Sa., 16.11.19 | 16:30 Uhr
Das Erste
Weltspiegel-Reportage: Im Wartesaal der Nordafrikaner
Ouassim hat nicht gezählt, wie oft er das schon versucht hat: nachts über den Hafenzaun klettern. Einen Lastwagen aussuchen, der dort zum Einschiffen bereitsteht. Hoffen, dass weder Spürhunde noch Detektoren anschlagen. Und dann: ab nach Europa. Bisher wurde er jedes Mal erwischt.
Der Druck auf junge Männer ist enorm
So wie Ouassim warten in Marokko tausende junger Männer auf ihre Chance zur Flucht. Auf einer Fähre, in einem morschen Holzboot – egal. Hauptsache, weg. Wo soll das gelingen, wenn nicht hier: an der Küste um Tanger? An ihrer engsten Stelle ist die Straße von Gibraltar nur 14 Kilometer breit. Bei gutem Wetter scheint es manchmal, als ob man Spanien mit Händen greifen könnte.
Einen Sohn in Europa zu haben, bringt marokkanischen Familien ungeheuren Prestigegewinn – und regelmäßige Geldgeschenke. Der Druck auf junge Männer, ihren Eltern diesen Wunsch zu erfüllen, ist enorm. Ankommen heißt aber noch lange nicht Erfolg haben. Viele landen in Spanien auf der Straße, haben Probleme mit der Polizei, werden körperlich und psychisch krank.
Eine Multimillionärin kämpft für die Jugend
Jeder Jugendliche, dem das erspart bleibt, ist für Mounira El Alami ein Erfolg. Die Multimillionärin kämpft gegen den Exodus der Jugend. Sie wendet einen Teil ihres Vermögens für Ausbildung junger Leute auf. Es gibt zu viele Ouassims mit zu vielen Illusionen, findet Mounira El Alami. In ihrer alten blauen Villa lernen Jugendliche Metallbau, Gastronomie oder Französisch. Sie will sie dazu bewegen, zu bleiben – und Bildung, sagt sie, ist dafür der Schlüssel.
ARD-Korrespondentin Natalia Bachmayer erzählt vom Weggehen und vom Dableiben, vom Erfolg und vom Scheitern. Und davon, warum so viele den Traum von Europa nicht aufgeben wollen.
Ein Film von Natalia Bachmayer
Stand: 15.11.2019 15:44 Uhr
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