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USA: Amerikas Helden suchen Hilfe

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USA: Amerikas Helden suchen Hilfe | Bild: ARD

Die wenigen Momente, in denen Aaron wirklich entspannt, verbringt er mit seinem Hund. Harvey ist sein ständiger Begleiter. Aaron vertraut ihm. Und nur ihm. Sein Hund spürt sofort, wenn Aaron wieder unruhig wird, wenn die Gedanken an den Krieg in Afghanistan den 26jährigen überfallen.

Auch für Stephanie, seine Frau, hat sich alles verändert, seitdem er von der Front zurück ist. Früher hatten sie oft Freunde zu Hause, heute kann Aaron Menschen kaum ertragen. Ständig ist er auf Stephanies Hilfe angewiesen. Nicht nur wegen der Folgen seiner schweren Kopfverletzung. Auch sonst erzählt sie mir, findet er sich in seinem alten Leben nicht mehr zurecht.

Aaron Voris:

»Ich habe noch immer das Gefühl, dass ich hier nicht hin gehöre. Ich müsste an der Front sein, da werde ich gebraucht. Ich vertraue dem Frieden nicht. Wenn es so still war, kam meist etwas schlimmes, etwas wirklich Schlimmes.«

Niemand hatte Stephanie vorbereitet, auf das, was kommt.

Stephanie, Aarons Frau:

»Wir haben nur ein Datum bekommen, wann unsere Männer zurück sind. Ich dachte, er wäre der Selbe, der ein Jahr zuvor gegangen war.«

In einem Safe hält Stephanie die Medikamente verschlossen. Schon einmal hatte ihr Mann, ein Fach aufgebrochen, um an die Pillen zu kommen. Anti-Depressiva, Schmerzmittel, Tabletten gegen Angstzustände, Aaron schluckt Berge von Medikamenten am Tag.
Krankenschwester, Ehefrau, letzte Vertraute - ihr ganzes Leben hat Stephanie dem von Aaron untergeordnet. Weil sie ihn liebt. Und weil sie es unpatriotisch findet, ihn im Stich zu lassen. Schließlich habe er sein Leben für sein Land riskiert.

Stets dabei, Harvey der Hund, und Aarons Waffen. Auch jetzt kontrolliert er ob sie richtig geladen sind. Darüber streitet das Paar oft. Stephanie hat Angst. Schon einmal hat ihr Mann sie während eines Flashbacks fast erschossen.

Stephanie, Aarons Frau:

»Ich kam um die Ecke in der Küche, es war dunkel und er zielte auf mich. Er dachte, ich sei jemand anderes, er erkannte mich nicht. Ich sagte, stopp, ich bin`s doch! Sonst wäre ich in meinem eigenen Haus erschossen worden. Das passiert nicht täglich. Aber es kommt vor und macht Angst.«

Wir sind in Clarksville, im Bundesstaat Tennessee. Hier liegt einer der größten Militärstützpunkte der USA. Sitz der 101st Airborne Devision, eine Eliteeinheit. Sie geht ganz vorne an die Front, da wo es besonders schmutzig wird.
Viele die zurückkommen, werden die Bilder von dort nie mehr los.

Traumatisierte amerikanische Helden suchen Hilfe.
Traumatisierte amerikanische Helden suchen Hilfe.

Ich liebe Dich, Daddy, hat ihm seine kleine Tochter aufs Namensschild geschrieben. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass Chris Fields Emily in die Schule begleiten konnte. Immer war er an der Front.
Nach dem Rückzug aus Afghanistan, ist er wieder bei seiner Familie - wie viele Väter. Jetzt, wo der Krieg beendet ist, beginnt für sie der Kampf an der Heimatfront.

Bilder von Chris im Krieg. Ein US Kamerateam hatte ihn im Kampfgebiet begleitet. Als Offizier war er verantwortlich für 800 Soldaten. Eine Vaterfigur für die oft jungen Kämpfer. Gefühle zeigte Chris nur selten. Er war Vorbild, auch da, wo er nicht mehr konnte.

Er nimmt uns mit in den Wald. Nur wenn er alleine ist, spricht er offen, über die Bilder, die ihn nicht loslassen. Über die Grausamkeiten, die auch seine Truppe begangen hat, über seine vielen Flashbacks.

Von den Gedanken an die gefallenen Kameraden.

Chris, der darauf getrimmt war, immer stark zu sein, dachte plötzlich an Selbstmord.

Chris Fields:

»Ich machte mir Vorwürfe, was ich meiner Frau und meinen Kindern zumute. Ich fragte mich, wie kann es sein, dass ich, ein Offizier der mächtigsten Armee der Welt, mich nicht im Griff habe? Mich nicht kontrollieren kann? Sehen Sie, der Hund spürt, dass ich emotional werde. Er will mich beruhigen…«

Täglich nehmen sich 22 US-Veteranen das Leben.
Täglich nehmen sich 22 US-Veteranen das Leben.

Wer hilft den Familien dieser tickenden Zeitbomben? 22 Ex-Soldaten bringen sich um, jeden Tag. Weil Ärzte sie zu lange warten lassen. Weil kaum jemand da ist, der hilft. Weil der Kampf an der Heimatfront zermürbt.
Was hier wirkt wie ein fröhlicher Männerabend, ist eine private Therapiesitzung. Chris Fields trifft sich regelmäßig mit seinen Kameraden aus der Zeit in Afghanistan. Er ermutigt sie, sich Hilfe zu suchen. Erzählt von seinen Problemen.

Michael Millburg:

»Wo wären wir ohne ihn? Wahrscheinlich verloren im Alkohol. Er hat uns immer Halt gegeben. Im Feld und hier zu Hause. Ich verehre ihn mehr als meine Mutter und meinen Vater. Im Einsatz hat er so viel mehr gemacht, als ich mir jemals zu träumen gewagt hätte. Wir alle haben unglaublich viel Respekt für diesen Mann.«

Das Haus von Chris Fields steht für alle offen, die Rat und Halt suchen. Denn offizielle Stellen sind mit dem Ansturm der zurückkehrenden Soldaten heillos überfordert.
Dann reden sie, statt versteinert zu schweigen: von den Bomben, Schreien und der Todesangst. Und wenn einer abzudriften droht, legt Chris väterlich den Arm um ihn.

Denn sie alle kennen das Gefühl: Heiliger Mist, das wäre es fast gewesen...
Das Land, das Millionen junge Menschen an die Front geschickt hat, ist nicht vorbereitet darauf, sie wieder aufzufangen. Kriege zu beginnen, ist einfach. Sie zu beenden nicht.

ARD Studio Washington/Autorin: Tina Hassel

Stand: 23.03.2015 11:34 Uhr

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