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Philippinen: Demokratie in Gefahr?

PlayDunkle Wolken über einer Stadtlandschaft
Philippinen: Demokratie in Gefahr? | Bild: BR

Neuer Tag, doch für die philippinische Demokratie bleibt es finster.

Ein Gefängnis im Süden Manilas. Hier wird sie vorgeführt: Leila de Lima, die Frau, die es wagte, den Präsidenten zu kritisieren.

"Senatorin", frage ich, "ist das hier alles nur Vergeltung? Nimmt Duterte persönlich Rache an Ihnen?" "Das ist Verfolgung, schlicht und einfach", so de Lima, und ja: es sei persönlich.

Leila de Lima
Leila de Lima | Bild: BR

Verhaftung im Februar 2017, die Anklage: Verwicklung in den Drogenhandel. Kaum jemand hält dies nicht für den konstruierten Vorwurf einer gegängelten Justiz, gestützt auf unglaubwürdige, eingeschüchterte Zeugen, auf Druck des Mannes von ganz oben, der schon im Wahlkampf vor nichts zurückschreckte: Desinformation, Diskreditierung – Rufmord.

Rodrigo Duterte, Präsident Philippinen am 24. Juli 2017: "Meine Kritiker messen de Lima Bedeutung zu. Ihr, die ihr doch die Untersuchung durchgeführt habt: Ihr habt die Zeugenvideos gesehen. Ist diese Frau glaubwürdig? Kann sie eine tugendhafte Person sein?"

Eine Gegnerin Dutertes

Liberal, geachtet, integer: Doch de Lima kam Duterte gefährlich nah, mit einem Menschenrechtsausschuss zu Todesschwadronen in Davao. Der Bürgermeister damals: Duterte. Und: Die Juristin ist erbitterte Gegnerin seines populistischen, blutigen Anti-Drogenkriegs mit Zehntausenden Toten, zumeist unter den Ärmsten.

Jetzt wird de Lima durch die Manege geführt. Die Botschaft: Abschreckung. Niemand lege sich mit dem Präsidenten an, einem Autokraten auf dem Weg zum Alleinherrscher: "Ich bin unschuldig, und die Welt weiß es!", sagt de Lima.

Filibon F. Tacardon
Filibon F. Tacardon | Bild: BR

Leila de Limas Anwalt Filibon F. Tacardon: "Präsident Duterte hat mehrfach gesagt, dass er den früheren Diktator Marcos bewundert und ihm nacheifert. Vielleicht gehen wir in diese Richtung."

Ein Totenlied auf die Verfassung

Duterte singt ein Totenlied auf jede Institution der Verfassung, die ihn kontrollieren soll: Volksvertreter, Justiz, freie Presse.

Antonio Trillanes
Antonio Trillanes | Bild: BR

Schichtbetrieb: Vor dem Büro von Senator Antonio Trillanes warten Kamerateams auf dessen Festnahme. Einmal war es schon so weit, doch der Ex-Offizier kam wieder frei. Duterte wünscht sich seinen Kritiker in den Knast. Eine frühere Begnadigung wegen einer politisch motivierten Meuterei 2003 sei nicht rechtens, Verfahrensfehler. Trillanes hat sich jetzt hinter Stahlplatten verbarrikadiert, denn mit Dutertes Duldung fliegen viele Kugeln dieser Tage: "Wenn die Justiz jetzt einknickt, gibt es keinen Rechtsstaat mehr. Es ist nur noch ein Schritt bis zur Diktatur. Vom ersten Tag an hat Duterte die Grenzen seiner Macht verschoben. Er lässt unsere Landsleute umbringen, und er kommt davon."

Duterte am 27. Oktober 2017: "Sie sagen, 10.000 Menschen seien tot. Was zum Teufel? Ich sage, macht 50.000 daraus."

Maria Lourdes Sereno
Maria Lourdes Sereno | Bild: BR

Renitenten Juristen droht das Karriereende. So wurde bereits die Oberste Richterin der Philippinen aus dem Amt gemobbt: von den eigenen Kollegen, auf Druck der Regierung. Maria Lourdes Sereno, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes: "Die Regierung mag keine Kritik. Gruppen, die sie als Kritiker einstuft, begegnet sie mit Boshaftigkeit. Und das soll exakt so haften bleiben: Kommt Duterte nicht in die Quere oder ihr bezahlt einen hohen Preis dafür."

Der Kampf der Medien

Pia Ranada
Pia Ranada | Bild: BR

Unbequeme Medien wie die Multimedia-Plattform "Rappler" überziehen die Behörden mit fadenscheinigen Verfahren, drohen mit Lizenzentzug. Standhafte Reporter wie Pia Ranada werden bei der Arbeit behindert, von Duterte-Trolls bedroht oder als "Presstitute" bezeichnet, eine verbale Verschmelzung aus "Presse" und "Prostituierte". Pia Ranada, Rappler: "Alles, was Duterte tut, steht im Handbuch für Diktatoren. Auf Mindanao gilt schon das Kriegsrecht. Und wir sind sehr misstrauisch bei allen Versuchen, es weiter zu verlängern."

Die Befürchtung: Duterte wartet nur auf die passende Gelegenheit, das Kriegsrecht auf das ganze Land auszuweiten. So hatte schon Ferdinand Marcos seine Macht zementiert, Dutertes Idol. Es folgten 13 Jahre mörderischer Diktatur.

Duterte jedoch rehabilitiert den Namen "Marcos": Marcos Junior, genannt "Bongbong", verliert 2016 die Wahl zum Vizepräsidenten. Seitdem ficht er das Ergebnis an, mit Dutertes Hilfe, der sagt: "Wäre Marcos Vize, träte ich zurück."

Auf die Frage, wie der regieren würde, kommt alles andere als ein Demokratie-Bekenntnis. Ferdinand Marcos Jr., philippinischer Politiker: "Jede Phase unserer Geschichte verlangt nach ihrer Art der Herrschaft, je nach geltenden Umständen. Und da es noch nicht so weit ist, kann ich es unmöglich sagen."

Duterte weiß: Diktiert er sein Schicksal nicht selbst, muss ihm ein Vertrauter folgen. Nur das garantiert Schutz und vermutlich Straffreiheit, wie er am 8. August 2018 zu verstehen gibt: "Entweder werdet ihr mich töten oder ich werde euch töten. Kritik kümmert mich einen Scheißdreck. Die führt letzten Endes nicht dazu, dass ein Land Fortschritte macht."

Senatorin de Lima ist vorsichtig. Essen und Trinken lässt sie sich nur von ihren Mitarbeitern in die Zelle bringen. Sie hat Angst. Und sie hat allen Grund dazu.

Autor: Uwe Schwering, ARD Tokio

Stand: 29.08.2019 03:12 Uhr

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