SENDETERMIN Sa., 07.03.20 | 16:30 Uhr | Das Erste

Weltspiegel-Reportage: Traumjob oder Ausbeutung?

Thailändische Beerenpflücker in Schweden

Chang ist einer von knapp 6.200 thailändischen Beerensammlern in Schweden.
Chang ist einer von knapp 6.200 thailändischen Beerensammlern in Schweden.

Jeden Sommer ziehen tausende Thailänder durch Schwedens Wälder. Sie sind um die halbe Welt geflogen, um nach Blau- und Preiselbeeren zu suchen. Einheimische lassen sich für diesen Job nicht mehr finden. Ohne die Thailänder würde die schwedische Beeren-Industrie zusammenbrechen. Doch immer wieder ist von unerträglichen Arbeitsbedingungen die Rede. Was treibt die thailändischen Reisbauern trotzdem nach Schweden?

Hochverschuldet für ein Arbeitsvisum

Chang ist einer von mehr als 6.000 thailändischen Saisonarbeitern, die in den schwedischen Wäldern nach Beeren suchen. Statt auf dem Reisfeld zu schuften, pflückt er jetzt täglich bis zu zwölf Stunden Blau- und Preiselbeeren. Viel weiß er nicht über das skandinavische Land, aber für ihn ist es eine Riesenchance: "In Thailand würde ich jetzt nur auf die Reisernte warten, aber hier in Schweden kann ich hoffentlich viel Geld machen!"

Arbeiter sortieren Beeren in einer Fabrikhalle
Die Beerenindustrie ist auf die Arbeitskräfte aus Thailand angewiesen.

Chang ist das erste Mal in Schweden. Eine Leiharbeitsfirma hat ihn angeheuert und ihm das Arbeitsvisum und Flugticket besorgt. Dafür hat sich Chang hoch verschuldet. Und auch in Schweden muss er zunächst die Kosten für Unterbringung und Verpflegung abarbeiten, bevor er überhaupt etwas verdient.

Die Skandale in den vergangenen Jahren haben ihn nicht abgeschreckt. Thailändische Arbeiter wurden um ihren Lohn geprellt. Im Jahr 2013 beging ein Pflücker sogar Selbstmord in Schweden. Zu groß war seine Verzweiflung, ohne Geld nach Hause fliegen zu müssen.

"Jedermannsrecht" in schwedischen Wäldern

Eine besondere Regelung hat den Kampf um die Beeren erst möglich gemacht. In Schwedens Wäldern herrscht "Jedermannsrecht". Der kostbare Rohstoff gehört dem, der ihn zuerst erntet. Unternehmen haben daraus ein Riesengeschäft gemacht. Doch gleichzeitig hat das mancherorts zu Verhältnissen wie im Wilden Westen geführt. Zwar gibt es inzwischen einen garantierten Mindestlohn von knapp 2.000 Euro, doch ob der auch immer gezahlt wird, lässt sich nur schwer kontrollieren.

Das Risiko gehen immer die Pflücker aus Thailand ein, sagt Mats Wingborg. Der investigative Journalist berichtet seit Jahren über die Situation der Beerensammler: "Das System ist anfällig für Betrug. Dazu kommt, dass die Thailänder mindestens einen Monat arbeiten müssen, um erstmal ihre Schulden abzubezahlen. Und wenn die Ernte schlecht ausfällt, fahren manche sogar mit Schulden nach Thailand zurück."

Thailändisches Paar betet
Beten zum Elchgeweih: Udom und Pailin hoffen auf eine gute Beerensaison.

Ein Film von Norbert Lübbers

Stand: 05.03.2020 16:43 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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