SENDETERMIN Mo., 16.08.21 | 23:05 Uhr | Das Erste

Geschichte im Ersten: HERstory (1)

Lebensgefahr – Frauen und Medizin

Seit Jahrhunderten schreiben und deuten Männer Geschichte. Wieso das heute noch für Frauen tödlich sein kann, zeigt die neue Doku "HERstory".
Seit Jahrhunderten schreiben und deuten Männer Geschichte. Wieso das heute noch für Frauen tödlich sein kann, zeigt die neue Doku "HERstory". | Bild: WDR

Über Jahrhunderte erzählten und deuteten Männer Geschichte, schrieben HISTORY, waren Maß und Norm für Wissenschaft, Rechtsprechung und Ingenieurskunst.

"HERstory" findet: Es ist Zeit, endlich das ganze Bild zu malen. Nicht allein aus Prinzip, aus dem Wunsch nach Gleichbehandlung, sondern weil es im Extremfall sogar tödlich sein kann, wenn die Hälfte der Menschheit im toten Winkel bleibt.

Davon erzählt Folge 1 der neuen, vierteiligen Reihe "HERstory": Lebensgefahr.

Der Mann als Standard

Weil Medizin und Forschung immer noch den Mann als Standard setzen - 70 bis 80 Kilogramm schwer, 1,80 Meter groß - sterben Frauen, obwohl ihr Tod vermeidbar gewesen wäre. Sie sterben, wie Unfallstudien belegen, in Autos, die ausschließlich an männlichen Dummys getestet wurden.

Astrid Linder führt regelmäßig Tests mit ihrem Crash-Test-Dummy "Eva" durch.
Astrid Linder führt regelmäßig Tests mit ihrem Crash-Test-Dummy "Eva" durch. | Bild: WDR

Herzinfarkt ist keine Männerkrankheit

Sie sterben, weil Angehörige und Ärzte glauben, dass ein Herzinfarkt so aussieht, wie das Hollywood gelehrt hat: Einem Mann fällt das Atmen schwer, sein Blick wird starr, er bricht zusammen, vielleicht fasst er sich noch an die Brust.

So war es im "Paten", als Vito Corleone beim Spielen mit seinem Enkel im Garten starb, so erging es Mickey in "Rocky III" und Gareth in "Vier Hochzeiten und ein Todesfall". Diese Bilder prägen uns. Wir wissen: Wenn ein Mann nach Luft ringt und sich die Brust hält, ist Eile geboten, ist 112 zu wählen, ist Ausschau nach einem Defibrillator zu halten.

Eine von Männern erzählte Geschichte, History, mit Männern in den Hauptrollen – und mit fatalen  Folgen für die Hälfte der Menschheit, die Frauen, für die diese Version der Geschichte die falsche ist. Denn wie man heute weiß, ist der Herzinfarkt keine Männerkrankheit.

Dr. Dilek Gürsoy ist Herzchirurgin und Kunstherzspezialistin. Sie testet Kunstherzen, die für Patient:innen lebensrettend sein können.
Dr. Dilek Gürsoy ist Herzchirurgin und Kunstherzspezialistin. Sie testet Kunstherzen, die für Patient:innen lebensrettend sein können. | Bild: WDR

Frauen haben häufig nur andere Symptome. Selbst Mediziner:innen wissen das oft nicht, weil es nicht in ihren Lehrbüchern stand. Und so ist das Risiko für Frauen, an einem Herzinfarkt zu sterben, bis heute größer als das der Männer. Sie rufen bei einem Infarkt im Schnitt später die Rettung, müssen in den Kliniken, wie weltweite Studien belegen, länger warten, bekommen seltener die passenden Medikamente.

"HERstory" trifft die Kardiologin Vera Regitz-Zagrosek, die als eine der Ersten in Deutschland bewiesen hat, wie groß die Gefahr für Frauen ist, weil man ihren Infarkt nicht erkennt und behandelt. 

"HERstory" begleitet die schwedische Verkehrssicherheitsforscherin Astrid Linder ins Crash-Test-Labor. Dort führt sie "Eva", einen Dummy, vor, den sie vor zehn Jahren entwickelt hat. Die einzige Figur, die tatsächlich dem Körper einer Frau nachempfunden, bis heute aber nicht in Testreihen vorgeschrieben ist. Die beiden berichten, wie mühsam es ist, alte Denkstrukturen aufzubrechen.

Astrid Linder beschäftigt sich hauptsächlich mit Nacken-Verletzungen. Denn das Risiko für Frauen diese Verletzungen zu erleiden, ist bei einem Auffahrunfall bis zu dreimal so hoch. Sie fordert daher, das Crash-Tests auch mit einem weiblichen Crash-Test-Dummy getestet werden.
Astrid Linder beschäftigt sich hauptsächlich mit Nacken-Verletzungen. Denn das Risiko für Frauen diese Verletzungen zu erleiden, ist bei einem Auffahrunfall bis zu dreimal so hoch. Sie fordert daher, das Crash-Tests auch mit einem weiblichen Crash-Test-Dummy getestet werden. | Bild: WDR

Das spürt auch Dilek Gürsoy, eine der führenden Kunstherzexpertinnen der Welt. Auch sie arbeitet mit einer Kunstherz-Technologie, die für Männerkörper entwickelt wurde, im Männermaßstab. Mit fatalen Folgen, auch hier: Im Zweifel, sagt Gürsoy, ließe sich der schmalere Torso einer Frau der großen Geräte wegen nicht direkt nach der Operation wieder schließen.

Dr. Dilek Gürsoy mit dem gängigen Kunstherz, das derzeit weltweit implantiert wird. Für die meisten Frauen ist es allerdings zu groß.
Dr. Dilek Gürsoy mit dem gängigen Kunstherz, das derzeit weltweit implantiert wird. Für die meisten Frauen ist es allerdings zu groß. | Bild: WDR

Film von Julia Friedrichs

Das Erste zeigt "HERstory" voraussichtlich einmal pro Monat.

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