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USA: Hoffnung für illegale Einwanderer

PlayJugendlicher mit Schutzmaske
USA: Hoffnung für illegale Einwanderer | Bild: SWR

Hilda verlässt das Gemeindezentrum, in dem die Kirche ihr seit fünf Jahren Kirchenasyl gewährt, so gut wie nie. Und wenn, dann nur, um in den kleinen eingezäunten Garten der Kirche zu gehen. Doch auch das: nur in Begleitung. Noch immer hat sie Angst, dass plötzlich Beamte der Einwanderungsbehörde sie mitnehmen. Aber seit Joe Biden als Präsident vereidigt ist, schöpft sie Hoffnung. Elf Millionen Menschen leben ohne Papiere in den USA. Fast alle von ihnen bewegen sich frei – aber in ständiger Angst vor der Abschiebung.

Immerhin: Die sogenannten "Dreamer" können jetzt wieder aufatmen. Junge Menschen, die als Kinder mit ihren Eltern illegal in die USA gekommen sind. In der Trump-Ära waren auch sie wieder permanent von Abschiebung bedroht – unter Biden jetzt nicht mehr. Und auch die anderen "Illegalen" setzen auf den neuen Präsidenten, der bereits eine umfangreiche Reform des Einwanderungsrechts auf den Weg gebracht hat – aus purer Angst wird Hoffnung.

Auch nach 20 Jahren noch Angst vor der Abschiebung

Wenn Ana mit ihren Eltern in Mexiko spricht, wird ihr das Herz schwer. Seit 20 Jahren war sie nicht mehr dort. "Ich umarm dich. Ich liebe dich sehr, Mama." Anas jüngste Kinder, der zehnjährige Noah, und sein Bruder Fransisco Junior sind hier geboren – und damit US-Bürger. Ihr Bruder Aldo kam mit seinen Eltern ins Land, war da gerade einmal ein Jahr alt – ist somit ein sogenannter "Dreamer". Die Dreamer wurden unter Obama vor der Abschiebung geschützt. Und während auch sie in den Trump-Jahren wieder unter Beschuss gerieten, hat Präsident Biden ihren Schutz nun wieder bekräftig – an Tag eins seiner Amtszeit. "Das hat mich glücklich gemacht. Auch, dass er ein Mann ist, der zu seinem Wort steht. Dass er jetzt Dinge verändert – sofort – das finde ich fantastisch."

Ana und Sohn am Telefon
Ana und ihre Kinder hoffen auf Präsident Biden | Bild: SWR

Jetzt hofft Aldo, dass Biden auch ein weiteres Versprechen einlöst, jenes, Menschen wie seinen Eltern endlich eine Perspektive zu bieten. Denn auch für Ana und ihren Mann sind die USA längst zur Heimat geworden. Ana putzt Häuser, Fransisco arbeitet auf dem Bau, im Prinzip bewegen sie sich frei. Aber die Angst sitzt immer im Nacken – zu oft haben sie alle hier schon erlebt, wie plötzlich Menschen abgeschoben wurden. Hinzu kommt: der Ton gegenüber Migranten, die Feindseligkeit habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. "Ich glaube, dass dieser Präsident gute Dinge in den Mittelpunkt stellt", sagt Ana. "Im Gegensatz zu Trump, der mit uns Latinos schlecht umgegangen ist. Das wird der Neue nicht tun und das tut sehr gut! Ich hoffe, die Dinge beruhigen sich jetzt."

Migranten hoffen auf einen legalen Status

Etwa 11 Millionen Menschen ohne Papiere leben in den USA, vor allem in und um die Städte im Südwesten, wie hier in Austin in Texas. De facto wurden in den Trump-Jahren weniger von ihnen abgeschoben als in der Obama-Zeit. Aber Abschottung, kämpferische Rhetorik, starke Symbole – das reichte offenbar aus, um ein Klima der Angst zu schüren. Hilda Ramirez fühlt sich als Opfer einer solchen Symbol-Politik. Sie floh mit ihrem Sohn aus Guatemala, erbat Asyl in den USA, bekam es nicht. Seitdem lebt sie in dieser Kirche in Austin im Kirchenasyl, um nicht abgeschoben zu werden.

Hilda Ramirez an Nähmaschine
Hilda Ramirez droht eine Geldstrafe | Bild: SWR

Ihr Zimmer zeigt sie uns nur von außen – es ist das einzige bisschen Privatsphäre, das sie hat. Aber sie nimmt uns mit in das Nähzimmer. Was sie zusätzlich belastet: Sie soll eine Geldstrafe von 60.000 Dollar zahlen, weil sie sich der Abschiebung entzieht. Die Kirche kämpft an ihrer Seite: dafür, dass die Geldstrafe aufgehoben wird und dafür, dass sie doch bleiben kann. "Ich verstehe nicht, warum die Behörden mich so angreifen. Ich bin nicht einfach heimlich über die Grenze gekommen, um illegal hier zu leben. Ich habe mich bei den Behörden gemeldet, sie gebeten, mir eine Chance zu geben, meinen Sohn zu beschützen."

Präsident Biden will das Asylrecht reformieren

Der Sohn, Ivan, bewegt sich freier – geht zur Schule, zum Fußball. Aber ein normales Leben kennt auch der 14-jährige nicht. Anstatt draußen zu spielen, hilft er am Nachmittag mit seiner Mutter in der Kirche, Essenspakete für Bedürftige zu packen. Auch sie hoffen jetzt auf den neuen Präsidenten. "Das wäre so toll, wenn wir endlich Freiheit hätten; raus gehen könnten, wie alle anderen Menschen auch", sagt Ivan. "Dann könnte meine Mutter mich vielleicht auch endlich einmal Fußball spielen sehen." Und tatsächlich hat Biden zumindest bereits angekündigt, das Asylsystem zu überarbeiten und auch wieder deutlich mehr Einwanderer ins Land zu lassen.

Skyline von Austin
Austin/Texas: hier leben viele Menschen ohne Papiere | Bild: SWR

Der Stadtrand von Austin. Hier besucht Ana ihre Schwester Carmen. Die richtet klare Forderungen an den neuen Präsidenten. Der sei den Latinos die Legalisierung schuldig. Schließlich hätten die ihn mit zum Präsidenten gemacht. "Wir wollen, dass alle einen legalen Status bekommen, ihre Freiheit haben. Und da geht es nicht nur um die auf dem Papier, sondern auch um die Freiheit im Kopf und im Herzen." Ana ist weniger kämpferisch, ein bisschen Hoffnung, das erlaubt sie sich aber auch – Hoffnung, dass dieser Präsident auch ihrer ist. "Ich will mich einfach nur wieder sicher fühlen, wenn ich die Kinder zur Schule fahre oder so. Ich will keine Angst mehr haben vor der Polizei." Und: Sie möchte mit Noah und den anderen Kindern endlich ihre Eltern in Mexiko besuchen können, ihre alte Heimat. Ohne Angst haben zu müssen, nicht mehr in die USA zurückgelassen zu werden.

Autorin: Kerstin Klein, ARD-Studio Washington

Stand: 07.02.2021 22:18 Uhr

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