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Mobilität: So bleiben wir bis ins Alter mobil

Ältere Dame mit Rollator
Viele ältere Menschen werden im Alltag mit Mobilitätsproblemen konfrontiert. | Bild: WDR

Unsere Gesellschaft wird nachweislich immer älter. Doch die Infrastruktur deutscher Städte und Gemeinden ist nicht wirklich auf die körperlichen Fähigkeiten älterer Menschen ausgelegt: Hohe Bordsteine, keine Möglichkeiten zum Pausieren, zu kurze Ampelphasen. Wie aber kann es klappen, im Alter noch mobil zu bleiben? Dieser Frage hat sich unter anderem das Pilotprojekt "UrbanLife+" in Mönchengladbach gestellt. Das vom Bund mit fast fünf Millionen Euro geförderte Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Mobilität der älteren Einwohner mit neuer Technik zu verbessern: mit Senioren-Scooter-Sharing inklusive Scooter-Übungsplatz, smarten Sitzbänken, Straßenlaternen und Informationsbildschirmen.

Das Projekt soll vor allem auch als Vorbild für die deutsche Städteplanung der Zukunft dienen. Urban Life+ ist nicht das Werk eines Einzelnen: Zwölf Partner arbeiten seit fünf Jahren zusammen und entwickeln unter der Koordination der Universität Hohenheim Konzepte für den seniorengerechten Städtebau der Zukunft. Dabei hat zwar jeder Teilnehmer einen Teilauftrag, aber allen gemein ist die Frage: Wie kann man die Teilhabe am städtische Leben Mönchengladbach durch Mensch-Technik-Interaktion mit smarten städtebaulichen Objekten sicherstellen?

Mönchengladbach – eine typische deutsche Stadt?

Ideen gab es darauf viele: Ampeln, die bei Bedarf Grünphasen verlängern, Straßenlaternen, die ihre Beleuchtung dem Sehvermögen der Passanten anpassen und schnell erreichbare Sitzbänke, die sich mit Höhe und Neigungswinkel den Anforderungen von Senioren anpassen. Das und noch viel mehr wurde also in den letzten fünf Jahren entwickelt – mit rund 4,8 Millionen Euro unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Zunächst läuft das Ganze noch bis Oktober 2020.

Wieso aber ausgerechnet Mönchengladbach? Das hat mehrere Gründe:

  • Zum Beispiel das prognostizierte Durchschnittsalter: Laut Prognosen werden in Mönchengladbach 2025 nämlich fast 42 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter sein. Stadtplanerische Unterstützung ist also dringend nötig.
  • Außerdem bilden die beiden ausgewählten Stadtteile Hardterbroich-Pesch und Rheindalen eine gute Mischung verschiedener Siedlungstypen. Während ein Stadtteil eher ländlich geprägt ist, ist der andere urban. So können für beide Siedlungstypen die jeweils benötigten Details beachtet werden.
  • Mit dem städtischen Dienstleister Sozial Holding GmbH befindet sich außerdem ein starker Projektpartner direkt vor Ort.  

Anfangs war vor allem eins besonders wichtig: die Befragung der Zielgruppe. Um auf deren Bedürfnisse wirklich eingehen zu können, wurden im Mai 2017 mehr als 6.000 Senioren schriftlich zu ihren Lebensumständen, außerhäuslichen Aktivitäten und der Nutzung digitaler Technologien befragt.

Google Maps für Senioren

Kartenansicht mit kleinen Symbolen
Künftig soll ein spezielles Navigationssystem Senioren den Weg mit den wenigsten Barrieren vorschlagen | Bild: WDR

Ein Navigationssystem nur für Senioren? Das soll in Zukunft in Mönchengladbach möglich sein. Dafür hat das Unternehmen Topcon die Geodaten des Wege- und Straßennetzes der Stadtteile mit einem Laserscanner gescannt. Er liefert ein millimetergenaues Abbild aller befahrenen Straßen, Wege, Bordsteine, Höhenunterschiede und Neigungswinkel. Mit den dabei erhobenen Daten wird so ein genaues Geländemodell geschaffen, welches Aufschluss über Barrieren und Engstellen im öffentlichen Raum gibt. Zidem inventarisierte das Entwicklungsmanagement Drees & Sommer das gesamte Stadtmobiliar: Bänke, Laternen und viele weitere Arten von Gegenständen.

Zusammen ergibt beides den sogenannten Safety-Atlas – einen Planungsleitfaden für Stadtplaner, der alle wichtigen Informationen enthält. Bis 2020 soll aus diesen Daten außerdem eine App entwickelt werden, die Senioren etwa Hinweise gibt, welche Route für sie am besten begehbar ist. Hohe Bordsteinkanten und ungünstige Straßenübergänge ließen sich damit von vornherein vermeiden.

Smarte Umgebung

Um den Senioren den Umgang mit den Technologien zu erleichtern, sollen sie in Zukunft kleine Sender bei sich tragen, die mit der Umgebung interagieren. Dieser Sender wird dem smartem Stadtmobiliar mitteilen, wer sich nähert und welche Bedürfnisse die Person hat. Die Umgebung kann sich so also auf die individuellen Einschränkungen einzelner Personen einstellen.

So arbeitet die Universität Hohenheim momentan an einer Sitzbank, die ihre Höhe individuell anpasst und durch die Neigung der Sitzfläche das Hinsetzen und Aufstehen erleichtert, die Universität Leipzig an einer smarten Straßenlampe, die erkennt, wer sich ihr nähert, und die Intensität der Beleuchtung dem Sehvermögen anpasst und die Universität der Bunderwehr München an einem Informationsbildschirm, der die Person mit Namen begrüßt und individualisierte Vorschläge für Unternehmungen macht. Bei all diesen Dingen ist vor allem eins wichtig: Sie müssen für den älteren Nutzer möglichst leicht zu bedienen sein

Senioren-Scooter für alle

Seniorinnen fahren Scooter
Was für viele Menschen häufig zu teuer ist, wird durch ein Sharing-Prinzip möglich gemacht. | Bild: WDR

Wer nicht mehr gut zu Fuß ist, soll in Zukunft in Mönchengladbach außerdem auf einen ganz besonderen Service zugreifen können: einen Senioren-Scooter-Sharing-Dienst. Diese Elektro-Mobile erweitern den Aktivitätsradius der Senioren ungemein: Ein Ort, in dem vorher ein Besuch ohne Unterstützung nicht möglich war, ist so wieder erreichbar und gibt den Senioren wieder einen großen Teil Selbstbestimmung zurück.

Bevor gemietet werden darf, muss aber geübt werden. Das ist auf dem eigens dafür gebauten Verkehrsübungsplatz möglich. Ausgestattet mit verschiedenen Straßenoberflächen soll der Platz die Scooter-Nutzer künftig auf alle Individualitäten vorbereiten – und auch als Vorzeigeort dienen. Denn künftig werden dort auch alle weiteren – im Projekt entwickelten – Möglichkeiten ausgestellt werden. Und vielleicht wird so der ein oder andere Städteplaner dazu angeregt, bei der Stadt der Zukunft die Mobilität von Senioren mitzudenken.

Autorin: Lena Gräf (WDR)

Stand: 26.03.2020 17:10 Uhr

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