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Türkei: Erdogan droht mit Angriff der Ägäis-Inseln

PlayEine Fähre an der Insel Kastelorizo
Türkei: Erdogan droht mit Angriff der Ägäis-Inseln | Bild: picture alliance / Rainer Hackenberg | Rainer Hackenberg

Fährenkapitän Ali auf dem Weg von der türkischen Hafenstadt Kas zur griechischen Insel Kastelorizo: Die Insel liegt nur zwei Kilometer entfernt vom türkischen Festland – vor der Küste ein türkisches Kriegsschiff. Immer wieder überfliegen türkische Militärhubschrauber das Gebiet. Die Stimmung zwischen den beiden Mittelmeerländern ist mal wieder am Gefrierpunkt, auch wenn täglich Touristen zwischen Kas und Kastelorizo hin und her fahren.
Kapitän Ali Gümrükcü: "Wir verdienen unser ganzes Geld mit dem Tourismus. Von jeder Anspannung sind wir betroffen. Und es gibt wieder diese Ängste."

Drohung aus Ankara

Anfang September droht der türkische Präsident Erdogan den Griechen mit dem markigen Spruch, man könne über Nacht plötzlich kommen – gemeint ist eine Militäroperation auf einer griechischen Insel.
Kapitän Ali ist nicht nur besorgt wegen der aggressiven Stimmung. Auf Kastelorizo lebt sein griechischer Freund Yorgo, der auch einmal als Fährenkapitän gearbeitet hat. Yorgo ist sehr krank: "Während der Pandemie bekam Yorgo einen Schlaganfall. Seitdem ist er teilweise gelähmt. Er war sehr aktiv, dann lag er im Bett. Das hat ihn depressiv gemacht. Er weinte täglich."

Wir wollen Ali beim Besuch von Yorgo begleiten. Doch kurz nach der Ankunft müssen wir erleben, wie angespannt die Situation ist: Der örtliche Polizeichef verbietet uns auf der Insel zu filmen und beschlagnahmt unsere Kamera. Er sagt, man benötige eine schriftliche Drehgenehmigung. Auch das griechische Außenministerium besteht neuerdings auf eine Sondergenehmigung. Eine außergewöhnliche Einschränkung der Pressefreiheit für ein EU-Land.

Wir filmen Ali trotzdem mit dem Handy. Er hat einen Physiotherapeuten aus der Türkei organisiert, der Yorgo zwei Mal die Woche behandelt. Yorgo muss mehr laufen, sagt der Physiotherapeut: 500 Schritte am Tag sind das Ziel. Die ersten Schritte hat er geschafft. In den nächsten Stunden sollen es noch mehr werden.

Athen zeig Präsenz

Wenige Tage zuvor waren wir schon einmal auf Kastelorizo. Da gab es kein Verbot Aufnahmen zu machen und man sagte uns, wir könnten jederzeit wiederkommen und filmen. Die griechische Staatspräsidentin Sakellaropolou ist mit dem Verteidigungsminister und dem Generalstabschef auf die 580 Kilometer vom griechischen Festland entfernte Insel gekommen – eine Reaktion auf die türkischen Drohungen.

Inselbewohner haben gemischte Gefühle: Marias Familie lebt hier seit Generationen. Jetzt will Maria in Kürze nach Athen, weil sie Angst vor einem militärischen Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland hat.
Wenige Kilometer entfernt auf dem türkischen Festland wohnt der Ingenieur Ismael Sah Yilmaz. Er ist Chef der nationalistischen Iyi-Partei in der Stadt Kas. Yilmaz sagt, dass die Insel griechisch sei, störe ihn nicht allzu sehr. Ihn störe jedoch, dass die Griechen ihre Militäranlagen auf Kastelorizo und auf der Nachbarinsel Rho ausbauen und damit die Türkei bedrohten, denn das sei nach internationalen Verträgen verboten. Griechenland argumentiert, die türkische Marine hätte zahlreiche Landungsboote an der Küste stationiert. Man sei bedroht. Der Nationalist Yilmaz lehnt Erdogans Kriegsrhetorik ab: Das sei Getöse vor den Wahlen im kommenden Frühjahr. Im Übrigen gebe es auch in Griechenland im April Wahlen.

Zurück auf Kastelorizo. Yorgo hat heute wieder ein paar Schritte mehr geschafft. Gerne hätten wir auch mit ihm über die Situation gesprochen. Doch sein Sohn im Hintergrund mit blauem T-Shirt und Mütze signalisiert uns plötzlich, wir sollen aufhören zu filmen. Später erfahren wir, der Polizeichef habe angerufen und der Familie verboten mit uns zu reden.
Kapitän Ali fährt zurück zur türkischen Hafenstadt Kas. Er sagt es tue ihm leid, dass wir nicht ohne Probleme filmen konnten. Die sinnlosen Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei würden eben allen schaden. Jahrzehntelang lebten die Griechen und die Türken gerade hier an diesem Küstenstreifen eine besondere Freundschaft. Allein die Regierungen in Athen und Ankara sind gerade dabei Hass zu schüren.

Autor: Oliver Mayer-Rüth, ARD Istanbul

Stand: 25.09.2022 21:46 Uhr

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