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Wanderdünen – wie Sand uns schützt!

Forscher lassen Drohne steigen
Bruno Castelle und Vincent Marieu erforschen die Dynamik von Dünen. | Bild: WDR

Kilometerlange Strände und meterhohe Dünen schützen uns vor den Fluten. Doch wie stabil bleibt dieser Schutz in Zeiten des Klimawandels? Die Wissenschaftler Bruno Castelle und Vincent Marieu von der Universität Bordeaux wollen dies herausfinden. Ihr Forschungsobjekt liegt an der Atlantikküste im Westen Frankreichs, die Düne von Truc Vert. Der Physiker und der Ingenieur erforschen, wie Küstendünen wachsen oder schrumpfen und gesichert werden können. Die beiden Wissenschaftler erstellen regelmäßig mithilfe einer Drohne 3D-Modelle. Das erlaubt ihnen, über mehrere Jahre exakt nachzuvollziehen, ob die Düne sich bewegt und wie sich die Küstenlinie und der dahinterliegende Wald verändern. Denn durch die klimatischen Veränderungen kommt es zu immer kräftigeren Stürmen, Flutwellen und zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Hält die Düne diesen dramatischen Veränderungen stand?

Wie entstehen Dünen?

Küstendüne Truc Vert (Drohnenbild)
Küstendünen schützen das Hinterland | Bild: WDR

Dünen sind lebenswichtig für die Menschen an den Küsten. Sie halten Hochwasser ab, dienen der Küstenbefestigung und schützen so das Hinterland und dessen Lebensraum. Für die Entstehung und das Aussehen einer Düne ist hauptsächlich der Wind verantwortlich. Er verweht Sandkörner, bis sie zum Beispiel an Pflanzen hängen bleiben und sich anhäufen. Irgendwann rutscht der Sand am höchsten Teil der Düne über den Kamm und lagert sich dahinter ab – die Düne wächst.

Wie eine Düne aussieht, ob sie wandert, und wie lange sie aktiv bleibt, hängt von der Windrichtung, der Sandmenge, dem Untergrund, dem Pflanzenbewuchs und auch von der Beschaffenheit des Sandes ab. Dabei können Dünen unterschiedliche Formen annehmen, zwei Beispiele:

  • Sicheldünen: Auch Barchane genannt, bilden sich quer zur Windströmung und nehmen eine Sichelform an. Sie sind meist breiter als lang und entstehen nur bei gleichbleibender Windrichtung. Die konvex geformte, flache Seite zeigt in den Wind.Ihre Hörner zeigen nach vorn, in die Richtung, in die sie sich bewegen. Barchane kommen weltweit in den Wüstengebieten vor. Hier treffen sie kaum auf Hindernisse und sind daher die typischen Wanderdünen mit bis zu 50 Metern Wegstrecke pro Jahr.


  • Parabeldünen sind ebenso konvex geformt, allerdings entgegengesetzt der Sicheldünen. Vereinfacht gesagt: Wenn sich einer Sicheldüne Vegetation in den Weg stellt, wandelt sie sich zu einer Parabeldüne um. Deshalb sind Parabeldünen die typischen Küstendünen in mittleren Breiten, quasi „ausgebremst“ durch die Vegetation im Landesinneren. Diese Dünen sind wesentlich länger als breit. Auch Küstendünen können wandern, allerdings ist das seltener der Fall als bei den Sicheldünen in der Wüste. Eine Küstendüne muss schon richtig groß werden, um genügend Kraft zu haben, gegen den Widerstand von Vegetation und geologischen oder menschgemachten Hindernissen zu wandern.

Die Düne von Truc Vert 

Grafik: Bagger gräbt Gang in Düne
Gräben in Düne fördern Wachstum. | Bild: WDR

Die Düne von Truc Vert ist 25 Meter hoch und 259 Meter breit. Doch sie wächst nicht. Dies ergaben die Auswertungen der 3D-Modelle der Dünenforschenden Bruno Castelle und Vincent Marieux. Noch reicht der Schutz für die Küste. Aber ist das genug? Ist eine Düne dynamisch, erneuert sie sich auf natürliche Art und Weise selbst. Es entsteht ein Kreislauf aus Meer, Wind und Sand. Verliert eine Düne durch Wasser- und Winderosion jedoch mehr Sand, als vom Wind herangetragen wird, droht sie zu schrumpfen. Die Küste verliert dadurch ihren natürlichen Schutz.

Doch wie schnell kann eine Düne darauf reagieren? Und kann der Mensch in die Dynamik der Düne eingreifen, damit sich mehr Sand ablagert? Bruno Castelle und der Vincent Marieux hatten dafür eine Idee: Löcher in die Düne graben. Seit 2018 werden an vier Stellen entlang des Testabschnitts Gänge in die Vordüne gegraben. Dadurch können die starken Westwinde den Sand vom Meer viel weiter ins Landesinnere tragen – die Düne kann so wieder mehr Sand anhäufen, was ein Schrumpfen verhindert. Die ersten Auswertungen sind vielversprechend: Es funktioniert! Die Düne von Truc Vert wächst innerhalb des Testabschnitts. Die Ergebnisse sollen nun auf instabile Dünen übertragen werden.

Die Düne von Pilat

Düne von Pilat
Düne von Pilat: Europas größte Wanderdüne mit einer Höhe von bis zu 110 Meter.  | Bild: WDR

Anders die wohl bekannteste Düne Europas, die "Dune du Pilat": Sie wächst unaufhörlich weiter. 60 Millionen Kubikmeter Sand türmen sich hier: 100 Meter hoch, 500 Meter breit und 2,7 Kilometer lang. Die Düne von Pilat ist damit  um ein Vielfaches höher als die "normalen Dünen" an Europas Atlantikküste. Das macht sie zur größten Wanderdüne Europas. Die Parabeldüne hat sich zwischen dem rauen Atlantik und einem riesigen Kiefernwald geformt, im Südwesten Frankreichs, unweit von Bordeaux. Das Gebiet wurde schon 1978 zum Naturschutzgebiet erklärt.

Wie aber konnte sie so groß werden? Die Erklärung liegt verborgen im Meer: Die vorgelagerte Sandbank dient als riesiges Sandreservoir. Bei Ebbe erstreckt sich die Sandbank auf einer Fläche von etwa acht Quadratkilometern – und ist damit deutlich größer als die Düne selbst. Die starken Westwinde tragen den Sand an Land, wo er sich dann anhäufen kann. Währenddessen spült das Meer die Bucht aus und sorgt so für einen konstanten Nachschub an Sand. Weil sich mehr Sand anhäuft, als vom Meer vorne wieder abgetragen wird, wächst die Düne jedes Jahr unaufhörlich und wandert mehrere Meter Richtung Osten. Sie verschluckt dabei nach und nach den Kiefernwald, der hinter der Düne liegt. An ihrem nördlichen Ausläufer drohte sie sogar nicht nur Wald, sondern auch Häuser und Straßen zu überrollen. Doch dies konnte gestoppt werden. Das Dorf ist wieder sicher. Und um den Küstenschutz muss sich die Wissenschaft hier auf lange Zeit keine Sorgen machen.

Autor: Timothy Wiehn (WDR)

Stand: 24.09.2021 09:52 Uhr

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