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Sweatshop Kambodscha - die moralische Alternative unter den Billiglohn-Ländern?

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Kambodscha - die Alternative? | Bild: WDR

Hunderte Polizisten marschieren auf - bewaffnet mit elektrischen Schlagstöcken.

Das Tor zur Textilfabrik ist verriegelt. Die Arbeiter, die 10 Euro mehr im Monat fordern, sie wurden ausgesperrt.

Die Situation eskaliert. Dutzende Frauen werden verletzt. 8 Gewerkschaftsmitglieder verhaftet.

So sieht es aus, wenn Textilarbeiterinnen in Kambodscha für bessere Löhne demonstrieren.

Wir treffen Srey Sot. Auch sie ist an jenem Tag mit ihren Kolleginnen auf die Strasse gegangen!

Doch der Protest endet tragisch für sie!

Das Kind, auf das sie hier aufpasst, ist das ihrer Schwester. Ihr eigenes hat sie bei dem Protest verloren. Sie war im dritten Monat schwanger!

Oum Srey Sot, 20 Jahre alt

»Da war diese Gruppe von Polizisten. Sie haben auf die Arbeiter eingeschlagen. Plötzlich wurde auch ich zu Boden gerissen. Erst waren da die Schmerzen. Und dann das Blut!«

Wir wollen Antworten. Ihr Arbeitgeber, die Textilfabrik Sabrina, produziert vor allem für den Sportartikelhersteller Nike!

Was ist hier passiert? Warum wurden nach dem Protest 62 Arbeiter fristlos entlassen?

Nike lehnt ein Interview ab. Vor Ort versuchen wir noch einmal, mit dem Management der Fabrik zu sprechen.

Norbert Lübbers

»Wir haben es jetzt mehrfach versucht. Aber kritische Fragen will hier keine beantworten. Dabei sitzt das Management gleich hinter der Tür auf dem Gelände!«

Um 12 Uhr öffnet sich das Tor. Mittagspause.

5000 Arbeiter strömen aus den Fabrikhallen. Die meisten von ihnen Frauen.

Sie alle nähen für Nike. Das amerikanische Unternehmen bestellt seine Ware dort, wo sie am billigsten produziert wird.

Wir treffen Tha und ihre Kollegin. Die beiden gehören zu den wenigen, die sich trauen, mit uns zu reden.

Ihr gesetzlicher Mindestlohn: gerade mal 60 Euro im Monat... Das heißt: Sparen, wo es geht. Eine Schale Reis, ein bisschen Gemüse, das muss reichen bis zum Abend.

Hourn Tha, 28, seit 8 Jahren Näherin

»Krank sein kann ich mir nicht leisten. Bisher ist alles gut gegangen. Doch die Fabrik verlangt viele Überstunden. Und ich brauche das Geld. Deswegen mache ich die vielen Überstunden.«

Gesetzlich erlaubt sind maximal 10 Stunden Arbeit am Tag.

Frauen schuften manchmal 16 Stunden
Frauen schuften manchmal 16 Stunden

Doch diese Frauen schuften noch mehr: 12, 14, manchmal 16 Stunden. Und nicht selten auch Sonntags.

Alles wollen sie sich nicht gefallen lassen. Doch seit ihr Protest niedergeschlagen wurde, macht sich die Angst breit.

Mony Sokheng, 28, seit 10 Jahren Näherin

»Viele haben Angst vor einer Kündigung, fürchten eine schriftliche Verwarnung. Andere müssen jetzt darauf warten, dass ihr Verträge verlängert werden, und das, obwohl sie schon seit Jahren für die Fabrik arbeiten!«

Wir fragen nach beim Verband der Textilfabriken Kambodschas. Wie kann es sein, dass geltendes Arbeitsrecht einfach ignoriert wird? Eine überraschende Antwort.

Ken Loo, Verband der Textilfabriken Kambodschas GMAC

»Das ist doch keine Sklaverei. Wir zwingen die Arbeiter doch nicht zu Überstunden? Wie sollen wir das auch machen? Das Tor verriegeln und sie nicht nach Hause lassen? Die Arbeiter wollen doch die Überstunden! Sonst gehen die doch auf die Strasse.«

Der Arbeitsrechtler Moeun Tola bert Gewerkschaften. Bei ihm erfahren wir, dass die meisten Arbeiter gar keine Wahl haben. Sie müssen jederzeit damit rechnen, auf der Strasse zu stehen.

Moeun Tola, Arbeitsrechtler / Community Legal Education Centre

»Eine Knebel ist der geringe Lohn. Die Arbeiter müssen die Überstunden leisten, um ihre Familie in der Provinz unterstützen zu können. Zum anderen sind da die befristeten Verträge. Der Vertrag wird einfach nicht verlängert, wenn Sie Nein sagen.«

Der Standort Kambodscha boomt.

Die Textilexporte sind um 32 Prozent gestiegen.

Jede Woche machen zwei neue Fabriken auf. In China ist die Produktion zu teuer geworden. Das Billiglohnland Kambodscha verspricht höhere Renditen.

Bei sich drehen lassen wollen die wenigsten! Nur eine einzige Fabrik öffnet für uns ihre Tore - mit gutem Grund.

Peter Pan ist Fabrikmanager aus Taiwan und verantwortlich für 11.000 Mitarbeiter.

Er zahlt mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Und einen Extra-Bonus. Doch viel Spielraum hat er nicht.

Peter Pan, QMI

»Es gibt so viele Fabriken in Kambodscha. Und die großen Konzerne suchen sich die Fabriken ja nicht nur nach Qualität aus, sondern auch nach dem Preis. Da müssen wir konkurrenzfähig bleiben!«

Sicherheitskontrolle vor der Mittagspause. Diese Frauen - sie sind das schwächste Glied in der Produktionskette.

Textilarbeiterinnen in Kambodscha
Textilarbeiterinnen in Kambodscha

Die großen Modekonzerne hätten die Macht die Löhne zu erhöhen. Nike, Adidas oder H&M könnten die Fabriken einfach verpflichten, mehr zu zahlen. Wenn sie denn wollten!

Ken Loo, Verband der Textilfabriken Kambodschas GMAC

»Die Konzerne sind doch am Ende dafür verantwortlich, wie viel die Textilfabriken ihren Arbeitern zahlen. Das wissen die Konzerne ganz genau, verschweigen es aber lieber. Auf uns Textilfabriken üben sie keinen Druck aus, mehr zu zahlen. Weil sie genau wissen, dass wir nicht das Geld für höhere Löhne haben!«

Feierabend - Wir treffen Tha wieder. Ein langer Arbeitstag liegt hinter ihr. 11 Stunden hat sie T-Shirts genäht.

Mit ihren Kollegen quetscht sie sich auf die Lastwagen. Alle wollen so schnell wie möglich nach Hause.

Nach einer Stunde ist auch Tha bei ihrem Mann und ihrer Tochter.

Sie hat jetzt nur noch einen Wunsch. Endlich ihr kleines Mächen im Arm zu halten. Die kleine Lidet sieht ihre Mutter meist nur kurz vor dem Einschlafen.

Zum Abendessen gibt es ein Stück frittiertes Huhn. Zumindest ihre Tochter soll die Armut nicht schmecken.

Hourn Tha, Textilarbeiterin

Hourn Tha
Hourn Tha


»Ich möchte, dass meine Tochter eine vernünftige Schulausbildung bekommt. Jeden Tag in der Fabrik zu arbeiten, immer nur von Monat zu Monat zu leben, das will ich ihr ersparen. Sie soll es besser haben!«

Ihre Kollegin Srey Sot hat ihr Kind verloren! Bei den Protesten für höhere Löhne.

Sie hatte gehofft, die Situation der Frauen verbessern zu können.

Ihre Rechte wurden mit Füßen getreten, und auf eine Entschuldigung wartet sie bis heute.

Oum Srey Sot, 20 Jahre alt

»Ich möchte, dass die Kunden von Nike wissen, dass diese Hemden mit dem Schweiß und Blut meiner Kollegen gefertigt wurden. Wir arbeiten hart und ertragen viel. Für diesen Job habe ich meine Kind verloren!«

Autor: Norbert Lübbers, ARD Studio Singapur

Stand: 15.04.2014 11:02 Uhr

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