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Frankreich: Höhenrausch mit Helmkameras

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Frankreich: Höhenrausch mit Helmkameras | Bild: Das Erste

Kaum jemand kennt Frankreichs Alpen so wie sie: Für Fabien, Timmy und ihre Freunde fangen die Berge dort an, wo der Lift aufhört. Interview auf 3200 Metern.

Fabien Maierhofer:

Wir sind hier in der Gegend aufgewachsen. Sich in den Bergen zu bewegen, dass ist Teil unseres Lebens.

Timothée Théaux:

»Wir haben uns Schritt für Schritt entwickelt - bis hin zu dem was wir jetzt machen: Freeriden in jedem Gelände.«

Immer dabei – die Kamera am Helm. .... Und so sieht das aus....

Skifahrer im Tiefschnee.
Skiläufer mit Helmkamera

Im Sommer arbeiten sie auf dem Bau - im Winter verdienen sie ihr Geld mit einem Videoblog – Hochglanzbilder, gesponsort von einer großen Sportfirma.

Fabien Maierhofer:

»Die großen Sportmarken verkaufen mit diesen Bildern Träume. Je schöner die Aufnahmen, desto mehr Geld geben die Leute aus: Für Ausrüstung und Skiurlaub.«

Doch die perfekten Bilder machen nicht nur Lust - sie stacheln auch an. In fast jedem Sportgeschäft gibt es heute Videokameras. Film dich selbst - sei ein Held, be a hero. Millionenfach sind solche Kameras in den letzten Jahren verkauft worden. Auch Timmy und Fabien begegnen täglich hunderten Skiläufern damit - auch solchen, die erkennbar deutlich schlechter fahren als sie selbst.

Skifahrer:

»Wenn ich heim komme, schicke ich das Video gleich meinen Freunden - damit die sehen, was ich drauf habe.«

»Man fährt schon anders damit, versucht was Spektakuläres - was man sich ohne Kamera nicht trauen würde.«

»Warum wir das machen? Weiß nicht - frag mal die Erfinder von Youtube und Facebook.«

Mit denen würde Jean-Marc Chabert auch gern mal sprechen. Der 54-jährige ist verantwortlich für die Sicherheit im französischen Skigebiet Val Thorens. Nach seiner Erfahrung sind die Kameras ein gewaltiges Unfallrisiko geworden.

Jean-Marc Chabert Pistendirektor Val Thorens:

»Die Kameras ändern das Verhalten der Leute. Sie versuchen Dinge nachzumachen. Sie suchen die Grenzen: Sie fahren viel schneller, sie springen - sie suchen die Gefahr, um zu zeigen, wie toll sie sind.«

Und sie gehen zunehmend dorthin - wo es lebensgefährlich wird. Abseits der Piste wartet der vermeintlich richtige Tiefschnee-Kick. Per Mausklick sprengt Jean-Marc Chabert früh morgens die Schneemassen vom Berg - zur Sicherheit. Es sei verrückt, sagt er - aber die meisten Hobbyfahrer seien bewusst dann unterwegs, wenn das Lawinenrisiko am höchstens ist. Einfach weil es dann die besten Tiefschnee-Bilder gäbe.

Oder: Die schlimmsten. Er will seinen Freund noch aufhalten. Doch dann geht die Lawine ab. Scheiße, wo bist Du? Der coole Film wird zum Horror-Streifen. Durch die mobilen Kameras sind viele Unfälle dokumentiert. Wie durch ein Wunder haben beide Hobby-Helden ihr Abenteuer überlebt. Ein Abenteuer, das sie gefährdet - und andere, unten im Tal.

Wie groß die Gefahr ist, haben auch Fabien, Timmy und Victor schon gespürt - am eigenen Leib.

Fabien Maierhofer:

»Du siehst nichts mehr unter einer Lawine. Es ist, als würdest Du ertrinken. Du willst atmen, aber der Mund ist voll Schnee.«

Ohne Lawinensender, Schaufel und Sonde gehen sie nie mehr neben die Piste. Doch viele Hobbyskifahrer, das wissen sie, sind weniger vorsichtig.

Fabien Maierhofer:

»Das ist die Kehrseite von dem, was wir machen, sagen sie selbstkritisch.. Die Leute kriegen Lust es selbst zu probieren. Aber wir können nur warnen: Man braucht viel Erfahrung und Background.«

Warnen - und aufklären: Auch deshalb treffen sich die Jungs mit ihm: Dominique Létang - leitet Frankreichs staatliches Lawinenforschungsinstitut und soll in Schulen und Skivereinen aufklären. Dass bekannte Freerider, die auf der Piste wie Maschinen wirken, auch in Präventionsvideos mitmachen, sei sehr wichtig. Glaubwürdige Pistenprofis - statt erhobenem Zeigefinger.

Dominique Létang:

Nationale Lawinenforschungsgesellschaft Frankreich (ANENA)

»Natürlich will niemand, dass es Tote gibt. Aber mich ärgert die Heuchelei von Kameraherstellern, Skiorten: Alle werben mit Bildern im Tiefschnee. Wir hatten in Frankreich letztes Jahr 36 Lawinentote - alle sollten mehr Verantwortung zeigen.«

Zwei Freerider übereinander.
Freerider

Für Fabian und die anderen gehört dazu auch, in ihren Videoblogs nicht nur das hier zu zeigen....

Sondern auch das, was nicht klappt: Stürze, Mißgeschicke - schlechtes Wetter. Den perfekten Skitag aus der Werbung, den gäbe es nicht mal für Profis wie sie.

Victor Galuchot:

»Ein Tourist sollte das alles vergessen. Selbst für uns, mit viel Aufwand, sind es immer nur Augenblicke, die richtig gut aussehen. Es dauert oft Monate, um daraus ein cooles Video zu basteln - und das hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun.«

Der Traum vom Berg, der Traum von Schnee - wirklich eintauchen, finden sie könne ohnehin nur, wer diese Wunder bewusst betrachte - mit den Augen, nicht mit der Kamera.

Autor: Markus Preiß, ARD Studio Paris

Stand: 07.02.2014 13:42 Uhr

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