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Saudi-Arabien/Irak: Verfall des Ölpreises      

PlayKhurais-Ölfeld in Saudi-Arabien
Saudi-Arabien/Irak: Verfall des Ölpreises       | Bild: dpa / picture-alliance

Diesel unter einem Euro, das ist auch eine der Auswirkungen der Corona-Pandemie. Was den deutschen Autofahrer freut, lässt die Ölförderländer vor Angst erstarren. 60% weniger bekommen sie für ein Fass Öl. Das ist besonders bitter für die Staaten, deren Haushalt zum Großteil am Ölexport hängt. Im Irak sind die ersten Öl-Arbeiter schon entlassen und Saudi-Arabien lebt vom Ersparten. Der Staatshaushalt ist nur bei einem Ölpreis von über 85 Dollar pro Fass ausgeglichen, derzeit erzielt ein Fass aber nur rund 25 Dollar.     

Im Irak drohen Unruhen und Proteste

Seit 17 Jahren schon fährt Waad Taleb diese Strecke jeden Tag. Vom Wirtschaftsministerium durch eines der ärmsten Viertel Bagdads zu sich nach Hause. 280 Euro verdient der Beamte mit seinem Job pro Monat. Wegen der Ölkrise sind es künftig 100 weniger. Ein bitterer Einschnitt. Wie er damit seine Familie noch durchbringen soll, ist ihm schleierhaft. "Ich will meine Kinder gut erziehen, ihnen eine Ausbildung, eine Zukunft ermöglichen. Wenn ich das nicht mehr kann, was soll ich tun? Mit meinem ältesten Sohn Haidar, mit Murtad, Zahra, Benim? Ich werde wohl ein Kind aufgeben müssen, aus der Schule nehmen."

Waad Taleb mit seiner Familie
Waad Taleb sorgt sich um die Zukunft seiner Kinder | Bild: SWR

Am Öl hängt das Wohl und Wehe des Irak. Etwa 90% der Staatseinnahmen stammen aus Geschäften mit dem schwarzen Gold. Fließen in den aufgeblähten Staatsapparat mit Millionen Beschäftigten. Seit dem Einbruch der Öl-Preise fehlen im Haushalt jeden Monat 4,2 Milliarden Euro. Brechen Gehälter ein und Jobs weg, drohen neue Unruhen. Schon jetzt liegt die Zahl der Arbeitslosen bei mehr als 36%. Die Infrastruktur ist marode. Die neue Regierung hat kaum Rückhalt in der Bevölkerung. "All das wird die Wut und Unzufriedenheit in weiten Teilen der irakischen Bevölkerung vergrößern" erklärt der Rohstoffexperte Ahmed Kandil. "Deshalb wird es zu größeren Protesten gegen die Regierung schon in naher Zukunft kommen."

Es ist die schlimmste Ölkrise seit den 70er Jahren. Ein historischer Einbruch um etwa 60 Prozent auf gerade noch 25 Dollar. Kurzzeitig sackte der Ölpreis gar ins Minus. Eine Folge der enormen Überkapazitäten weltweit wegen der Corona-Pandemie. Für die arabische Welt eine Hiobsbotschaft. "Ohne Frage wird die Armut zunehmen", sagt Ahmed Kandil, "werden mehr Menschen Hunger leiden, wenn die Regierungen in der Region ihre öffentlichen Ausgaben zusammenstreichen, ebenso wie die Subventionen auf Nahrungsmittel und Öl. Viele Menschen werden deshalb auch ihren Job verlieren.”

Der Islamische Staat meldet sich zurück

Der Öl-Schock trifft Saudi-Arabien besonders hart. Im Haushalt fehlen 8,1 Milliarden Euro. Neue Kredite und Kürzungen sollen das Loch stopfen. Es dürfte auch Staatsbedienstete treffen. An deren Loyalität aber hängt das Königreich und Kronprinz Mohammed. Dessen Vision 2030 droht zu zerbröseln. Mit Reformen und Prestigeprojekten wie der neuen Technologiestadt Neom wollte er Saudi-Arabien modernisieren, vom Öl unabhängig machen. Dafür fehlt nun das Geld. "Diese Krise wird die Vision 2030 von Kronprinz Mohammed treffen. Viele Projekte werden eingestellt oder verschoben werden" so Experte Kandil. "Das Neom-Projekt kostet mehr als 500 Milliarden Dollar. Dahinter steht jetzt ein dickes Fragezeichen.”

Trümmer nach Anschlag durch den Islamischen Staat
Die Terrormiliz IS hat wieder zugeschlagen | Bild: SWR

Am Tropf Saudi-Arabiens wiederum hängen auch Ägypten und Jordanien. Kronprinz Mohammed unterstützte Präsident Sisi und König Abdullah II mit Milliardensummen. Tausende Arbeiter aus ärmeren Ländern der Region bangen um ihren Job in Saudi-Arabien. Für Militärabenteuer wie im Jemen könnte ebenfalls das Geld ausgehen. Vor fünf Jahren startete Saudi-Arabien seine Offensive gegen die Huthi-Rebellen. 185 Millionen Euro täglich soll der Krieg verschlingen. Der Erfolg aber bleibt bis heute aus. Tausende starben. Millionen leiden Hunger. Nun hat Saudi-Arabien eine Waffenruhe verkündet. Ein Hoffnungsschimmer. 

Gleichzeitig wittern aber auch Terroristen in der Krise ihre Chance. Die Terrormiliz IS meldet sich mit Anschlägen wie diesem im Irak Anfang Mai zurück, verbreitet Angst und Schrecken. Wenn Regierungen wanken und Staaten zerfallen, schlägt wieder der die Stunde der selbst ernannten Gotteskrieger. Krieg, Krisen und nun auch noch der Öl-Schock. Die Menschen im Nahen Osten trifft es hart. Auch Waad Taleb. Sein Moped will nicht mehr. Die Reparatur kommt ihn teuer zu stehen. Geld, das er eigentlich für seine Kinder braucht. Es sind solche Sorgen, die den Beamten in diesen Tagen zu erdrücken drohen, so wie viele in der einst so reichen Metropole Bagdad.

Autor: Daniel Hechler, ARD-Studio Kairo

Stand: 11.05.2020 09:53 Uhr

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