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Psychogramm Putin

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Psychogramm Putin | Bild: Das Erste

Ist er besessen von einer historischen Mission? Spielt er so kaltblütig geopolitischen Blitzschach, weil er die Schwächen seiner Gegner kennt? Sind es machohafte Allmachtsphantasien?

Oder ist er nur Gefangener einer schwierigen Kindheit, der schmächtige Junge aus Petersburg, der mit Kampfsport sein schüchternes Ego stabilisierte?

Wladimir Putin
Wladimir Putin

Dmitri Oreschkin, Autor, Politologe, Ex-Mitglied von Putins Menschenrechts-Rat. Er glaubt an Putins frühe Prägung:

Dmitri Oreschkin, Politologe, Autor:

»Putin hat die Psyche eines Straßenjungen, er ist aufgewachsen in Petersburger Hinterhöfen. Er weiß: Die Schwachen schlägt man. Als er jetzt die Ukraine verlor wollte er einfach nicht als Schwächling da stehen, er musste irgendwie reagieren.«

Und das tut er, zum Entsetzen der Europäer hält er sich sogar den Einsatz russischer Soldaten auch in anderen Teilen der Ukraine offen.

Wladimir Putin:

»Wenn wir das entscheiden dann, um die ukrainischen Bürger zu verteidigen. Ich will den ukrainischen Soldaten sehen, der auf Frauen und Kinder schießt, wenn wir hinter denen stehen.«

Und dann leugnet Putin schlicht die Existenz russischer Soldaten auf der Krim. Auch für Stanislaw Belkowski ist Putins Politik-Verständnis mit dessen Biografie erklärbar:

Wladimir Putin
Wladimir Putin

Stanislaw Belkowski, Mitgl. Putins Menschenrechtsrat:

»Das sind nicht nur Kindheits-Erfahrungen, sondern auch die als Vize-Bürgermeister von St. Petersburg. Da hat er alle Tricks des kriminellen Milieus kennen gelernt. Denn er war dessen Kontakte zur  Stadtverwaltung zuständig.«

Russische Spezialkräfte ohne Rangabzeichen, so die Überzeugung, belagern und überrennen reguläre ukrainische Armee-Einheiten, Provokationen, Täuschung, Propaganda: Der Westen wie paralysiert.

Dmitri Oreschkin, Politologe, Autor:

»Seine politische Erfahrung unterscheidet sich grundlegend von der europäischer Politiker. Für ihn gilt: Je dreister, vulgärer und härter man vorgeht, desto erfolgreicher.«

Stanislaw Belkowski, Mitgl. Putins Menschenrechtsrat:

»Und was seine historische Rolle angeht, seinen Platz in den russischen Geschichtsbüchern, mit denen er sich in der letzten Zeit geradezu manisch beschäftigt: In die Geschichte will er eingehen als der Führer, der Russland die Krim zurück gegeben hat.«

Der Zerfall der Sowjetunion, für den jungen KGB-Spion Putin war das die historische Katastrophe – Nun lässt er Territorien besetzen, bricht er Völkerrecht, riskiert sogar einen neuen kalten Krieg, um alte Größe zu restaurieren.

Dmitri Oreschkin, Politologe, Autor:

»Das Phänomen Putin liegt darin, dass seine Minderwertigkeits-Probleme gut zu denen seiner Bevölkerung passen. Auch die leidet noch unter dem Zusammenbruch der Sowjetunion«

Selbst die Kanzlerin ungewöhnlich deutlich, der EU-Sanktions-Gipfel am Donnerstag beschreibt die rasante Entfremdung auch zwischen Moskau und Berlin. Kritik am Zaren!

Dmitri Oreschkin, Politologe, Autor:

»Natürlich, Putin ist tief verletzt. Er wurde in der Kindheit verletzt, und sogar jetzt noch, auf dem Gipfel seiner Macht, mit nur noch dem Himmel über ihm, muss er sich Verletzendes anhören ?! Und das von Menschen, die nicht einmal Atomwaffen besitzen. Entschuldigung, wer bitteschön ist Deutschland?? Das sind doch die, die den Krieg verloren haben.«

Vierzehn Jahre, inzwischen fast grenzenlose Macht haben Putin geprägt: Statt mit Frau und Kindern sind seine engsten Bezugspersonen Männer aus Militär und Geheimdiensten, viele kleine Offiziere, die zu grenzenlosem Reichtum gelangten, ein gewalt-fixierter Männerbund mit Realitätsverlust?

Das Konzert für Zehntausende, live im Fernsehen, für die Aufnahme der Krim in Russland: Putin und seine mächtigen Freunde beherrschen längst Medien und Meinung.

Dmitri Oreschkin, Politologe, Autor:

»Zwei Monate totaler Fernsehpropaganda, und schon sind die Ukrainer von einem Brudervolk zu einer Horde von Faschisten geworden, zu verachtenswerten Sklaven des Westens, korrupt und korrumpierbar durch westliche Interessen. Jeder beliebige Quatsch kann zu sozialer Wirklichkeit gemacht werden.«

Das Volk läßt sich beliebig manipulieren, Putin droht auch keine Gefahr mehr durch Demonstranten.

Stanislaw Belkowski, Mitgl. Putins Menschenrechtsrat:

»Es gibt in der Psychiatrie ja das Phänomen des Caesaren-Wahns. Das heißt: Wenn man über viele Jahre keinen Widerstand spürt, dann glaubt man, nie wieder welchen zu erleben. So wie der römische Kaiser Caligula sein Pferd zum Senator ernannte handelt Putin jetzt auf der Krim und fragt: Habt Ihr im Westen nicht immer behauptet, dass man mir alles zutrauen kann?«

Seine letzte Amtseinführung, wieder zurück im Kreml, Putin bekommt, was er will. Bei weiteren US-Sanktionen drohte er gestern mit dem Abbruch der Atomwaffen-Inspektionen. Er ist bereit auch zu radikalen Schritten, sagen die, die ihn kennen.

Autor: Udo Lielischkies
ARD Studio Moskau

Stand: 10.10.2016 12:35 Uhr

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