeit ist aber noch alles ok, oder?" Zur Beruhigung ihrer Trainerin taucht Saja dann doch noch rechtzeitig auf.

Auto bei Rallye in Wüste
Am Ende kommen Elham und Saja als sechste ins Ziel  | Bild: SWR

Ein besonders stolzer Moment für Saja und Elham: als sie ihre Namen mit der Flagge ihres Landes auf ihr Auto kleben. Zum Posen ist dann auch noch kurz Zeit und erst in allerletzter Sekunde vor dem Start widmet sich Saja dann der Hauptaufgabe ihres Tages: dem Fahrtenbuch. Das Rennen führt durch Rob Al Khali, die größte Sandwüste der Welt. Der Wagen mit der Nummer 12 hält sich gut und kommt mit Saja und Elham als 6. ins Ziel. "Es war unglaublich, die Landschaft war spektakulär”. Saja hat sich bei der holprigen Fahrt am Kopf gestoßen. "Als mir schwindlig war, musste Elham gleichzeitig fahren und das Fahrtenbuch lesen. Diese Erfahrungen sind Bewährungsproben als Team. Ich bin so glücklich, dass wir Verantwortung für uns übernehmen, dass wir es geschafft haben. Ich bin so mega stolz auf uns und alle die anderen Mädels." Stolz, Freude und ein Brummschädel. Es hat sich gelohnt: diese Frauen haben ein Stück Motorsport-Geschichte geschrieben.

Autor: Ramin Sina, ARD-Studio Kairo

Stand: 29.05.2022 22:00 Uhr

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