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USA: Kampf gegen Amazon

USA: Dania Rajendra will bessere Arbeitsbedingungen für Amazon-Mitarbeiter erreichen
USA: Dania Rajendra will bessere Arbeitsbedingungen für Amazon-Mitarbeiter erreichen

In diesen Stiefeln steckt geballte Power. Die umtriebige New Yorker Autorin und Aktivistin Dania hat sich einen fast übermächtigen Gegner gesucht.

Arbeitsbedingungen verbessern und höhere Löhne

USA: Amazon ist zum größten Online-Händler der Welt geworden
USA: Amazon ist zum größten Online-Händler der Welt geworden

Nur mit einem Telefon und einem Laptop bewaffnet, will sie einen gigantischen Konzern in die Knie zwingen, der sich in alle Lebensbereiche drängt und an dessen Spitze einer der reichsten Männer der Welt steht: Jeff Bezos. Der gibt sich gerne liberal, sein Geschäftsgebaren jedoch verärgert inzwischen manche Kommunen und eine Menge seiner 750.000 Arbeitnehmer.

"Wir versuchen, so viele Menschen in so vielen Staaten wie möglich in diesem Land zu mobilisieren, um zu zeigen, wie hoch die Kosten von Amazon für Städte sind. Wir erwarten von unseren Politikern, dass sie mehr von diesen Kosten zurückfordern", so Dania Rajendra, Autorin und Aktivistin.

Dania koordiniert mehr als 60 Aktivisten-Gruppen und nennt ihre Organisation Athena, nach der griechischen Göttin des Kampfes. Ein weiteres Ziel: In den gigantischen Amazon-Lagerhallen vor den Toren der Städte will sie die Arbeitsbedingung verbessern und Amazon zu höheren Löhnen zwingen.

Für Ilya kommt das zu spät. Er hat nach nur drei Monaten bei Amazon in Staten Island aufgegeben, obwohl die Situation auf dem Arbeitsmarkt in New York für ihn schwierig ist. Lieber wohnt er bei Freunden und sucht weiter, nur nicht zurück zu den 10 Stunden-Tagen bei Amazon, sagt er.

"Man wird entmenschlicht. Viele Arbeiter sagen immer wieder, dass bei Amazon die Roboter einen höheren Stellenwert haben als die Menschen", erzählt Ilya Geller, Ex-Angestellter bei Amazon.

Verbesserungen werden häufig durchgesetzt

USA: Die gigantischen Amazon-Lagerhallen sind vor den Toren der Städte
USA: Die gigantischen Amazon-Lagerhallen sind vor den Toren der Städte

Algorithmen bestimmen die Arbeitsgeschwindigkeit, Kameras überwachen jeden Winkel, jeden Moment. Wer dreimal seine vorgegeben Ziele verfehlt, behauptet zumindest Ilya, wird zum Vorgesetzten gebeten und hier in Staten Island fast immer gefeuert. "Wegen der Quoten konnte man tagsüber quasi nicht zur Toilette gehen, sonst lief man Gefahr, sein Pensum nicht einzuhalten. Es ging nur während der Pause", so Ilya Geller.

Wir dürfen im Amazon-Lagerhaus in Staten Island drehen. Der Manger Chris bestreitet die Vorwürfe von Ilja. Es gebe eineinhalb Minuten von jedem Arbeitsplatz entfernt Toiletten und die könne man auch aufsuchen.

"Wir haben eine 30-minütige Mittagspause am Tag und 45 Minuten Pause in der Nachtschicht. Wie es die Gesetze vorschreiben. Und zwei 15 Minuten Pausen", sagt Chris Colvin, Manager Fulfillment Center Staten Island.

Cynthia, die uns als Gesprächspartnerin vorgeschlagen wird, versichert, dass die Arbeitnehmer sinnvolle Verbesserungen häufig durchsetzen können.

"Wir haben jetzt eine Menge kleiner Pausenräume installiert, auch auf meinen Vorschlag. Erst gab es nur zwei Pausenraume im ersten und im dritten Stock", erzählt Cynthia, Angestellte.

Wettlauf um die schlechtesten Jobs

USA: Dania Rajendra will bessere Arbeitsbedingungen für Amazon-Mitarbeiter erreichen
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In Queens sehen es die Aktivisten von 'Make the Road' (Geht auf die Straße) skeptischer. Vor dem Amazon-Gebäude dort fordert die Gruppe, die auch zu Athena gehört, bessere Arbeitsbedingungen. Unterstützt von Ilya, aber auch Lokalpolitikerinnen. Es ist eine Politik der Nadelstiche. "Wir hier in Queens wollen nicht mitmachen beim Wettlauf nach unten um die schlechtesten Jobs. Wir wollen gute Jobs in New York", sagt Jessica Ramos, Senatorin Staat New York.

Dania ist nicht immer dabei, sie zieht stattdessen im Hintergrund die Fäden und koordiniert immer neue Events im ganzen Land, um den Druck auf Amazon zu erhöhen. 17 Dollar die Stunde sind das Einstiegsgehalt für ungelernte Arbeiter bei Amazon New York. Das klingt gut, aber weder in New York noch in Kalifornien kann man davon leben. Kritiker haben mal nachgerechnet.

"Es ist ein sehr profitabler Arbeitgeber, der so schlecht bezahlt, dass die Menschen nicht genug für Miete und Essen haben. Das ist nicht richtig. Für jeden Dollar Lohn bezahlt die Öffentlichkeit 24 Cent dazu, für Krankenversicherung und Lebensmittelmarken und ähnliches", sagt Daniel Flaming, Economic Roundtable.

Größte Luftverschmutzung der gesamten USA

Aber Athena sieht noch ganz andere Probleme. Hier bei Ontario, 60 Meilen östlich von Los Angeles, hat Amazon ein halbes Tal mit Lagerhäusern zugebaut. Es herrscht die größte Luftverschmutzung der gesamten USA. Nicht nur, aber auch Dank der Frachtflugzeuge von Amazon und der Lastwagen, die die Güter abholen und bringen. Dania hat in Ontario Aktivisten aus dem Land zusammengebracht, um den lokalen Widerstand zu unterstützen. Für bessere Löhne und gegen Luftverschmutzung.

"Es ist erstaunlich, wie schnell wir wachsen und dass so viele Leute mitmachen wollen um unser Netzwerk aufzubauen", so Dania Rajendra.

Der Protest richtet sich diesmal gegen den örtlichen Bauunternehmer. Er soll aufhören, für Amazon ihr Tal zuzubauen. Sie wollen endlich Klimaschutz und saubere Luft zum Atmen.

"Für uns ist es wichtig und wir sind froh, dass Athena hier ist. Dass Organisationen und Arbeiter aus dem ganzen Land zu uns kommen, hierher wo Amazon der größte Arbeitgeber ist, das gibt uns eine Menge Stärke", erzählt Al Hernandez, Anwohner.

Die Koalition von Athena erscheint klein. Aber ihr Netzwerk umfasst schon jetzt Hunderttausende. Den Datenriesen Amazon abschaffen wollen sie nicht, aber sie wollen Amazons Macht brechen.

"Die Menschen werden verdrängt, wenn diese Firma in die Stadt kommt. Sie werden vergiftet, sie werden online und offline beobachtet durch dieses Geschäftsmodell. Sie wollen etwas anderes für ihre Nachbarn, sich selbst, ihre Kommunen und für die Welt", so Dania Rajendra.

Die Frau, die den reichsten Mann der Welt in die Schranken weisen will, ist schon lange nicht mehr allein.

Autorin: Christiane Meier/ARD Studio New York

Stand: 26.01.2020 20:50 Uhr

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