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USA: New York – Paradies für die Psyche

PlayEine Frau liegt auf einem Sofa und wird fotografiert.
USA: New York – Paradies für die Psyche | Bild: BR

Einen Ruhepol finden im Wahnsinn von New York, das wünschen sich viele gestresste Städter und suchen professionelle Hilfe. Psychiater, Psychologen, Psychoanalysten: kaum eine Stadt braucht mehr von ihnen als New York. Psychiater Sebastian Zimmermann: "New York ist eine sehr stressige Stadt. Viele sind hier Workaholics. Die Leute leben hier und versuchen zu überleben. Ich kriege schon sehr viele gestresste Patienten in meine Praxis. Auf der anderen Seite sind die Leute einfacher zu bewegen, mal einen Therapeuten aufzusuchen."

Sebastian interessiert sich aber nicht nur für das Seelenleben der Patienten, sondern auch das der Seelenklempner, der "Shrinks", wie sie in New York durchaus liebevoll genannt werden. 50 von ihnen hat er bereits in einem Fotoband verewigt.
Petra ist die 51., zufällig aus Wien: Freud lässt grüßen. Sebastian Zimmermann: "Mich hat sofort die blaue Couch angezogen. Petra ist Wienerin. Ich wollte das in meiner Fotografie zum Ausdruck bringen. Deswegen habe ich auch das Foto gemacht, wo sie die Traumdeutung von Freud in der Hand hält. Freud war auch ein Wiener."
Wie durch ein Schlüsselloch kann man mit den Porträts von Sebastian einen Blick in die sonst sorgsam geschützte Welt der shrinks werfen. Psychologin Petra Vospernik: "Den Psychologen in seinem eigenen Habitat, in seinem eigenen Wirkungsfeld so nah aufzunehmen, ist sehr authentisch."

Revival der Psychoanalyse

In News York lebt sie noch, die Freud’sche Psychoanalyse oder besser gesagt wieder. Die Psychoanalytikerin Jamieson Webster glaubt, dass Freud dieser Tage wieder neu entdeckt wird: "Wir brauchen die Psychoanalyse mehr denn je. Viele Patienten kehren zurück seit Amerika so in Aufruhr ist."
Wer sind die Menschen, die den anderen in die Seele blicken, und wie machen sie es? Das versucht Sebastian in seinen Fotos zu erfassen. Für Jamieson wählte der Fotograf das Motiv des Fallens: "Es war eher eine spontane Idee, aber ich habe viel über das Fallen nachgedacht. Es geht um ein Konzept des Analysten Jaques Lacan. In der Analyse ist es wichtig, wenn Dinge fallen. Und auch der Analyst fällt am Ende."

Es ist ein sehr privater Blick in die Welt der New Yorker Analysten und Psychiater. Zehn Jahre hat Sebastian daran gearbeitet, diejenigen vor die Kamera zu bekommen, die sonst gerne im Hintergrund bleiben: "Es war eine wunderbare Gelegenheit, einfach loszuziehen aus meiner eigenen Praxis und die Kollegen, mit denen ich erst mal angefangen habe, aufzunehmen. Und ich konnte damit meine zwei Leidenschaften, meinen Beruf, die Psychiatrie wunderbar verbinden mit der Fotografie."

Therapie ist kein Stigma

Sich fotografieren und befragen lassen, ist auch für Klienten kein Problem. Filmproduzent Richard Brown erklärt uns, dass es für New Yorker weder peinlich noch ein Stigma ist, sich therapieren zu lassen und darüber zu reden: "Ich verstehe mein Leben besser. Ich habe ein klareres Bild, warum ich bin, wer ich bin. Und ich habe eine größere Klarheit gewonnen, was ich aus meinem Leben machen will. Dann ergibt sich allerdings die Frage, ob man auch den Mut hat, das wirklich zu tun."

Mit einem anderen Fotografen retuschiert Sebastian seine Fotos, so wie es sich mancher Patient wohl von seinem Shrink für das eigene Leben erhofft. Petra Vospernik erklärt: "Es gehört zu einem gewissen Selbstverständnis dazu, dass man mindestens einmal die Woche sein Leben ein bisschen beleuchtet und sich fragt, wo man da gerade ist und wo man sein will."

Das Gedränge, der Verkehr, die Lautstärke, die 80-Stunden-Wochen: Manche New Yorker sind dem Stress kaum gewachsen. Alleine schaffen sie es einfach nicht. Und das kann auch jeder hier verstehen. Filmproduzent Richard Brown: "Ich unterhalte mich oft darüber mit Freunden und viele von ihnen sind jetzt selbst in Behandlung. Es scheint eine Arte Wiederauferstehung der Analyse zu geben."
Psychoanalytikerin Jamieson Webster: "Vielleicht ist das das Besonders in New York. Wir sprechen alle gerne darüber, dass wir leicht übergeschnappt sind und das hat etwas sehr Woody Allen-mäßiges. Wenn ich nach Los Angeles gehe, wundere ich mich über deren gemächliches Leben und dass sie sich nicht wie wir ständig über das Leben beklagen. Anscheinend muss man sich als New Yorker immerzu beschweren. Dazu braucht man aber ein Gegenüber."

50 Shrinks haben auch 50 Therapieansätze. New York ist deshalb ein Eldorado für Menschen, die ernste Probleme haben, aber auch solche, die auf der Suche nach Wellness für die Seele sind.

Autorin: Christiane Meier, ARD New York

Stand: 12.09.2019 22:51 Uhr

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