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Sandraub in Südafrika – wie eine Sandmafia plündert!

Meer, Strand und Gebäude in Durban, Südafrika.
Die Strandpromenade von Durban in Südafrika. | Bild: WDR

An Südafrikas Ostküste wirken die Strände endlos. Doch der Schein trügt: Der Sand an Durbans Stränden wird weniger. Wissenschaftler beobachten das seit Jahren! Doch was steckt hinter dem Sandschwund an Südafrikas Ostküste?
Die Ursache dafür liegt im Landesinneren, am 225 Kilometer langen Umgeni-Fluss. Der Fluss ist einer der Hauptwasseradern in der Region und außerdem der größte Lieferant für den Sand und Kies, der sich am Strand von Durban ablagert.

Illegaler Sandabbau im Landesinneren

Illegale Sandmine mit Bagger
Eine illegale Sandmine am Umgeni-Fluss. | Bild: WDR

Und hier reiht sich eine illegale Sandmine an die andere. Viele von ihnen liegen direkt am Fluss, häufig auf Stammesland. Der Sand ist aufgrund seiner idealen Beschaffenheit zur Zementherstellung in örtlichen Baukreisen beliebt. Die Nachfrage ist daher riesig. Die Region um den Umngeni-Fluss liegt in Südafrikas KwaZulu Natal-Provinz. Sie ist besonders vom illegalen Sandabbau betroffen. Kontrollen sind kaum vorhanden. In der Theorie muss jeder Betreiber einer Mine in Südafrika eine Genehmigung beim Department of Mineral Resources and Energy beantragen. In der Praxis operieren viele Betreiber ohne Genehmigungen – und ohne Rücksicht auf Umweltschäden. Die Landbesitzer wissen entweder nichts von der illegalen Mine oder werden mit Geld zufrieden gestellt.

Weitreichende Folgen für Mensch und Natur

Männer stehen an einem Klippenrand.
Umweltaktivist Doug Burden bekämpft den Sandraub. | Bild: WDR

Doug Burden arbeitet für die Duzi-Umngeni-Conservation Trust, eine Umweltorganisation, die sich um den Erhalt des Flusses kümmert. Er ärgert sich über die laschen Kontrollen und bezeichnet die illegal etablierten Strukturen als regelrechte "Sand-Mafia". Die Hydrologin Nomcebo Myeza vom universitätsnahen Institute of Natural Resources in Pietermaritzburg hat sich eingehend mit dem Thema befasst. Ihre Erkenntnisse dazu:

  • Eine homogene Täter-Gruppe ist schwer auszumachen, es ist eine Mischung aus Opportunisten und größeren Unternehmen, die oft über Nacht beginnen, Sand in Flussnähe abzubauen.
  • Die Einstiegshürde ins Sandgeschäft ist dabei klein, ein Bagger und Transporter reichen aus, um die begehrte Ware zu Baustellen und Unternehmern zu bringen.
  • Die Folgen für die Umwelt sind umso grösser: die Erosion von Uferbänken, die Zerstörung einheimischer und Ausbreitung invasiver Pflanzenarten, die Änderung von Flussläufen sowie Sandschwund an Küsten.
  • Auch die örtliche Bevölkerung leidet unter den illegalen Minen: In mit Regenwasser gefüllten Gruben sind wiederholt Kleinkinder und Vieh ertrunken. Durch die invasiven Pflanzenarten findet das Vieh von Kleinbauern zudem nicht mehr genug Nahrung.

Ein weltweites Problem

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP ordnet das Problem "illegaler Sandabbau" in einem Bericht von 2019 als weltweit bedeutend ein. Konkrete Zahlen zur Menge des illegal abgebauten Sandes gibt es kaum, aber Länder im globalen Süden sind besonders betroffen. Neben Südafrika sind das Sierra Leone, Kenia und Tansania auf dem afrikanischen Kontinent. In Asien sind es die beiden großen Nationen China und Indien sowie Kambodscha, Vietnam und Indonesien. Eine wachsende Weltbevölkerung, Verstädterung und Infrastruktur-Projekte haben den Verbrauch von Sand in den letzten 20 Jahren auf das Dreifache anwachsen lassen. Heute verbrauchen wir 40 Milliarden Tonnen Sand jährlich. Die UN ruft deshalb zum verantwortlichen Umgang mit der knappen Ressource sowie zu einer Diskussion um nachhaltigen Sandabbau auf- und zwar weltweit.

Angst vor Repressalien durch Minenbetreiber

In Südafrika lehnen sich trotz der weitreichenden Folgen nur wenige Menschen gegen die illegalen Minenbetreiber auf. Zum einen bieten die Minen Arbeit in einem Land mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von über 30 Prozent. Zum anderen fürchten die Anwohner Repressalien durch die Minenbetreiber. Chase Edmonds bewirtschaftet eine Zuckerrohr-Farm in Flussnähe. Er berichtet von Drohungen durch die Minen-Betreiber, sollte er ihnen den Zugang zum Umgeni-Fluss und somit zur illegalen Mine verwehren. Im Rahmen der Recherchen für diesen Beitrag bleiben so viele Anfragen unbeantwortet. Die Hydrologin Nomcebo Myeza weiß, dass viele keine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen. Denn die Strippenzieher hinter den illegalen Sandminen seien politisch gut verknüpft und hätten eine starke Lobby.

Ausbreitung illegaler Minen seit 2005

Animation illegaler Sandabbau weltweit
Sandraub findet weltweit statt. | Bild: WDR

Nomcebo Myeza und ihr Team jedoch wollen aufklären. 2019 haben sie einen Bericht zum illegalen Sandabbau in der Region um den Umgeni-Fluss veröffentlicht. Durch Luftaufnahmen und Ortsbesichtigungen haben die Forschenden die Entwicklungen in der Region zwischen 2005 und 2019 beobachtet. Das Resultat ist ernüchternd: Waren es 2005 noch circa 30 Hektar, auf denen illegal Sand abgebaut wurde, sind es im Jahr 2019 bereits rund 90 Hektar. Infrastruktur- und Wohnungsbauprojekte befeuern die immense Nachfrage nach Sand.  Personalmangel, Bestechung und schwer zugängliches Gelände erschweren effektive Kontrollen. Sich überschneidende Mandate diverser Ministerien und mangelnder politischer Wille machen die strafrechtliche Verfolgung der illegal operierenden Minenbetreiber nahezu unmöglich.

Sand aus Stauseen – eine mögliche Lösung

Vermehrte Kontrollen und der politische Wille zur Veränderung sind wichtig. Verbote auszusprechen, reicht jedoch nicht, so sind sich Experten einig. Wohnungsbau- und Infrastrukturprojekte sind gerade im ländlichen Südafrika dringend notwendig. Für Nomcebo Myeza ist es unabdingbar, die lokale Bevölkerung und traditionelle Landbesitzer einzubinden und für die negativen Folgen der illegalen Minen zu sensibilisieren. Die Vergabe von Genehmigungen durch das Ministerium müsse besser auf den konkreten Fall von Sandminen zugeschnitten sein. In ihrem Bericht stellen die Hydrologin und ihr Team zudem einen konkreten Lösungsvorschlag vor, um den illegalen Sandabbau entlang des Umgeni einzudämmen: Sand, der sich am Grund der Stauseen entlang des Flusses ansammelt, könnte von dort legal entnommen und für Bauzwecke verwendet werden. Dadurch würde das Stauvolumen von Reservoirs wie etwa des Inanda Dam wieder vergrößert und die Umwelt geschont.

Autorin: Julia Jaki (WDR)

Stand: 24.09.2021 09:57 Uhr

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