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Bahnsicherheit

Wiederholung vom 25.2.2007

Vollgas auf der Modelleisenbahn. Die ist aber kein Spielzeug. Sie ist ein Forschungslabor der TU-Dresden. 6 Jahre haben Wissenschaftler daran gearbeitet um das hoch komplexe System zu entwerfen und zu realisieren. Dafür ist hier aber alles wie bei der echten Bahn: Schwere Güterzüge beschleunigen langsam, ICEs sehr schnell, Signale können gestellt werden, es gibt echte Stellwerke und bis zu 100 Züge fahren gleichzeitig. Professor Trinckauf untersucht hier Techniken und Wege, die das Bahnfahren sicherer machen sollen. Als größte Gefahr für die Sicherheit hat der Wissenschaftler den Menschen ausgemacht. Denn Menschen machen ständig Fehler, die zu schlimmen Unfällen führen können. Seine Konsequenz daraus:

"Es kommt darauf an, dass Systeme so gestaltet werden, dass sie im Wesentlichen dem Menschen die Sicherheitsverantwortung abnehmen können."

Denn eins steht fest: Die Technik arbeitet heute viel zuverlässiger als der Mensch. Über 90% der Unfälle sind auf falsches menschliches Verhalten zurück zu führen. Technisches Versagen gibt es kaum noch. Prof. Trinckauf stellt mit seiner Anlage nach, was so alles passieren kann. Auch den Verlauf der Katastrophe von Brühl hat er im Detail analysiert.

Größter Unsicherheitsfaktor ist der Mensch

Loks
Loks | Bild: dpa

Rückblende: 6. Februar 2000. 9 Tote, 149 Verletzte lautet die Bilanz dieses Zugunglücks. Der Lokführer fuhr an einer Baustelle mit Tempo 122 über eine Weiche, die nur Tempo 40 ausgehalten hätte. Menschliches Versagen! Trinkauf:

"Mit einer Geschwindigkeitsprüfeinrichtung, die am Gleis angebaut wird wäre dieser Unfall nicht passiert. Diese prüft die Geschwindigkeit des Zuges und wenn diese zu hoch ist, wird der Zug zwangsgebremst."

Neues Sicherheitssystem soll Lokführer untersützen

In Zukunft wäre es möglich mit so einer technischen Einrichtung den Zugführer permanent zu überwachen. Dr. Rolf Detering von Siemens Transportation Systems war an der Entwicklung eines solchen Systems beteiligt. Auf einigen Kilometern zwischen Wittenberg-Lutterstadt und Leipzig ist dieses System schon Installiert. Es nennt sich „European Train Control System (ETCS)“. Es soll irgendwann auf allen Europäischen Zugstrecken eingesetzt werden.

Rolf Detering setzt große Hoffnungen darauf. In Europa gibt es bislang eine Vielzahl von Sicherungssystemen. Doch die werden teilweise nebeneinander eingesetzt und sie sind nicht kompatibel. Mit ETCS soll sich das ändern. Es gewährleistet grenzüberschreitend einen reibungslosen und sicheren Zugverkehr. Projektmanager Rolf Detering:

"Das komplette ETCS-System, das im Zug installiert wird ist kaum größer als ein Homecomputer. Dazu kommen noch einige Sensoren und Empfangseinheiten. Das System ist trotzdem sehr leistungsstark. Es kann die komplette Fahrt des Fahrzeuges überwachen und dem Lokführer alle möglichen Unterstützungen und Informationen liefern."

Neben der Strecke und in den Schienen sind weitere Messeinrichtungen installiert, die den Zug ebenfalls überwachen. Die Daten werden per Funk an den Bordrechner des Zuges übertragen. Geht etwas schief, dann soll der sofort eingreifen.

Wie das funktioniert zeigt Rolf Detering anhand eines Versuches: "Wir fahren jetzt deutlich zu schnell auf den Bahnhof zu…" Zu Testzwecken gibt der Lokführer zusätzlich noch Gas und simuliert so einen lebensgefährlichen Fehler.

"Sie sehen jetzt die Vorwarnung auf Orange, das heißt, die Bremskurve ist jetzt wirksam. Wenn jetzt nicht gebremst wird, dann greift ETCS ein: Es leitet selbstständig eine Bremsung ein und das Fahrzeug verringert so sicher die Geschwindigkeit."

Widersprüchliche Vorschriften irritieren Lokführer

Test bestanden, der Zug fährt, ohne, dass der Lokführer einen Finger rührt, sicher durch den Bahnhof. Mehr Sicherheit dank modernster Technik. Bei der Analyse der Katastrophe von Brühl sind Jochen Trinckauf und seine Kollegen übrigens noch zu einem zweiten Ergebnis gekommen: Es gab zu viele, komplizierte Vorschriften. Und die Signalisierung und der ungewöhnliche Streckenverlauf im Bahnhof Brühl hatte den Lokführer offensichtlich verwirrt. Jochen Trinckauf:

"Der Lokführer hatte sehr viele Regeln zu beachten, die scheinbar auch noch widersprüchlich waren. Hätte er weniger Regeln zu beachten gehabt, wären weniger Widersprüche offensichtlich gewesen, dann wäre ein solcher Unfall vielleicht nicht passiert."

Parallel zur technischen Aufrüstung müssen also auch die Regelwerke klar und eindeutig werden. Jochen Trinckauf jedenfalls wird weiter nach den Tücken im System fahnden, damit wir auch in Zukunft sicher ankommen.

Autor: Arno Trümper

Stand: 11.05.2012 13:04 Uhr

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