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Bolivien: Wohlstand mit Lithium?

PlayDer Salar von Uyuni
Bolivien: Wohlstand mit Lithium? | Bild: BR

Der Salar von Uyuni ist die größte Salzebene der Erde. In diesem Salz stecken neun Millionen Tonnen Lithium, kein anderes Vorkommen ist größer. 12 mal so groß wie Berlin und 100 Meter dick – Salz! Darin: die lithiumhaltige Sole, die Bolivien, das ärmste Land Südamerikas, zu Wohlstand verhelfen könnte.

Die schweren Maschinen, die begonnen haben, das makellose Weiß des Salar zu zerschneiden, können problemlos auf dem harten Mineral fahren, um Förderanlagen anzulegen. Salinenbecken, in denen das Leichtmetall aus der Sole gelöst wird, bedecken heute erst ein halbes Prozent der gigantischen Salzpfanne. Bis zu ein Drittel ihrer Fläche aber hat der Staat für die Lithiumgewinnung freigegeben.

Die Becken aus der Luft gesehen
Die Becken aus der Luft gesehen | Bild: BR

Marco Condoretty, Technischer Leiter von YLB Litio Boliviano: "Mit großen Pumpen holen wir die Sole aus dem Boden und leiten sie in die Becken. Bei der Verdunstung bleiben im ersten Becken schwerere Metalle zurück. Das restliche Wasser pumpen wir ins nächste Becken und so weiter, bis sich im letzten, im achten Becken das leichte aber noch verunreinigte Lithium absetzt."

Nationale Priorität Lithium

Vor zehn Jahren hat die bolivianische Regierung der Lithiumgewinnung nationale Priorität eingeräumt. In diesem kleinen Betrieb, am Rande des Salar, hat es die staatliche Lithiumgesellschaft geschafft, marktreifes Material herzustellen. In einem aufwändigen Prozess muss das Lithium von Magnesium und anderen Verunreinigungen getrennt werden. Je reiner, desto wertvoller ist es für die Herstellung wiederaufladbarer Batterien.

Marco Condoretty
Marco Condoretty | Bild: BR

"Das ist also der Stoff, auf den jetzt die ganze Welt scharf ist, frage ich." "Ja", sagt Marcos Condoretty, "aber das hier ist erst der Anfang. Nächstes Jahr werden wir eine große Anlage einweihen, mit der wir den steigenden Bedarf der Industrie besser decken können." Und präsentiert dann die Produktion der vorigen zwei Monate: 12 Tonnen reines Lithiumcarbonat, sechs für China, sechs für Russland, 10.000 Euro pro Tonne – Made in Bolivia.

Bolivien fällt sein neuer Schatz nicht in den Schoß. Glück zwar, dass ausgerechnet der hier reichlich vorhandene Bodenschatz für zukünftige Autoantriebe oder Handyakkus immer wichtiger wird. Doch hinter der Ausbeutung und Verarbeitung des Rohstoffes steht eine durchdachte Strategie der sozialistischen Regierung von Präsident Evo Morales: Ihm war es wichtig, dass die Bolivianer ihr Lithium selbst fördern, um sich möglichst wenig vom Ausland reinreden zu lassen. Das macht vom Chef bis zum LKW-Fahrer alle hier stolz: "Es ist eine Ehre, an etwas beteiligt zu sein, was vielleicht eines Tages dauerhaften Wohlstand für unser Land bringt." "Es schafft Arbeit, denn wir werden mit der Zeit noch wachsen."

Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen

"Ich hatte als Kind einen Lehrer, der uns sagte: 'Eines Tages wird die ganze Welt von uns sprechen.' Aber nicht wegen der Silberminen, die es damals in Bolivien gab, sondern wegen Lithium. Er sagte: 'Wir werden hier Batterien herstellen.' Alle glaubten er sei verrückt. Und heute, wo ich hier arbeite weiß ich, dass es nur von unserem Fleiß abhängt, ob unsere Industrie erfolgreich wird oder nicht." Maria Belén Andreada ist für die Sicherheit im Betrieb zuständig. Ihre Stelle ist eine von 1000, die das Lithium geschaffen hat. Wie alle hier arbeitet sie zwei Wochen am Stück und hat dann eine Woche frei. Jetzt geht es nach Hause, vier Stunden mit dem Bus nach Potosi. Dort besuchen wir sie noch einmal, denn in Potosi gibt es noch mehr zu sehen.

Die Stadt liegt auf über 4000 Meter Höhe und ist bekannt für ihre Zinn- und Silberminen. Die haben seit der Kolonialzeit ihre ausländischen Besitzer reich und die Minenarbeiter krank gemacht. Noch heute arbeiten in den Minen angeblich mehrere hundert Kinder. In den Köpfen der Bolivianer ist die Angst fest verankert, dass wieder Fremde kommen und ihnen ihre Schätze wegnehmen.

Maria Belén Andreada
Maria Belén Andreada | Bild: BR

Die Angestellte des staatlichen Lithiumförderers YLB Maria Belén Andreada erzählt uns: "Meine Stadt ist trotz ihrer Bodenschätze arm. Jetzt haben wir eine zweite Chance mit dem weißen Gold Lithium. Wir hoffen, dass wir es nicht nur fördern werden, sondern eine ganze Produktionskette aufbauen und es selbst verarbeiten. Souverän und anders als früher, ohne fremde Hilfe."

Genau daran wird etwas außerhalb von Potosi seit Jahren gearbeitet. Jetzt ist es soweit und die Bolivianer produzieren mit ihrem eigenen Lithium wiederaufladbare Batterien. Was fehlt, ist ein Partner, der bereit ist, die Tür zum Weltmarkt zu öffnen, ohne das Kommando zu übernehmen. Dafür hat Bolivien ein Gesetz erlassen: erst in der Phase der Vermarktung dürfen ausländische Firmen sich am Geschäft beteiligen, und dann nur zu 49 Prozent.

Eine Lithiumstrategie

Juan Carlos Montenegro, der Leiter des nationalen Lithiumprogramms YLB: "Wir suchen nach einem Partner mit großer Markterfahrung, der in der Lage ist, Innovationen bei der rasanten Entwicklung der Energiespeichertechnik mitzugehen. Außerdem wollen wir nicht nur bei Akkus für Elektroautos eine Rolle spielen, sondern auch auf dem dazugehörigen Gebiet der regenerierbaren Energien."

Klar, dass das Lithium, das hier im Salar von Uyuni darauf wartet zukünftige Flotten von Elektroautos anzutreiben, im Rest der Welt Begehrlichkeiten weckt, allen voran chinesische Begehrlichkeiten. China ist längst präsent im Salar. Herr Ji baut mitten ins Salz eine Großanlage zur Kaliumgewinnung, allerdings in unmittelbarer Nachbarschaft der Lithiumbecken.

Ji Xinsheng, Geschäftsführer China CAMC Engineering: "Ich habe nur in der Zeitung gelesen, dass es hier Lithium gibt und Freunde haben es mir auch erzählt. Angeblich sollen sogar 60 Prozent des Weltvorkommens hier sein." "Aber das ist nicht der Grund, warum sie hier sind?", frage ich nach und Herr Ji sagt: "Davon hat die Unternehmensleitung mir nichts gesagt."

Salz am Salar
Salz am Salar | Bild: BR

Es heißt, das neue Öl liege im Salz und heiße Lithium. In Bolivien hat man das erkannt und investiert. Wenn die Verantwortlichen jetzt alles richtig machen, könnte die Elektromobilität das Land einen großen Schritt voranbringen.

Autor: Peter Sonnenberg, ARD Rio de Janeiro

Stand: 31.07.2019 16:27 Uhr

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