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Brasilien: Dürre im Armenhaus

Größte Trockenheit seit 47 Jahren

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Brasilien: Dürre im Armenhaus | Bild: Das Erste


Verdörrtes Land, soweit das Auge reicht. Wir sind unterwegs im Nordosten Brasiliens im Bundesstaat Ceará. In einer Region, die es hart getroffen hat. Vertrocknete Wälder und Steppen, Kadaver und ausgetrocknete Flussbetten. Temperaturen um die 40 Grad. Die Luft ist staubig und steht. Und überall fehlt das Wasser. Leere Zisternen, seit Monaten. Die Natur und die Menschen kämpfen ums Überleben.

Francisca Francilene Gregorio

»Diese Trockenheit ist historisch einmalig. Wenn es auch im nächsten Jahr nicht regnet, wird hier jeder sterben.«

Francisca und ihre Familie leben wie alle hier von der Landwirtschaft. Doch die gibt seitdem es das letzte Mal richtig geregnet hat, das war im Oktober des letzten Jahres, nichts mehr her. Franciscas Sohn ist nun nur noch damit beschäftigt, Wasser herbeizuschaffen. Das ist das einzige Wasserloch weit und breit, dreimal täglich füllt Reginaldo seine Fässer. Kein Wasser, das wirklich genießbar ist.

Reginaldo Gregorio

»Den Tieren geben wir davon, weil wir kein anderes haben. Hauptsächlich nutzen wir es aber, um ein paar Pflanzen zu retten.«

Der Nordosten Brasiliens war schon immer das Armenhaus des Landes. Jetzt aber leiden die Menschen, wie noch nie. Der dreizehnte Monat ohne ergiebigen Regen. Insgesamt, so die letzte offizielle Statistik, sind über 10 Millionen Menschen von der Trockenheit betroffen. Für über 1.300 Gemeinden gilt der Notstand. Ernteeinbußen von 90%. Verzweifelt versucht Francisca dennoch, dem Boden wenigsten noch ein bisschen was fruchtbares abzuringen. Von der kargen Ausbeute leben, können sie nicht. Ihre Heimat vertrocknet.

Mocambinho heißt das nächstgelegene Dorf, alle paar Tage kommt Francisca her, um ein paar Grundnahrungsmittel einzukaufen. Sie bekommt eine spärliche Rente und Hilfe vom Staat. Die Regierung in Brasilia hat verschiedene Programme aufgelegt, um die Betroffenen der Dürre finanziell zu unterstützen. Doch das Geld reicht kaum, denn mit der Trockenheit steigen auch die Preise.

Francisca Francilene Gregorio

»Ich verstehe nicht, warum hier alles teurer wird. Sie wissen, dass die Regenzeit ausbleibt und wir nichts mehr selbst produzieren können. Wir haben keine andere Wahl als hier einzukaufen und die ständig höheren Preise zu akzeptieren.«

Milchbauer Francisco, den alle nur Agapito nennen, war ein stolzer Mann. Er und seine Familie hatten es geschafft, hier die größte Farm der Region aufzubauen. Der größte Milch- und Käseproduzent in der Gegend. Und jetzt geht gar nichts mehr.

5.000 Hektar Land mit über 600 Stück Vieh, 500 Liter Milch am Tag, so war das bis vor einem Jahr. Agapito nimmt uns mit auf sein Land, um zu zeigen, was davon geblieben ist. Wie viele seiner Tiere bisher der Dürre zum Opfer gefallen sind, das weiß der Farmer nicht genau. Er hat längst aufgehört, zu zählen.

Francisco Monteiro, Viehzüchter

»Was kann ich machen? Sie sterben einfach weg. So ist das. Ich habe alles versucht, sie zu retten. Aber die Dürre ist stärker.«

Hier war letztes Jahr noch alles grün, schreit er uns zu, da drüber waren Maisfelder.

Kein Wasser, kein Gras. Das einzige, was noch wächst, sind Kakteen. Die müssen jetzt als Futtermittel herhalten. Normalerweise würde keine Kuh das stachlige Gewächs anrühren, deshalb werden die Pflanzen besonders zubereitet, die Stacheln abgebrannt.

Joao Batista, Bauer

»Das ist das einzige Futter, das wir unserem Vieh noch bieten können. Fertigfutter ist zu teuer.«

Abgeflammt, gespalten und gehäckselt. Der Kaktus als letzter Hoffnungsschimmer. Not macht zwar erfinderisch, aber eine wirkliche Lösung ist das nicht. Der Rest der Tiere wird immer dünner.

Francisco Monteiro, Viehzüchter

»Ich bin jetzt 66 Jahre alt. Aber so eine Trockenheit hab ich nie erlebt.«

Der genaue wissenschaftliche Beweis steht aus, aber alles deutet darauf hin, dass der Klimawandel Schuld ist.
Im Institut für Meteorologische Forschung in Fortaleza beobachten sie schon seit Jahren einen Rückgang der Regenaktivität. Die Folgen sind dramatisch.

Raul Fritz, Meteorologe „Funceme“ Fortaleza

»Einige Regionen im Nordosten stehen kurz davor eine Wüste zu werden. Es ist wirklich ernst. Die Natur verfällt in einen immer schlechteren Zustand. Und es wird immer komplizierter, dieses Land jemals wiederherzustellen.«

Weniger Regen, dafür immer mehr Feuer, das bekommen wir hier gezeigt. Die trockene Natur entzündet sich immer öfter von selbst und nach wie vor versuchen Farmer durch Brandrodung Weideflächen zu schaffen für Viehherden, die hier überhaupt keine Chance auf ein Überleben mehr haben. Wenn das nicht gestoppt wird, sagen Wissenschaftler, dann ist das Schicksal dieser Region endgültig besiegelt.

Hilfsprogramme, wie die Verteilung von Trinkwasser helfen da nur kurzfristig. Der Staat versucht die schlimmste Not zu lindern und arbeitet an Präventionsmaßnahmen und dem Ausbau einer besseren Wasserversorgung. Milliardenbeträge werden dafür zur Verfügung gestellt.

Doch vorläufig sind es nur 5 dieser Lastwagen in der gesamten Region, die mehrere tausend Menschen mit dem kostbaren Nass versorgen sollen. Viel zu wenig klagen lokale Politiker,

Raimundo Nonato, Landwirtschaftsamt Saboerio

»Wir brauchen mehr Unterstützung. Wir brauchen Futter für das Vieh. Wenn da nichts kommt, stirbt hier alles weg. Wenn die Trockenheit noch so bis Februar anhält, dann wird der Viehbestand auf 20% des heutigen Standes sinken.«

Nach drei Monaten endlich bekommen Francisca und ihre Familie wieder frisches Trinkwasser. Die Zisterne wird wieder ein wenig aufgefüllt.

Francisca Francilene Gregorio

»Danke Maria. Das ist wunderbar. Dieses Geräusch. Es macht mich so glücklich!«

Ein Daumenabdruck zur Bestätigung für die Lieferung. Wann das nächste frische Trinkwasser kommt, weiß Francisca nicht. Im Moment ist das auch völlig egal, denn auf diesen kräftigen Schluck hat sie lange gewartet.

Autor: Michael Stocks

Stand: 22.04.2014 14:51 Uhr

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