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Jemen: Rettung vor der Öl-Katastrophe – UN beginnen mit der Bergung

PlayÖltanker "Safer" vor der Küste des Jemen.
Jemen: Rettung vor der Öl-Katastrophe – UN beginnen Bergung | Bild: picture alliance/dpa | Stringer

Seit Jahren verrottet der Öltanker "Safer" im Roten Meer, neun Kilometer vor der jemenitischen Küste. Das Schiff hat eine Million Tonnen Öl an Bord. Seit 2015 – dem Beginn des Bürgerkriegs im Jemen – wird die "Safer" nicht mehr gewartet, sie droht auseinanderzubrechen. Jahrelang hatte niemand die Verantwortung für das Schicksal des 45 Jahre alten Frachters übernommen. Jetzt hat die UN mit der Bergung begonnen, will das Öl abpumpen und damit eine drohende Ölkatastrophe verhindern.

Annäherung an ein Schiff, das Katastrophen-Ängste weckt, aber auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft, vernachlässigt, verrostet. Im Bauch: mehr als eine Million Barrel Rohöl, vor der Küste eines Kriegslandes. Ein Leck oder eine Explosion genügt und die Schätze der See, von denen sie alle hier leben, wären auf lange Zeit verloren. "Wenn das Öl kommt, wäre das ein gewaltiges Problem. Die Fische, ganze Arten wären nicht mehr da. Es würde uns alles nehmen, unser Einkommen sind in Gefahr. Wir würden nichts mehr verdienen", sagt Fischer Ammar Ayesh.

Öltanker "Safer": eine tickende Zeitbombe

Unterwegs auf dem Fischmarkt von Hodeidah: Das, was das Meer hergibt, hält die Menschen über Wasser an Jemens Westküste. Dass dort draußen, nur einige Seemeilen entfernt, seit Jahren eine tickende Zeitbombe schwimmt, wissen alle. Doch sie wissen auch, dass genau jetzt, hier in Hodeidah, Menschen daran arbeiten, diese Bombe zu entschärfen. "Dieses Projekt hält mich nachts wach. Bis es fertig ist, werden wir alle nicht schlafen können. Vieles kann schiefgehen, aber wir haben auch Instrumente, das Schlimmste zu verhindern. Wenn ich mir die Wichtigkeit und die Komplexität dieser Aufgabe anschaue, dann muss ich sagen, dass ich erst zufrieden sein werde, wenn wir alles erreicht haben", sagt Mohammed Mudawi.

Mohammed kommt aus dem Sudan. Seine Rolle als Projektmanager der Vereinten Nationen sieht aus wie ein langweiliger Bürojob, ist es aber nicht. Mohammed trägt Verantwortung für die "Operation Safer", einer Aufgabe, wie sie sich die UNO lange nicht aufgebürdet hat. Dass die Weltgemeinschaft einen riesigen Tanker kauft, um einem anderen, der auseinanderfällt, das Öl abzupumpen – das ha es so auch noch nicht gegeben.

Hilfe durch eine UN-Mission

Fischmarkt mit vielen Menschen.
Das, was das Meer hergibt, hält die Menschen über Wasser an Jemens Westküste.  | Bild: NDR

Eine UN-Grafik zeigt den Schiff-zu-Schiff-Transfer, der die Ölpest abwenden soll, bevor sie eintritt. Koordiniert wird das Ganze von einem Team von Experten aus aller Welt – wie dem Australier Nick Quinn, ehemaliger Marine-Kommandeur, Spezialgebiet unter anderem Seeminenräumung. "Ich bin vor drei Monaten eigentlich in Rente gegangen, aber dann kam der Ruf, bei dieser UN-Mission zu helfen. Zuhause hätte mich meine Frau vielleicht die Wände streichen lassen, hier im Jemen kann ich jetzt bei etwas dabei sein, das den Unterschied macht", erklärt Quinn.

Die Rettungsaktion der "Safer" ist auch eine Möglichkeit für internationale Journalisten wie uns, überhaupt mal wieder in den Jemen reisen zu dürfen. In den vergangenen Jahren wurden vor allem für die Gegend hier, also den von den Huthi-Rebellen kontrollierten Norden des geteilten Landes, Visa und Drehgenehmigungen verweigert. Jetzt, auf Druck der UN, gibt es die Ausnahme. Berichts- und Bewegungsfreiheit bleiben trotzdem eingeschränkt, Überwachung gibt es überall.

Krieg seit mehr als acht Jahren im Jemen

In der Hauptstadt Sanaa gibt es ein paar Eindrücke, wie es dem Land heute geht. Die Fassaden der historischen Altstadt sind intakt, Elend und Armut zeigen sich auf den zweiten Blick. "Unser Haus wurde zu Beginn des Krieges von einer Rakete getroffen und ist immer noch kaputt. Meine Söhne sind damals gestorben, als alles über ihren Köpfen zusammenfiel. Wir haben sie gesucht, aber sie waren schon tot", erinnert sich Amina.

Seit mehr als acht Jahren herrscht Krieg im Jemen – Jahre, in denen auch der Tanker "Safer" zum Beinahe-Katastrophenfall wurde. Zankapfel der zwei großen Kriegsparteien, die sich bis heute beide als rechtmäßige Eigentümer des Offshore-Öls sehen. Auf einer hektischen Pressekonferenz in Hodeidah wird die Sicht der einen, der Huthi-Seite, präsentiert. Schuld am Zustand des schlecht gewarteten Schiffs seien die Aggressionen der anderen – die verfeindete Regierung im Süden und deren Verbündete.

Immerhin: Dass zuletzt die Waffen im Jemen immer häufiger geschwiegen hätten, sei eine gute Sache, sagt Edrees al-Shami, Chef der einen staatlichen Ölfirma. Auch das Engagement der UNO für die Tanker-Rettung sei zu begrüßen. "Das, um was es hier geht, ist keine lokale, keine regionale Problematik. Das geht die ganze Welt an."

Umweltkatastrophe kann wohl abgewendet werden

Ein Mann blickt in die Kamera
UN-Projektmanager Mohammed freut sich, dass die Vorbereitungen abgeschlossen sind. | Bild: NDR

Dann gibt ein ganz besonderer Ausflug zur "Safer": UN-Projektmanager Mohammed hat großartige Neuigkeiten – alle Vorbereitungen seien abgeschlossen. Das endgültige Abwenden der Umweltkatastrophe im Jemen, es stehe kurz bevor: "Es ist wirklich historisch. Ich habe gerade erfahren, dass das Empfänger-Schiff für das Öl, die Nautica, endlich auf den letzten Meilen hierher ist. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, um die Gefahr, die von der "Safer" ausgeht, zu eliminiern. Schon nächste Woche werden wir endlich mit dem Öl-Umpumpen beginnen können."

Nur noch ein paar Tage also müssen die rostigen Wände durchhalten – dann hat die "Safer" dichtgehalten – und ausgedient. "Es ist ein bittersüßer Moment des Abschieds. Dieses Schiff hat ein großes Herz", sagt UN-Projektmanager Mohammed. Weiche Worte vor der Kulisse der harten Wirklichkeit eines gezeichneten Landes. Kann die Geschichte eines beinahe verunglückten Öltankers wirklich Hoffnung statt Angst machen? Im Jemen scheint es gerade so.

Autor: Simon Riesche, ARD Studio Kairo

Stand: 16.07.2023 20:32 Uhr

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