SENDETERMIN So., 13.10.13 | 19:20 Uhr

Großbritannien - Dementia

Fernseher mit Programmen von damals
Fernseher mit Programmen von damals

Es war ein seltsamer Kandidat, der da bei der populären BBC Show Dragons Den auftauchte, einer Show, in der junge Unternehmer ihre Projekte vorstellen, und alte Profis dazu bringen müssen, in sie zu investieren.

Dragons Den, nur wenige bestehen hier. Und Richard, schüchtern und nervös, kam mit einer Idee, die schien zu gut um wahr zu sein.

Kleine Bühnenbilder für Demenzkranke
Kleine Bühnenbilder für Demenzkranke

Kleine Bühnenbilder baut er nämlich, die eine verlorene Welt repräsentieren, eine Welt, erklärt er, in der sich Demenzkranke zu Hause fühlen, denn hier leben sie, in der Vergangenheit. Und ein vertrautes Szenario beruhige sie.

Richard Earnest

»Das spart eine Menge Geld, das sonst in Beruhigungstabletten geht,“ argumentiert er.  „Und es ist gut für die Leute, ich glaube ganz fest daran.«

Die alten Hasen zögerten zunächst, am Ende aber überzeugt Richard sie. Mit 100.000 Pfund zieht er von dannen, als Überraschungssieger.

Wir treffen ihn nach der Show, auf dem Weg zu einem Altenheim, das er beliefert. Die erste Wand baute er für einen Nachbarn, aus Mitleid. Jetzt aber könnte diese Idee sehr viel weiterführen.

Richard Earnest

»Das kann jetzt durchaus ein profitables Business werden, von dem ich leben kann. Aber was ich vor allem will ist, das Leben dieser Menschen zu verbessern.«

Wohnzimmerwand für Demente
Wohnzimmerwand für Demente

Bereits mehr als 40 seiner Stellwände hat er schon verkauft, für 1.500 Pfund das Stück. In diesem Heim steht gegenüber schon sein Pub. Ein früheres Modell. - Das die Bewohner täglich gern als Treffpunkt nutzen. Auch wenn die Illusion  nur trägt wenn man nah davor sitzt. Aber dann funktioniert es. Brenda und Mary fühlen sich jedenfalls wohl in dieser Pappwand, auch wenn sie noch keine schwere Form der Demenz haben:

Brenda und Mary

»Das ist so wunderbar altmodisch. Ganz anders als diese Pubs heutzutage. Da gibt’s diese Marken gar nicht mehr, die wir damals hatten, als ich noch wirklich ins Pub ging.«

»Mit den schwereren Fällen hier ist es einfacher, über Dinge zu sprechen, die sie noch erinnern. Und dazu musst Du zurück, weil sie Dinge von heute nicht mehr verstehen.«

»Demenz, wenn man‘s richtig hat, ist so traurig. Denn du bist nur noch in der Vergangenheit. Lebst nicht im Heute. Ja, das sind Menschen aus der Vergangenheit.«

Rosy z.B.: Die seit 3 Jahren hier lebt. Und wie so viele schwer Demenzkranke oft ganze Tage vor sich hindämmert. Gefangen in der Vergangenheit. Die Welt um sie herum ist ihr ein einziges großes Rätsel.

Für Menschen wie sie hat Richard das Wohnzimmer konzipiert, mit Fernseher und Programmen von damals. Denn die schwereren Fälle brauchen mehr als nur eine Stellwand, hier gibt es auch die Geräusche von damals und echte Requisiten.

Rosy weiß zunächst nicht, was sie hier soll, aber Debbie, die Pflegerin bringt ihr die Dinge näher, die hier für sie liegen. Alte Lebensmittelkarten z.B. - Und nach einer Weile kommt tatsächlich Leben in die sonst meist stumme Rosy, ein Artikel von der Krönung der Queen bringt sie schließlich sogar zum Sprechen.

Rosy

»Ich erinner mich an das Bild.. Ja, und an die Krone. Ich erinnere mich auch, dass wir damals eine Sonderration an Zucker und Käse hatten.«

Für Richard ist das die eigentliche Belohnung. Zu sehen, dass seine Wände angenommen werden:

Rosy lebt seit drei Jahren im Heim
Rosy lebt seit drei Jahren im Heim

»Das macht mich stolz, denn das wollte ich ja. Dass sie aufwachen aus dieser Lethargie und Isolation. Dass die Pfleger beginnen mit ihnen zu reden und sie so dann besser kennen lernen. Denn das verbessert ihre Lebensqualität ganz entscheidend.«

Und auch Stuart Wright, Heimleiter, der seit Jahren Pflegeprogramme für Demenzkranke entwickelt, hält Richards Wände als Hilfsmittel für zukunftsträchtig.

»Das hat Potential als Geschäftsidee. Es erhöht die Standards in den Heimen, es gibt ja doch noch so wenig Hilfsmittel im Umgang mit Demenz. Es ist ein Werkzeug, mit dem man diese Menschen wieder öffnen kann.«

Am Ende des Nachmittags hat Rosie den Fernseher entdeckt und ist für einen Moment tatsächlich wieder so lebendig wie damals, als sie noch ein Gedächtnis hatte.

»Wenn man das eine Weile guckt, dann kommt tatsächlich alles wieder zurück. - Das ist aber auch alles lange her.«

Manchmal sind es eben die kleinen Ideen, die für manche Menschen die Welt verändern.

Autorin: Annette Dittert, ARD Studio London

Stand: 13.10.2013 20:22 Uhr

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