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USA: Fracking – Fluch oder Segen?

PlayUSA: In den USA wird Fracking verstärkt ausgebaut.
USA: Fracking – Fluch oder Segen? | Bild: WDR

Sie läuft durch die Kälte. Versunken in Selbstgesprächen, um sich vorzubereiten. Denn Lucy Molina will in ihrer Nachbarschaft, in ihrer Kleinstadt aufklären. Viele sind wie sie selbst Latinos: "Ich bin eure Nachbarin hier. Infos auf Spanisch und Englisch. Gegen Luftverschmutzung. Kann ich das hier hinstellen?", sagt sie.

Lucy Molina kämpft. Jeden Tag. So viel sie kann. Gegen die Fracking-Industrie. Denn in der Umgebung von Denver, Colorado, gibt es unzählige Fracking-Stellen, erzählt sie, unzählige Raffinerien. Das sei ein Problem, will sie ihre Nachbar:innen überzeugen: Fürs Klima und für die Gesundheit: "Wir wollen hier leidenschaftlich was verändern, eine Führungsrolle übernehmen. Könnten Beispiel für den Rest der Welt sein. Wir müssen uns wehren und ich habe Hoffnung."

Einige nehmen ihre Plakate an. Nicken ihr zu. Andere tun sich schwer. Schnell wird klar: Ganz einfach ist das alles nicht.

Geht nachhaltigeres Fracking?

Dieser Nachbar arbeitet in der Energie-Industrie. Lucy redet mit ihm mindestens zehn Minuten. Wir beobachten die Situation aus der Ferne. Er erzählt von seinem Job. Von seinem Unternehmen. Denn die Fracking-, die Öl- und Gasindustrie schafft Jobs. Viele Jobs. Gerade jetzt. Während der Energiekrise erlebt die Industrie eine Art Comeback. Als wichtiger Energieproduzent. Überall in der Gegend begegnen uns Raffinerien und Fracking-Anlagen. Und auch diese Unternehmen haben eine Botschaft: Wir verändern uns. Wir sind sauberer als unser Image.

USA: Die Fracking-Industrie versichert, umweltfreundliche Technologie einzusetzen, wann immer es möglich sei.
USA: Die Fracking-Industrie versichert, umweltfreundliche Technologie einzusetzen, wann immer es möglich sei. | Bild: WDR

Brian Cain ist zuständig für Nachhaltigkeit in seiner Firma. Er gewährt uns einen seltenen Einblick. Den nur wenige Fracking-Unternehmen zulassen. In der Kommandozentrale zeigt er uns: Hier entsteht nicht nur eine neue Bohrstelle. Hier entstehen auch wesentlich weniger CO2-Emissionen. Wegen ihnen hier, sagt er: diesen weißen, großen Brummern. Elektro-, statt Dieselgeneratoren. "Sie verursachen nicht so viele Emissionen als wenn Sie Dutzende Dieselgeneratoren hätten, die die Flotten antreiben. Außerdem vermeiden sie dadurch auch andere Emmissionsverursacher. Es entfallen zum Beispiel viele Fahrten von Diesel-LKWs, die Tag und Nacht unterwegs sind, um Dieselgeneratoren mit Kraftstoff zu versorgen", erklärt Cain.

Sie könnten den kompletten Prozess zwar nicht hundert Prozent klimafreundlich gestalten, sagt Brian Cain, doch die Bedingungen drumherum. Denn ohne Fracking, betont er, würden die USA in diesen Krisenzeiten ein klares Energieproblem haben: "In der Energiepolitik gibt es keine Wunderwaffe. Es gibt keine Energieform in unserer Welt, die vollkommen perfekt ist. Wir sind ein Öl- und Gasunternehmen, das über den Klimawandel spricht, das über die Energiewende spricht. Und wir wollen zuverlässige, ausreichende Energie bereitstellen, die eben so sauber wie möglich produziert wird."

Schaden für Mensch und Umwelt

Beim Fracking wird ein Bohrer tief in die Erde gerammt, die Gesteinschichten aufgebrochen, so dass Risse entstehen, die gebundenes Gas oder Öl frei setzen. Durch den Bohrer wird dann ein Mix aus Wasser, Sand, Chemikalien gepresst. Der Vorteil: Es werden wichtige Energiereserven genutzt und es entstehen nur rund halb so viele CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Strom wie bei der Verbrennung von Braunkohle. Aber: Es entweicht klimaschädliches Methan. Laut Experten schlimmer als CO2. Ein Schaden für die Umwelt und für die Menschen, die in ihrer Nähe leben?

So sieht das auch Lucy Molina. Wir treffen sie früh morgens vor der Arbeit in ihrem kleinen Häuschen. Sie lebt gemeinsam mit ihren Teenager-Kindern und Hunden. Schnell ist sie tief berührt, wenn sie von Erlebnissen, von Erkrankungen in ihrem Umfeld erzählt. Zwar werden einige Stoffe, die die Industrie verwendet, als krebserregend eingestuft. Doch gibt es keine zuverlässigen Langzeitstudien. Lucy ist trotzdem zu tiefst überzeugt: "Ich glaube, in der Nachbarschaft, in der meine Großmutter war, da sind die meisten, unsere Großeltern, Familienmitglieder an Krebs oder einer anderen schweren Krankheit verstorben. Das ist das Schlimmste. Und es ist ganz normal geworden, dass wir jetzt nur noch darauf warten, dass das uns auch passiert."

USA: In den USA wird Fracking verstärkt ausgebaut.
USA: In den USA wird Fracking verstärkt ausgebaut. | Bild: WDR

Sie glauben: Tausende Haushalte seien täglich gesundheitsschädlichen Gasen ausgesetzt. Auch ihre Tochter kämpft mit regelmäßigen Beschwerden. Doch es ist nicht nur die Qualität der Luft, auch die Qualität des Wassers. Das Grundwasser macht der Familie Sorgen: "Ich denke, das hat negative Auswirkungen auf unsere Gemeinde, vor allem auf unser Trinkwasser, weil wir das Leitungswasser nicht mehr benutzen können. Wir müssen immer große Trinkwasserkanister kaufen", sagt ihr Sohn Omar Molina.

Beim Thema Grundwasser sind die Molinas nicht allein. In einigen Nachbarorten bemängeln viele, dass Millionen Liter Wasser nicht mehr brauchbar sind. Nicht mehr sicher sind. Doch die Fracking-Industrie bestreitet das: Es würden genügend Schutzvorkehrungen getroffen.

Die Branche boomt und blickt einer vielversprechenden Zukunft entgegen, sagt auch der Chef von Liberty Energy, einem Marktführer in der Branche: "Die USA sind vom größten Erdöl- und Erdgasimporteur der Welt, zum zweitgrößten Erdgasexporteur und zum mit Abstand größten Erdölproduzenten der Welt geworden. Das hat die Energiekosten in den USA gesenkt. Daher sind viele Industrien wie die Stahlindustrie im Aufschwung. Und glücklicherweise konnten wir im letzten Jahr, große Mengen Erdgas auch nach Europa exportieren." Und so profitiert auch die Welt vom Fracking-Comeback in den Staaten.

Lucy Molina meint weiterhin der Preis ist zu hoch. Denn egal wie sauber, wie grün Fracking-Unternehmen sich präsentierten, sagt sie: Sie würden es niemals sein. Sie will sich jetzt für den Stadtrat bewerben und bis dahin eben Plakate aufstellen in der Kälte, in ihrer Stadt.

Autor: Jan Koch / ARD Studio Washington

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

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