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USA: Die Polizei rüstet auf

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USA: Die Polizei rüstet auf | Bild: ARD

Panik, Schüsse, Amoklauf in einem Kino. Mitten drin, drei Polizisten. Laden, zielen, Nerven behalten. Wo hält sich der Schütze versteckt? Eine Frage von Leben und Tod.

Auf dem Parkplatz am Hintereingang kommt es zum Showdown.

Polizist:

»Lass die Waffe fallen, los.«

Der Täter schießt, Sekunden später liegt er am Boden, von Kugeln durchsiebt.

Polizist:

»Ok, das wars...«

Wir sind in einem Trainingszentrum für Polizisten im Großraum von Los Angeles. Hier lernen Cops ihre Reflexe zu kontrollieren. Nicht zu früh abzudrücken. Aber auch tödlich zu schießen, zu unserem großen Erstaunen.

Deputy Jim Grady, Trainer:

»Klar, wir hören immer wieder, schießt doch nur in den Arm, um den Täter außer Gefecht zu setzen. Das funktioniert aber nicht. Der hat dann immer noch 20 Sekunden, in denen er um sich ballern kann. Was glauben Sie wie viel man da anrichten kann? Der Kerl hier hätte sein ganzes Magazin leeren können, um uns zu töten, oder die Geisel oder umstehende Passanten.«

In ihren Ohren klingt das unerträglich. Die Organisation „Schwarze Leben zählen“, kämpft seit langem gegen Polizeigewalt. Wir sind in Detroit. Viele hier haben selber schon aggressive Kontrollen erlebt. Mitten drin, Ron Scott. Ein Veteran der Bewegung. Er macht den Jungen Mut. Obamas Polizeireform dürfe erst der Anfang sein. Damit nicht immer mehr junge Schwarze erschossen werden - von Polizisten, die schlecht ausgebildet, aber bis an die Zähne bewaffnet sind. Viele Opfer waren noch Kinder. Wie Aiyana, die gerade 7 Jahre wurde.

Ron nimmt uns mit zu Aiyanas Familie. Ihre Großmutter war dabei als das Sonderkommando ihr Haus stürmte. Was dann passierte, sei wie im Krieg gewesen.

Mertilla, Großmutter:

»Ich sah plötzlich all das grelle Licht von der Granate, Glas splitterte, meine Tür wurde eingetreten. Ich warf mich flach auf den Boden. Aber Aiyana schlief auf dem Sofa, mit dem Kopf in Richtung Tür. Als die Polizisten endlich das Licht anmachten und sahen, dass sie Aiyana getroffen hatten, sagten sie „Oh shit“. Ja, shit habe ich geschrieben, ihr habt gerade meine Enkelin erschossen.«

Zufällig filmt ein US Team den Einsatz. Es hält fest, wie die schwerbewaffnete Sondereinheit auf der Suche nach einem Drogendealer das Haus stürmt. Dass Kinderspielzeug im Garten liegt stört sie nicht. Hinterher stellt sich raus, sie hatten sich im Stockwerk geirrt. Auf der Basis von Gerichtsprotokollen werden die Ereignisse nachgestellt. Erst fliegt eine Blendgranate, dann beginnt der Kugelhagel. Der Hund wird erschossen, dann das schlafende Kind. Mertilla, die Großmutter muss sich flach auf den Boden legen.

Ron Scott, Veteran der Bewegung
Ron Scott, Veteran der Bewegung | Bild: WDR / WDR

Ron Scott, Veteran:

»Sie müssen endlich eine akribische Aufsicht führen über das, was diese Sondereinsatzkommandos hier treiben. Sie sollen uns schützen und führen in Wahrheit Krieg gegen die Bevölkerung.«

Von Aiyana bleiben der Familie nur wenige Fotos. Der Schütze wurde vor Gericht frei gesprochen. Ihm sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Kein Wort der Anteilnahme, keine Entschuldigung, bis heute.

Mertilla, Großmutter:

»Dabei hat er Aiyanas Mutter gezwungen, sich auf das blutverschmierte Sofa zu setzen, dorthin, wo sie gerade ihre Tochter in den Kopf geschossen hatten. Die kleinen Geschwister haben alles gesehen, die Tür stand offen«

Zurück in Rialto, im Großraum von LA. Wir treffen die Polizisten aus dem Trainingszentrum wieder. Hier sind die Körperkameras, die Obama nun angeordnet hat, schon lange im Einsatz. Sergent Lindsay zeigt uns seinen ständigen Begleiter. Aus dem Blickwinkel des Officers nimmt die Kamera jede Begegnung auf.

Während unseres Interviews wird Josh Lindsay zum Einsatz gerufen. Ein flüchtender Unfallfahrer, aggressiv, wahrscheinlich bewaffnet.

Josh Lindsay, Sergent:

»Du weißt nie, was dich erwartet. Auf was für Waffen Du diesmal stößt. Die sind überall. Das ist verdammt gefährlich. Deshalb finde ich die Kameras inzwischen richtig gut. Sie halten genau fest, was wir in jeder Sekunde sehen«

Hubschrauber kreisen bereits über dem Versteck. Nachbarn winken nervös. Solche Situationen können leicht eskalieren, erklärt uns Sergent Lindsay. Wir dürfen nicht mit auf das Grundstück. Doch die Körperkamera zeichnet alles auf, was in dem verlassenen Garten vor sich geht. Sollte es zu einer Klage kommen, ist dokumentiert, dass die Polizisten zwar mit dem bissigen Hund drohen, ihn aber nicht wirklich auf den Flüchtigen hetzen. Dieser gibt schließlich auf. Der Einsatz endet ohne Gewalt. 12 Monate bleiben die Aufnahmen nun gespeichert.

Josh Gray Lindsay Sergent:

»Manchmal wirft man uns vor Dinge getan zu haben die nicht stimmen. Die Kamera aber hält alles genau fest. Was wir tun, was wir sagen. Sollte ermittelt werden, zeigt dies genau, was wir gemacht haben«

Das Sonderkommando, das Aiyana erschossen hat, trug keine Kamera. Seit über 4 Jahren kämpft ihre Familie deshalb vergeblich darum, den Schützen zur Verantwortung zu ziehen. Es hat geschneit, als wir Aiyanas Großmutter auf dem Friedhof wieder treffen. Sie muss das Grab ihrer Enkelin erst frei schaufeln. Irgendwie passend sagt Mertilla verbittert. Am Tag zuvor war der Polizist, der die tödlichen Schüsse abgefeuert hat, in dritter Instanz frei gesprochen worden.

Mertilla, Großmutter:

»Statt ins Gericht zu gehen, bin ich hier her gekommen, als sie die Anklage endgültig fallen gelassen haben. Ich wollte bei ihr sein.«

Mertilla Jones, Großmutter der getöteten Aiyana
Mertilla Jones, Großmutter der getöteten Aiyana | Bild: WDR / WDR

Den Kampf vor Gericht haben sie verloren. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, dass sich durch Obamas Polizeireform tatsächlich etwas ändert. Wenn auch Farbige keine Angst mehr haben müssten, von der Polizei erschossen, statt von ihr beschützt zu werden, wäre Ayiana nicht vollkommen sinnlos gestorben.

ARD Studio Washington/ Tina Hassel

Stand: 22.02.2015 20:29 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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