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Russenland

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Russenland | Bild: Das Erste

Es ist etwas ganz anderes, als der kalte russische Winter.

Hier, wo man Anfang März schon im T-Shirt joggt - und jederzeit das Leben genießt.

Ich bin unterwegs an der Cote´d Azur, einem der schönsten Flecken Europas.

Und: einer Gegend, die fest in russicher Hand ist.

Mit der größten orthodoxen Kirche außerhalb Russlands - und unendlichen Möglichkeiten, den Rubel rollen zu lassen.

größte orthodoxe Kirche außerhalb Russlands
größte orthodoxe Kirche außerhalb Russlands

»Früher kam der Zar, heute kommen sie selbst zu tausenden. Nizza ist   vielleicht der Sehnsuchtsort schlechthin – für die Russen in Europa«

Doch ziehen nun selbst hier düsterere Zeiten auf? Wegen des Konflikts in der Ukraine?

Samstag morgen, kurz vor zehn am Bahnhof von Nizza - der Zug fährt ein - der aus Moskau. So eng sind die Russen mit der Cote d´Azur verwoben, dass es selbst sowas gibt. Der drohende Krieg, der Streit zwischen Europa und Russland, mögliche Sanktionen, das ist auch hier Thema.

Mann:

»Machen sie es schwerer für uns ans Visa zu kommen? Das Reisen insgesamt? Es ist ein großes Problem mit der Ukraine - aber ich hoffe, dass sich das löst.«

Draußen, auf der berühmten Promenade des Anglais treffe ich zwei Russinnen, die das deutlich entspannter sehen: Ljuba lebt seit Jahren in Frankreich, ihre Freundin Larissa ist regelmäßig zu Besuch. Ihnen, den Russen wegen der Krim-Krise das Reisen zu erschweren, das traue sich Europa niemals.

Frau:

»Die Beziehungen sind schlecht zwischen Russlands und - tja, praktisch dem Rest der Welt.«

Aber das war auch schon nach dem Georgien-Krieg so, sagen sie - jetzt sei Gras drüber gewachsen.

Frau:

»Die Franzosen brauchen heute so sehr wie nie unser Geld. Krim hin oder her. Wenn wir nicht kommen, was soll denn dann hier Geld bringen?«

Tja, woher soll es kommen - das Geld? Ich weiß: Die bislang verhängten Sanktionen: Kontosperren, Einreiseverbote treffen nur einen sehr, sehr kleinen Teil der russischen Elite. Aber mit wem ich auch spreche - ob Russen oder Franzosen - hier in Südfrankreich sorgt man sich, dass der Kreis größer wird - wenn der Konflikt weiter eskaliert.

Christophe Anverso und Kristina Jukanova verkaufen Häuser an der Cote d´Azur, obwohl: Anwesen trifft es wohl besser - für viele Millionen Euro.

Christope Anverso:

»Dahinten beginnt das Estrell-Gebirge. Und da unten in der Achse, das ist der Hafen von Mandelieu.«

Nizza, Cannes, Menton - 40 Prozent ihrer Kunden sind Russen. Eine politische Krise, erzählen sie mir, können sie nicht gebrauchen.

Christope Anverso:

»Ich denke, ganz Europa hat ein Interesse daran, dass die Russen frei reisen können. Frankreich hat dieses Interesse auf jeden Fall, Großbritannien auch. Wir wünschen uns, dass die Lage sich nicht zuspitzt. Und dass Diplomatie und Klugheit sich durchsetzen.«

Aber: Von den beiden lerne ich auch, dass auch die Russen etwas zu verlieren haben. Essen, Shoppen, Kultur: Für sie gehörten Reisen in den westen, Kurztrips nach Europa zum Lifestyle - unbedingt.

junge Russin
junge Russin

Kristina Jukanova:

»Natürlich gibts auch in Russland, Kunst und Geschichte. Aber diese Alltagskultur, dieses schicke, freundliche - wie hier in Frankreich - das fehlt dort eben. Und ich denke, unsere Kunden kaufen auch, um irgendwie dazu zu gehören - zu dieser westlichen Kultur.«

Ist das vielleicht die einzige wirkliche Waffe, die Europa hat ? Das wir etwas schicker sind? Wie kann Europa reagieren auf die Krim-Krise? Oder sind wir wirklich viel zu abhängig von Russlands Geld?

Sie hier haben dazu eine klare Meinung: Pawel, Alexander und ihre Freunde zeigen mitten in Nizza buchstäblich Flagge - für ihre Heimat Ukraine. Ich merke, wie sehr sie auf die EU bauen - und sich wie entrüstet, dass sie bislang so zögerlich ist: Sanktionen gegen 15 Leute, dass reiche nicht.

Mann:

»Man müsste allen russischen Beamten Visa für Europa verweigern. Viele von denen haben gerade hier ihre Luxushäuser. Das würde in Russland was bewegen.«

Mann:

»Kein Geld der Welt kann wichtiger sein, wenn anderswo Menschen sterben. Ich denke, man muss an die Völker denken, ans Große ganze - und nicht ans Geld.«

Eine Forderung, die mir einleuchtet. Doch ich verstehe auch die Sorgen der Franzosen an der Cote d´Azur. Europa kann wirtschaftlich Russland bestrafen - aber das wird einen Preis haben. Auch - und vielleicht mehr als anderswo: hier.

Autor: Markus Preiß
ARD Studio PARIS

Stand: 15.04.2014 10:44 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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