So., 02.02.25 | 21:45 Uhr
Das Erste
Was für ein Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?
Erstmals wurde mit den Stimmen der AfD im Parlament ein Antrag, der von der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik eingebracht wurde, angenommen - für andere Fraktionen ein Tabubruch. Auch deshalb steht die Alternative für Deutschland jetzt im Zentrum politischer Debatten. Die AfD könnte nach aktuellen Umfragen zweitstärkste Kraft im Bundestag werden. Aber auf welche politischen Ziele setzt die Partei jenseits von Migration und innerer Sicherheit? Wie positioniert sich die AfD zu zentralen Fragen der Wirtschafts- und Außenpolitik? Welche Rolle soll Deutschland ihrer Ansicht nach in Europa und der Welt einnehmen?
Alice Weidel

Die AfD-Bundessprecherin wurde im Dezember zur Kanzlerkandidatin ihrer Partei gewählt. Friedrich Merz schließt mit seiner CDU eine Koalition mit der AfD kategorisch aus, Weidel kritisiert das scharf: „Die Wähler wollen Schwarz-Blau.” Inhaltlich spricht sich Weidel für eine drastische Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik aus: „Wir brauchen Remigration, um hier in Sicherheit leben zu können.“ Auf europäischer Ebene will ihre Partei eine neue Form der Zusammenarbeit, strebt die Schaffung einer neuen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft an, die an die Stelle der Europäischen Union treten soll: „Deutschland braucht die EU nicht, um zu überleben; das Gegenteil ist aber sehr wohl der Fall.”
Hildegard Müller

Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) hält die “Remigrationspläne” der AfD für eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft. Müller betont die Wichtigkeit von Einwanderung, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – die Schärfe der AfD-Vorhaben samt der migrationspolitischen Rhetorik führten das Land in die falsche Richtung: „Es ist wichtig, dass wir ein attraktives Land sind, dass die Menschen gerne zu uns kommen und gerne bei uns bleiben.” Sie warnt zudem vor wirtschaftlicher Abschottung und den Folgen, sollte die Europäische Union geschwächt oder von Deutschland verlassen werden: „Dieser Binnenmarkt und der Euro, die haben Wachstum und Wohlstand nach Deutschland gebracht. Das darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden“.
Robin Alexander

Der stellvertretende Chefredakteur der WELT beobachtet das politische Berlin und kennt die Hintergründe, wie es in dieser Woche zur Einbringung der beiden Anträge und des Gesetzes der Union zur Migration im Bundestag kam. Ein Antrag konnte am Mittwoch nur mithilfe der AfD-Stimmen eine Mehrheit erlangen. Alexander sagt dazu: „Die Leute wollen eine Veränderung der Migrationspolitik, aber sie wollen sie aus der Mitte – nicht von ganz rechts.“ Er gibt eine Einschätzung, ob es auch nach dieser Woche weitere Fälle geben wird, in denen Mehrheiten für Anträge und Gesetze im Bundestag über die AfD geschaffen werden könnten. Er analysiert in der Sendung darüber hinaus das außenpolitische und wirtschaftliche Programm der AfD.

1. Strompreise für Atom- und Windkraft
Worum geht es?
Caren Miosga sagte in der Sendung: „Bei Windenergie kostet die Erzeugung 4,3 bis 9,2 Cent je Kilowattstunde. Die Erzeugungskosten für Kernkraft liegen im Vergleich bei 13,6 bis 49 Cent die Kilowattstunde. Und selbst ohne Subventionen, das sind nämlich maximal 7,35 Cent durch die EEG-Umlage, bleibt Windkraft insgesamt deutlich günstiger als Kernkraft.“
Alice Weidel widerspricht und sagt: „Die Aussage ist falsch. Die Investitionsrechnung ist falsch, weil die Subventionen da mit drin sind. Und die Neuinvestition von Kernkraftwerken, hätte man die Kernkraftwerke, die bestehenden, nicht einfach abgestellt, die man vielleicht auch wieder anstellen kann, dann haben Sie diese Anfangsinvestitionen nicht. Das geht schon einmal aus dieser Rechnung raus.“
Wie hoch liegen die Kosten für Atom- und Windkraft?
Eine aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts für Solarenergie in Freiburg zeigt, dass bei Windenergie die Erzeugung 4,3 bis 9,2 Cent je Kilowattstunde (Cent/kWh) kostet. Die Kosten der Kernkraft liegen bei 13,6 bis 49,0 Cent/kWh. Diese sogenannten Stromgestehungskosten der Erneuerbaren Energien wie Windkraft sind ohne Subventionen gerechnet, wie das Fraunhofer Institut auf Nachfrage der Redaktion bestätigte. Es wird bei den Berechnungen nur die Kostenseite des Kraftwerks betrachtet. Somit sind auch die Investitionen in möglicherweise neue Kernkraftwerke bei der Berechnung der Kosten für Atomstrom nicht inbegriffen.
(Quelle: „Stromgestehungskosten Erneuerbare Energien / Juli 2024“, ise.fraunhofer.de 06.08.24)
Fazit:
Die Zahlen, die Caren Miosga nannte, sind korrekt. Windkraft ist selbst ohne Subventionen durch die EEG-Umlage deutlich günstiger als Kernkraft.
2. Der Reinhardswald
Worum geht es?
Alice Weidel sagte in der Sendung: “Im CDU-regierten Hessen wird der schöne alte Reinhardswald komplett abgeholzt für diese Windmühlen der Schande.”
Welcher Anteil des Waldes wird abgeholzt?
Der Geschäftsführer der Windpark Reinhardswald GmbH & Co KG. erklärte gegenüber unserer Redaktion: “Frau Weidel verbreitet Falschbehauptungen in Bezug auf unser Projekt im Reinhardswald: Wir haben für unsere 18 Windenergieanlagen 260 Buchen auf den 18 Hektar gefällt. Der Reinhardswald erstreckt sich über 20.000 Hektar. Wir benötigen für unser Projekt 0,07 Prozent der Waldfläche dauerhaft. Die geringen Fällarbeiten waren bereits im Februar 2022 abgeschlossen.”
Diese Angaben decken sich mit denen der hessischen Staatskanzlei gegenüber dem Hessischen Rundfunk. (Quelle: Hessischer Rundfunk, 27.01.2025)
Die geplanten Bauflächen befinden sich nach Aussage eines Sprechers des Regierungspräsidiums gegenüber dem Hessischen Rundfunk ohnehin in forstwirtschaftlich genutzten Bereichen. Dazu sei ein Großteil der vorgesehenen Flächen bereits baumfrei, weil die Bäume dort “durch Stürme, Dürresommer und Borkenkäfer geschädigt” wurden. (Quelle: Hessischer Rundfunk, 27.01.2025)
Fazit
Lediglich 0,07 Prozent des Reinhardswald werden dauerhaft abgeholzt. Außerdem sind große Teile der Baugrundstücke ohnehin baumfrei und es müssen keine Bäume für die Errichtung von Windkrafträdern gefällt werden. Es ist also nicht korrekt, dass der Wald komplett abgeholzt werden soll, um dort Windräder zu bauen, wie Alice Weidel es in der Sendung behauptete.
3. NZZ-Zitat zum Schuldkult
Worum geht es?
In der Sendung legte Caren Miosga Alice Weidel folgende Passage vor: “Die ‘Niederlage meiner Heimat mit einer ehemaligen Besatzungsmacht zu feiern’, war nicht ihr Ding. Zudem passten solche Gedenkfeiern, sagt sie und benutzt einen Ausdruck der Rechtsextremen, ‘ganz zum Schuldkult der Deutschen’.”
Alice Weidel zweifelte an, das wörtliche Zitat “ganz zum Schuldkult der Deutschen” so gesagt zu haben und erklärte in der Sendung: “Das ist falsch.”
Woher kommt das Zitat und was sagt die NZZ?
Das Zitat stammt aus dem Artikel der NZZ am Sonntag vom 12.01.2025 mit der Überschrift “Politisch immer radikaler, privat betont offen: Unterwegs mit der AfD-Chefin und Wahlschweizerin Alice Weidel”
Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte die NZZ Weidels Vorwurf zu prüfen. Bis Montagnachmittag, 16:00Uhr, lag unserer Redaktion noch kein Ergebnis vor.