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Lesotho: Aufstand der Hirten

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Lesotho: Aufstand der Hirten | Bild: ARD

Es ist eine kleine Revolution im eher beschaulichen Bergkönigreich Lesotho. In einem kleinen Land, dass bekannt ist für hohe Berge – und seine unzähligen wollenen Bewohner. Die Schaf- und Ziegenhirten treffen sich zur Notfallsitzung. Ihre Situation: Existenzbedrohlich. "Sie haben die Macht, sie haben uns die Wolle abgenommen. Und nie bezahlt. Nichts", sagt ein Hirte.

Was ist passiert? Wir begleiten einen der Hirten von der Sitzung aus zu seinem Dorf – es liegt abgeschieden am Fuße des höchsten Berges des südlichen Afrika, auf mehr als 3000 Meter Höhe. Hier weiden seine Schafe und Angoraziegen – bekannt für ihre hochwertige lockige Wolle, aus der teure Schals, Decken und Pullover hergestellt werden.

Die Bewohner Lesothos und ihre Tiere – es ist eine besondere Beziehung. Die derzeit auf eine starke Belastungsprobe gestellt ist. Denn die Hirten dürfen ihre Waren nicht mehr auf dem freien Markt verkaufen, sondern nur noch über einen chinesischen Monopol-Händler. Seitdem habe der Bauer keinerlei Einnahmen mehr. "Sie sagen mir immer, ich soll zur Bank, dort warte mein Geld. Doch wenn ich dort bin, ist es nie da. Wir werden unsere Tiere alle schlachten müssen, wenn es so weitergeht. Damit meine Kinder etwas zu essen haben. Ich kann auch die Löhne für meine Schäfer nicht mehr zahlen", sagt der Hirte Tlhoriso Ramolete.

Mehrere Hirten schildern uns, dass sie seit Bestehen des Monopols entweder gar nicht bezahlt worden seien oder nur etwa ein Drittel des bisherigen Preises bekommen hätten. Die Regierung Lesothos hat das Monopol mit dem chinesischen Händler vor einem Jahr eingefädelt. Der residiert hier im teuersten Hotel der Hauptstadt Maseru und tritt stets mit Bodyguards auf.

Wir konfrontieren ihn mit der Aussage des Hirten. Es muss wohl ein Problem mit seinem Bankkonto geben, sagt er. "Wir haben alle Probleme gelöst, alle Farmer sind bezahlt worden", sagt Stone Shi, Inhaber deds Lesotho Wool Center. "Jetzt sind die Hirten sehr zufrieden mit uns." Doch komisch: Sein Lagerhaus ist derzeit so gut leer. Wir erfahren: Viele Farmer weigern sich inzwischen, ihre Wolle hier abzuliefern.

Das chinesische Unternehmen hat offenbar beste Kontakte zur Regierung. Bewacht wird es nicht von privaten Sicherheitskräften, sondern von lesothischen Polizisten. Und Peking mischt offenbar auch mit. Der zuständige Minister in Lesotho erzählt uns: Die chinesische Botschaft habe ihren Einfluss geltend gemacht. Korruption aber streitet er vehement ab. "Die Chinesen haben uns ermutigt: Ihr macht das richtige. Ihr müsst die chinesischen Investoren schützen, auch bei diesem Deal", sagt Chalane Phorie, Handelsminister Lesotho. "Unsere Regierung ist ja schließlich selbst nach China gereist, um ihn als Investor anzulocken."

Doch nicht nur die Hirten leiden nach eigenen Aussagen unter dem Monopol des chinesischen Unternehmers. Mohlalefi Moteane führt uns durch sein Lagerhaus. Er war bisher als Händler aktiv – doch seit einem Jahr sitzt er auf seiner Ware, darf sie wegen des Monopols nicht mehr verkaufen. "Ich musste meine Angestellten entlassen, das macht mich wütend", sagt Wollhändler Mohlalefi Moteane. "Die Chinesen kommen und ändern unsere Gesetze, damit sie uns dominieren können. Das akzeptiere ich nicht. Ich akzeptiere nicht, dass sie uns mit ihren Krediten abhängig machen. Nichts passiert doch ohne Gegenleistung."

Er ist zu ihrem Anführer geworden: Khotsang Moshoeshoe, selbst Schafhirte. Er zeigt uns, dass auch er vom Monopol-Händler viel weniger Geld bekommen habe als zuvor auf dem freien Markt: "Das Monopol bringt die Farmer um. Für mich ist das pure Gier und Korruption. Ein Politiker sollte doch an seine Bevölkerung denken."

Es ist ein Kampf David gegen Goliath – und zunächst schlug die Regierung hart zurück. Khotsangs Stall wurde beschlagnahmt, er für mehr als zwei Wochen ins Gefängnis gesteckt. Doch aufgeben will er nicht: "Der Kampf geht weiter, bis wir gewinnen werden. Und wir werden gewinnen, das steht fest, egal wann und wie." Es geht um mehr als nur um Schafe und Ziegen: Es geht um die Übermacht chinesischer Geschäftsleute im Land. Anfang Juli zogen tausende Hirten in der Hauptstadt vor das Parlament, einer der größten Proteste in der Geschichte Lesothos. Proteste vor einem Parlament, das mit Krediten aus China finanziert und von chinesischen Firmen gebaut wird. Ebenso wie das neue Messezentrum und die Residenz des Premierministers.

Am Abend sitzen wir noch mit Khotsang, dem Organisator der Demos, zusammen. Plötzlich heißt es in den Nachrichten: Wegen der Proteste habe man jetzt Lizenzen an weitere Händler vergeben. Doch Khotsang glaubt noch nicht an einen Durchbruch: "Dafür haben wir nicht gekämpft. Das ist doch wieder nur ein Ablenkungsmanöver." Es könnte Monate dauern, bis neue Händler Wolle verkaufen können – bis dahin bleibt es beim chinesischen Monopol. Die Hirten bleiben also weiterhin Rebellen in eigener Sache.

Eine Reportage von Heiner Hoffmann, ARD Johannesburg

Stand: 26.08.2019 18:19 Uhr

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