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Blattgold: Robuster Hauch von Nichts

Blattgoldverzierte Hausfassade
Blattgold im Wert von über 80.000 Euro verschönert diese Hausfassade in Hamburg. | Bild: WDR

Es ist ein Symbol und rund 4.000 Jahre alt. So lange vergolden Menschen bereits Objekte. Doch heute wird dieses Symbol auch mal als Provokation genutzt, zum Beispiel in Form einer vergoldeten Hausfassade – ausgerechnet in einem Problemstadtteil Hamburgs. Materialwert: über 80.000 Euro. Eine Kunstaktion, die in Hamburg für viel Gesprächsstoff sorgte. Doch abgesehen von Luxus und Verschönerungseffekt – ist es überhaupt sinnvoll, das edle Material auf Oberflächen im Freien zu nutzen? Die Antwort ist: ja. Denn Blattgold schmiegt sich mit seinen besonderen Materialeigenschaften nicht nur perfekt an jede Form an und obwohl es 1.000 Mal dünner als ein Blatt Zeitungspapier ist, verleiht es der Oberfläche nicht nur das Aussehen massiven Goldes, sondern das Erstaunliche daran: Einmal aufgetragen, trotzen die hauchdünnen Blättchen auch noch Wind und Wetter, und das über Jahrzehnte! Denn als Edelmetall oxydiert – also rostet Gold nicht und anfallender Schmutz wird vom Regen einfach abgewaschen.

Vorausgesetzt die Vergoldung ist gut gemacht, dann hält sie bis zu 30 Jahre und ist damit robuster als viele Lacke und Schutzfarben, solange sie nicht berührt wird – denn das mag eine Vergoldung gar nicht. Solche mechanischen Einflüsse wie Berührungen mit der Hand, durch Vögel oder auch Wetterereignisse wie Hagel können der Blattgold-Oberfläche schaden. Im Außenbereich wird mit einer wetterfesten Ölvergoldung gearbeitet. Dabei wird zunächst der Untergrund vorbereitet und mit einem Ölanstrich versehen. Anschließend wird das Blattgold mit Hilfe eines Anlegeöls darauf fixiert.

Die uralte Kunst der Vergoldung

Hauchdünnes Blattgold wird aufgetragen.
Bettina Siegmund-Felber bringt hauchdünnes Blattgold auf eine Harfe. | Bild: WDR

Wie nach allen Regeln der Kunst das hauchdünne Metall auf die Oberfläche gebracht werden muss, weiß die Vergolderin Bettina Siegmund-Felber. In ihrer Werkstatt gibt es prachtvolle Objekte, wie zum Beispiel eine Konzertharfe, die aktuell auf ihre Vergoldung wartet. Bei dem Instrument wird eine sogenannte Leimvergoldung gemacht, eine wesentlich feinere und empfindlichere Vergoldungsmethode, die nur in Innenräumen zur Anwendung kommt, da sie wasserlöslich ist. Bevor ein Gegenstand so vergoldet werden kann, trägt Bettina Siegmund-Felber ein Gemisch aus Kreide und Leim auf, die Basis. Dann muss die Oberfläche sorgfältig gereinigt und geglättet werden, denn das Gold verzeiht keinen einzigen Krümel. Anschließend wird es mit einer letzten Schicht Klebemittel benetzt – und dann kommt der schwierigste Part: das "Anschießen" des Blattgoldes. In einer fließenden Bewegung trägt Siegmund-Felber die flatterigen Blättchen auf und lässt so die reich verzierte Harfensäule golden erstrahlen.

Vergolden verlangt Fingerspitzengefühl

Diese Arbeit verlangt viel Fingerspitzengefühl und eine lange Ausbildung. Denn die Blattgoldplättchen dürfen nicht mit bloßen Fingern berührt werden, sondern müssen in einer lange trainierten, genau abgestimmten, schnellen Bewegung mit einem sogenannten Anschießer oder Feenhaarpinsel aufgetragen werden. Eine gute Ausbildung ist wichtig. Wie Bettina Siegmund-Felber erklärt, können Fehler beim Vergolden oft nur schwer rückgängig gemacht werden. Das kann auf Dauer teuer werden. Denn auch wenn es so dünn ist, ist Blattgold immer noch echtes Gold.

Die Berufsausbildung dauert drei Jahre und läuft dual ab: An ein bis zwei Tagen pro Woche lernen die Auszubildenden in der Berufsschule die theoretischen Grundlagen, wie sie verschiedene Oberflächen je nach Material behandeln, wie sie Fläche und Materialverbrauch berechnen sowie Kunstgeschichte und Wirtschaftskunde.

Dieses Wissen wenden sie dann in der Werkstatt an. Hier bearbeiten sie eigene Entwürfe oder Kundenaufträge. Vergolder/innen vergolden, versilbern oder metallisieren und restaurieren Rahmen, Möbel, Skulpturen oder andere Kunst- und Gebrauchsgegenstände für den Innen- und Außenbereich. Manchmal auch gleich vor Ort, wenn sie zum Beispiel einzelne Ornamente in einem riesigen Kunstwerk bearbeiten. Wichtige Voraussetzungen für den Beruf sind eine ruhige Hand, Kreativität sowie Unempfindlichkeit gegenüber Chemikalien und dem anfallenden Staub. Ein Schulabschluss ist für die Ausbildung nicht notwendig. Trotzdem: Lediglich 30 Lehrlinge werden in Deutschland im Durchschnitt jedes Jahr ausgebildet.

Geburt eines Goldblättchens - Vom Barren bis unendlich dünn

Blattgoldblättchen werden maschinell zwischen Pergamentpapier gelegt.
Seit 1876 wird in der Goldschlägerei Noris Blattgold hergestellt. | Bild: WDR

Doch wie entstehen aus einem Barren Gold die hauchdünnen Blättchen, mit denen Vergolder arbeiten? Auch das ist ein Handwerk mit Tradition – das Tagesgeschäft von Goldschlägereien. In der Blattgoldfabrik Noris wird seit 1876 Gold geschlagen. Dieses Familienunternehmen befindet sich im fränkischen Schwabach, dem historischen Zentrum der Blattgoldherstellung. Dort findet täglich die mühsame und akribische Arbeit statt, die aus Goldbarren Tausende feine Goldblättchen entstehen lässt. Gold im Wert von vielen Tausend Euro wird hier bei fast 1000 Grad eingeschmolzen. Der dabei entstandene 850 Gramm schwere, noch weiche Goldbarren wird anschließend zu einem 300 Meter langen Band von Zeitungspapierdicke gewalzt.

Blattgoldblättchen liegt auf einer Filzauflage.
Nur mit einer jahrelangen Ausbildung gelingt es, die zarten Blättchen richtig zu platzieren. | Bild: WDR

Das Band wird in Quadrate geschnitten, gestapelt und kommen dann unter den Hammer: Mit 300 Schlägen pro Minute hämmert der auf die Goldblätter ein, bis sie 1/12.000 Millimeter dünn sind. Um nur eine Dicke von einem Millimeter zu erlangen, müsste man also ganze 12.000 Goldblättchen übereinander legen. Zwischendurch muss immer wieder kurz pausiert werden, das weiche Gold würde sonst durch die Wucht des Hammers zerstört werden. Nach zwei Schlagdurchläufen von je zwei Stunden können die Blättchen nur noch mit einer Pinzette angefasst werden. Einzeln werden sie auf eine Größe von 8x8 Zentimeter geschnitten und in Seidenpapier einsortiert. Damit Gold und Papier nicht aneinander haften bleiben, wird das Trennpapier mit sogenanntem Brau, einer Art Gipspuder, eingestäubt. Zu kleinen Büchern verpackt, ist das Blattgold fertig zum Verkauf. Wird es jetzt noch mit den Fingern berührt, zerreißt es sofort. So sind aus dem kleinen Goldbarren insgesamt 350 Quadratmeter Blattgold entstanden – fast ein ganzes Basketballfeld. Blattgold ist, wenn es fertig geschlagen ist, so dünn, dass man hindurchschauen kann.

Autorin: Franziska Müschenich (WDR)

Stand: 19.07.2020 17:56 Uhr

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